Eolanee. Michael H. Schenk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael H. Schenk
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847688563
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sicherlich. Doch ihr Kummer macht mir Sorgen“, gestand er ein. „Du solltest sie öfter mit den anderen Kindern spielen lassen. Ihr ein mehr unbeschwertes Leben gönnen. Das ist wichtig für ihre Entwicklung.“

      Neredia sah ihn strafend an. „Du warst es, der Wert darauf legte, dass ihre Fähigkeiten früh geschult werden.“

      Er räusperte sich verlegen. „Hm, ja, das will ich wohl zugeben.“

      „Ihre wundervollen Gaben bedürfen der Schulung und unserer Begleitung“, fügte die oberste Baumhüterin leise hinzu. „Es ist ein schweres Opfer, welches die arme Eolanee da für unser Volk erbringen muss.“

      Bergos sah sie ernst an. „Ja, es ist viel verlangt. Dennoch ist es der richtige Weg. Denk an die Prophezeiung der Weisen Prophetin.“

      „Ich denke eher an Eolanee“, bekannte Neredia.

      „Weiber“, brummelte der oberste Auraträger.

      Sie strich ihm über den Bart und lächelte. „Du hast selbst ein weiches Herz, Bergos Ma´ara´than. Du magst es vor anderen verbergen, aber nicht vor mir.“

      Trotz des dämmerigen Lichtes war zu erkennen, wie er verlegen errötete. „Mag sein.“

      „Komm, Bergos, lass uns nach ihr sehen“, schlug sie vor.

      Er folgte ihr bereitwillig zur Schlafkammer des Mädchens, wo Eolanee friedlich schlief.

      Neredia ergriff Bergos Hand und deutete zu einer der Wände. „Dort. Kannst du es sehen?“

      Erneut hatte sich das Muster der Ranken und Blätter gewandelt. Die zuvor verwirrenden Formen flossen nun sanft ineinander.

      „Ich glaube, sie hat einen schönen Traum“, flüsterte Neredia erleichtert.

      Bergos legte erneut den Arm um ihre Schultern. „Mit unserer Hilfe mag sie den rechten Weg finden. Die kommenden Jahre werden offenbaren, ob Eolanee sich für unser Volk als Segen oder Fluch erweist.“

      Kapitel 5

      „Sie stinken.“

      Han-Keltor wandte den Kopf und sah den Sprecher spöttisch an. „Menschen stinken immer.“

      Der Krieger verzog missmutig das Gesicht. „Mag sein. Aber diese stinken besonders.“

      „Das ist normal“, murmelte Lutrus. „Immerhin sind sie schon eine Weile tot.“ Der erfahrene Krieger blickte in die Mulde hinunter, in der eine Gruppe Kämpfer kauerte. Ein Stück abseits lagen die Leichen mehrerer mentevischer Soldaten. Han-Keltors Gruppe hatte die kleine Grenzpatrouille der Menschen vor zwei Tagen überrascht. „Schade, dass sie so nutzlos verderben. Wir hätten uns ein paar gute Stücke von ihnen nehmen sollen.“

      „Nicht einen einzigen Bissen“, zischte Han-Keltor. „Du weißt genau, dass wir ihre Leiber unversehrt brauchen. Von den Kampfwunden abgesehen“, fügte er kalt lächelnd hinzu. „Schließlich soll man später glauben, die Menschen seien hier siegreich gewesen und hätten sich zurückgezogen, nachdem sie ihre Toten verscharrt haben. Menschen fressen einander nicht, Lutrus, nicht wahr? Also darf es keine Bissspuren geben.“

      Lutrus sah auf die Leichen und spuckte aus. „Ja, du hast Recht. Schade. Aber inzwischen ist ihr Fleisch ohnehin schon halb verdorben.“

      Sie sahen sich an und lachten. Han-Keltor zog den runden Helm vom Kopf und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Die Sonne brannte unbarmherzig herab und erfüllte den Pass mit glühender Hitze. Der helle Sand, der den Boden an den meisten Stellen bedeckte, war fast zu heiß, um ihn betreten zu können. Für die Männer, die dort unter dem Sand verborgen lagen, musste es nahezu unerträglich sein. In ihren engen Löchern liegend, von einer Decke und einer dünnen Schicht Sand bedeckt, würde es ihnen vorkommen, als lägen sie auf dem glühenden Rost einer Feuerstelle. Aber sie hielten sich gut. Nichts bewegte sich dort draußen im Pass und die dünnen Pflanzenstängel, durch welche die Krieger atmeten, fielen zwischen den kleinen Grasinseln im Sand nicht auf.

