Die Ei-Geborenen. Michael H. Schenk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael H. Schenk
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847698166
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die Waffen zum Stoß, mit blanker Klinge, eingesetzt. Vor jedem Schuss musste eine kleine Kurbel am Lanzenende eingesteckt werden, mit der die Spiralfeder im Inneren gespannt wurde, bis sie im Auslöser einhakte. Dann legte man den stählernen Bolzen in die Führung und schloss sie. Der Vorgang nahm einige Zeit in Anspruch, und im Kampf blieb selten die Zeit, die Schusslanzen nachzuladen. Immerhin hatte der einzelne Bolzenschuss eine verheerende Wirkung, wenn er sein Ziel traf. Das stählerne Geschoss traf über fast hundert Meter genau und durchschlug dabei auch schwere Rüstungen und Schilde. Die Spitzen der Bolzen waren eingekerbt, wodurch sie furchtbare Wunden rissen.

      „Ich rieche noch immer nichts“, murmelte Svenem. „Und Tellen wohl auch nicht.“

      „Aber auch er spürt, dass etwas nicht stimmt“, sagte einer der Lanzer leise. Er wies zu dem Jäger, der noch immer unbewegt kauerte und inzwischen einen Pfeil auf die Sehne seines Jagdbogens gelegt hatte. „Die Bestien sind nicht dumm, Senior-Hauptmann. Die wissen genau, dass wir sie riechen können. Manchmal reiben sie sich mit einem Pflanzensekret ein, das überdeckt ihren typischen Gestank.“

      „Ruhe“, zischte Sonia Malten.

      „Mein Einhorn wird jetzt auch unruhig“, flüsterte eine schlanke Frau. „Die Bestien müssen da sein und sie kommen näher.“

      Svenem spürte den Wind, der aus dem Pass heran strich, aber er konnte den typischen, stechenden Geruch der Walven nicht wahrnehmen. Man wusste nicht, ob diese Körperausdünstung eine Eigenheit der Bestien war oder mit ihrer Ernährung zusammenhing. Aber der Geruch war unverwechselbar.

      „Vier halten den Grund, je drei nach rechts und links“, befahl Sonia leise. „Die Einhörner hinter die Linie. Hier ist es zu eng, als dass sie in den Kampf eingreifen könnten. Hogen und Talis, vierzig Schritte zurück. Ihr seid die Reserve. Und gebt mir auf den Kommandeur Acht.“

      „Ich kann selbst auf mich aufpassen“, knurrte Svenem verdrießlich. Mit sanftem Schaben glitt seine zweischneidige Klinge aus der Scheide. Der Handschutz zeigte das geflügelte Einhorn, das Symbol des Imperiums. Der Kaiser schenkte es dem Kommandeur des 7ten Regiments, nachdem dieser ihm in einer Schlacht das Leben gerettet hatte.

      Sonia strich sanft über Ragos Hornansatz. „Ich verlasse mich auf dich, Ragos.“

      Der Einhornhengst schnaubte leise und trabte dann mit den anderen Reittieren nach hinten, gefolgt von den Lanzenreitern Talis und Hogen sowie dem missmutigen Svenem.

      Tellen schien nun auf etwas aufmerksam geworden zu sein. Noch immer geduckt, begann er behutsam, Schritt für Schritt, aus dem engen Pass zurückzuweichen. Die Lanzer verteilten sich in Gefechtslinie quer über den Pass. Die vier in der Mitte waren nahezu ungeschützt und knieten mit schussbereiten Lanzen am Boden. Die anderen fanden Deckung hinter Felsen. Die Lanzer Hogen und Talis hatten die Einhörner ein Stück nach hinten geführt, zusammen mit Svenem, der erregt den Griff seines Schwertes umklammerte. Er sah die vier ungeschützten Männer in der Mitte des Passes und hätte der Unterführerin am liebsten zugerufen, sie in Deckung zu befehlen. Es war ein Fehler, vier Kämpfer so offen zu positionieren, und der Regimentskommandeur hatte sich gerade entschlossen, einzugreifen, als es geschah.

      Tellen machte eine rasche Bewegung, schien sich aufrichten und zu der Streife hasten zu wollen, als er plötzlich die Augen weit aufriss und dann lautlos vornüber stürzte. Zwischen seinen Schultern ragte der Schaft einer Wurflanze empor. Noch während die Beine des Jägers ein letztes Mal zuckten, war das Poltern von Steinen zu hören und der enge Pass schien sich übergangslos mit Walven zu füllen.

      Svenem hatte schon oft gegen sie gekämpft und doch erfüllte ihn ihre Kampfesweise immer wieder mit neuem Staunen. Gewöhnlich schrien Kämpfer ihren Kampfeswillen oder auch ihre Furcht hinaus und stürmten brüllen auf den Feind ein. Aber das galt nicht für die Walven. Als sollte es die Unmenschlichkeit ihrer Art unterstreichen, hasteten die Bestien in grimmigem Schweigen auf die Stellung der Lanzenreiter zu. Nur das schwere Atmen und das Hasten ihrer Schritte waren zu hören, dazwischen das Klingen metallener Rüstungsteile und Waffen.