      „Ich hoffe, der Wind dreht nicht“, murmelte Han und setzte den Helm wieder auf. „Sonst treibt der verdammte Verwesungsgestank in den Pass hinein und die Eskorte kann ihn riechen. Die Reps der Ehrenwache haben eine feine Nase.“

      „Die Reitechsen werde nur auf den Geruch des brünstigen Weibchens achten“, versicherte Lutrus. „Aber keine Sorge, der Wind wird nicht drehen. Es ist Frühsommer, da kommt er hier immer von Norden. Schließlich haben wir den Ort und den Zeitpunkt sorgfältig gewählt.“

      „Und wir haben lange Zeit auf diese Gelegenheit gewartet“, seufzte Han-Keltor. „Eine verdammt lange Zeit, damit uns der Fang in die Falle geht.“

      „Noch ist die Falle nicht zugeschnappt.“ Lutrus gähnte. „Diese Warterei geht mir auf die Nerven.“

      „Wir mussten fast drei Jahre auf diese günstige Gelegenheit warten, da wirst du die paar Augenblicke auch noch aushalten.“ Han-Keltor drehte sich auf den Rücken und blickte erneut in die Mulde hinab.

      Innerhalb der vergangenen drei Jahre war Tirana-Valkar im Rat der Berengar aufgestiegen und ihre Stimme hatte dort an Bedeutung gewonnen. Han war nun der Kriegsherr der Blauhand und beide waren, nach der traditionellen Trauerzeit um Tiranas vorherigen Gemahl, auch offiziell miteinander verbunden. Langsam kamen sie ihren Zielen näher. Tirana der Macht als Oberherrin der Clans und Han der Position ihres obersten Kriegsherrn. Ihr gemeinsamer Weg würde das Volk der Berengar in den Krieg gegen die Mentever führen, doch dies gestaltete sich nicht ganz so leicht, wie Han-Keltor dies erhofft hatte. Auch wenn die Ressourcen der Menschen und der Ruhm des Kampfes viele der Krieger lockten, so ließen sich die Kriegsherren der Clans nur schwer überzeugen. Sie gehorchten den beschwichtigenden und mahnenden Worten der alten Thaanit, welche den Kriegsgelüsten mit der Erinnerung an die selbstmörderischen Clankriege der Vergangenheit entgegen trat. Han und Tirana war bewusst, dass ihr Plan keine Aussicht auf Erfolg hatte, solange die derzeitige Thaanit über die Clans regierte. Doch so alt sie auch war, sie schien ein sehr langlebiges Wesen zu sein und weder Han-Keltor, noch Tirana-Valkar, wollten sich in der Geduld üben, auf ihren natürlichen Tod zu warten. Sareda-Manor, die alte Oberherrin, musste sterben und Han und Tirana hatten einen hinterhältigen Plan ersonnen, dies zu bewirken.

      Mit der Geduld eines erfahrenen Wüstenkriegers trafen sie die notwendigen Vorbereitungen, denn wenn die Thaanit starb, durfte kein Schatten des Verdachts auf ihre wahren Mörder fallen. Tirana-Valkars Position erlaubte es ihr, die Absichten der alten Thaanit in Erfahrung zu bringen und Han-Keltor weihte behutsam jene Männer ein, die ihm Bedingungslos folgten. Sie mussten sehr behutsam vorgehen. Selbst in ihrem eigenen Clan, der Blauhand, würde man den Mord an der Oberherrin nicht gut heißen. So waren die Vorbereitungen nur langsam gediehen.

      Han-Keltor weihte nur ihm verschworene Krieger in das Vorhaben ein und Tirana, als Mitglied des Thaan, sammelte alle verfügbaren Informationen über die Gewohnheiten der Oberherrin. Endlich hatten sie in Erfahrung bringen können, auf welchem Weg die regierende Thaanit diesmal unterwegs war. Die Gelegenheit war günstig. Angeblich war Han mit seinen Vertrauten weit unten im Süden unterwegs. So würde kein Verdacht auf die Verschwörer fallen. Wurde der heutige Tag von Erfolg gekrönt, dann hatten sich das Warten und die Mühe der vergangenen Jahre gelohnt.

      Han betrachtete den menschlichen Bogen, der neben Lutrus im Sand lag. „Wirst du damit treffen können?“

      Lutrus grinste kalt. „Du weißt, ich kann mit jeder Waffe treffen. Erst recht mit einem Bogen der Menschen. Sie bauen gute Waffen.“

      „Falls einer der Reiter zu entkommen versucht, musst du ihn mit einem Menschenpfeil töten.“

      „Ich werde ihn treffen, verlass dich darauf. Bist du sicher, dass sie hier entlang kommen?“

      Han-Keltor sah Lutrus böse an. „Verdammt, ja. Du fängst an, mir auf den Nerv zu gehen. Die Oberherrin inspiziert alle Grenzanlagen. Jede einzelne der Wachen. Sie tut es sehr sorgfältig und lässt keine aus. Die verdammte Thaanit und ihre Eskorte werden hier vorbei kommen. Mitten durch den Pass und dann