      Äußerlich ähnelten die Walven den Menschen, auch wenn ihre Haut ungewöhnlich blass und ihre Ohren lang und spitz waren. Svenem hatte genug verstümmelte Kadaver der Bestien gesehen, um zu wissen, dass sie über zwei Herzen verfügten und ihr gelbes Blut eine stark ätzende Wirkung besaß. Blutspritzer auf menschlichem Gewebe bewirkten schwere Verletzungen, und nur Stahl konnte dem Blut der Bestien widerstehen. Dies war auch der Grund, warum die Truppen des Imperiums vollständige Rüstungen trugen, wenn sie gegen die Walven zogen.

      Die vier Lanzer in der Mitte des Pfades feuerten beim Anblick des anstürmenden Feindes eine unregelmäßige Salve. Svenem sah entsetzt, wie einer der Männer versuchte, seine Lanze nachzuladen. Ein verhängnisvoller Anfängerfehler, der einfach nicht geschehen durfte. Der Nachladevorgang dauerte viel zu lang. Die drei anderen Männer wirkten seltsam unentschlossen, starrten zu den schweigend heranhastenden Walven und dann in Svenems Richtung.

      Der Regimentskommandeur stöhnte auf, als der erste der Lanzer sich zur Flucht wandte und die anderen drei nach kurzem Zögern folgten.

      „Diese verfluchten Bastarde“, stieß Svenem grimmig hervor und es war nicht sicher, ob er die fliehenden Lanzen oder die angreifenden Walven meinte.

      Als der Senior-Hauptmann sich aufrichten wollte, riss Lanzenreiter Talis ihn in Deckung zurück. „Unten bleiben, verdammt“, zischte der Mann und sah Svenem wütend an. „Willst du alles ruinieren?“

      Svenem wollte protestieren, aber Talis drückte ihn Rücksichtslos nach unten. „Runter und unten bleiben! Du kommst schon noch zu deinem Gemetzel.“

      Einer der vier fliehenden Lanzenreiter ließ in Panik seine Waffe fallen, wohl um rascher entkommen zu können. Die Männer hasteten auf Svenem und seine beiden Begleiter zu, hatten keinen Blick für das, was hinter ihnen geschah.

      Von den Walven stieg ein seltsames Knurren auf. Jenes Knurren, das Svenem schon oft vernommen hatte, wenn die Bestien sich des Sieges sicher waren. Die Blicke auf die Fliehenden gerichtet, rannten die Walven an den Lanzern von Sonia vorbei, die mit diesen zwischen den Felsen verborgen blieb. Es mussten fünfzig oder sechzig Krieger sein, weit mehr als ein harmloser Erkundungstrupp.

      Über das Knurren der Walven erhob sich ein lauter Schrei von Talis. „Lanzen und Hörner zum Sturm!“

      Erst jetzt begriff Svenem Jolas die Brillanz der Unterführerin. Sie hatte aus dem gescheiterten Hinterhalt der Walven einen eigenen Hinterhalt gebildet. Talis hatte den richtigen Moment abgepasst und der Schlachtruf der Lanzenreiter wendete das Bild.

      Die scheinbar fliehenden Männer blieben stehen, wandten sich um, und stellten sich dem überraschten Feind. Zugleich sprangen Talis und Hogen aus der Deckung und Svenem beeilte sich, ihnen zu folgen und sich mit den anderen in der Mitte des Pfades zusammenzuschließen.

      Die Walven zögerten nicht. Dicht gedrängt stürmten sie auf die sieben Feinde zu. Hogen und Talis feuerten ihre schussbereiten Lanzen ab und töteten zwei Gegner, dann zogen sie die Lanzen zum ersten Stoß eng an die Körper. Automatisch trat Svenem hinter die Lanzenkämpfer. Mit dem Schwert war er in vorderster Linie fehl am Platz, aber wurde einer der Lanzenträger zurückgedrängt und öffnete sich eine Lücke, dann konnte Svenems Klinge sie schließen.

      Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis die Gegner aufeinanderprallten. Augenblicke, in denen sich Svenem viele Details einprägten. Die nervös zuckenden Ohrspitzen des Walvenführers, die schartige Klinge, die der Mann schwang. Die aufgerissenen Augen der Bestien, mit ihren violett schimmernden Pupillen. Lederne und metallene Rüstungsteile und Helme, Äxte, Schwerter und Spieße, die sich den Lanzenreitern entgegen reckten.

      Die scheinbare Flucht der Lanzenreiter hatte die Walven vierzig Schritte in das kleine Tal hinein gelockt. Vierzig Schritte, die für den Kriegstrupp der Bestien den Tod bedeuteten. Vierzig Schritte, die den Einhörnern Gelegenheit gaben, ihre Hörner in die Leiber der Walven zu senken.

      Selbst Svenem war überrascht, war ganz auf den stürmenden Feind fixiert, und registrierte die Attacke der Einhörner erst, als diese schon in den Feind einbrachen.

      Die Walven hatten