Die Ei-Geborenen. Michael H. Schenk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael H. Schenk
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847698166
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stimmte in Densens Lachen ein. „Ja, das stimmt. Du musst es besser wissen, als ich. Dein Bruder Svenem dient ja dort, mit unserem alten Regiment.“

      Donderem-Vob hatte das Imperium von seinem Vater geerbt. Es war kein leichtes Erbe, war es nie gewesen. Donderem hatte es früh übernehmen müssen, als sein Vater einem Reitunfall zum Opfer fiel. Ausgerechnet eines der letzten frei lebenden Einhörner war ihm zum Verhängnis geworden. Der damalige Kaiser hatte es auf einem Jagdausflug entdeckt, eigenhändig eingefangen und es selbst zureiten wollen. Als das Tier ihn dabei abwarf, hatte das lange Stirnhorn den Leib des Regenten aufgeschlitzt. Er war verblutet, ohne dass Hilfe möglich gewesen wäre. Donderem war dabei gewesen und er hatte verboten, das Einhorn zu töten. „Es hat nur um seine Freiheit gekämpft“, hatte er gesagt, „und jeder von uns hätte das ebenso getan.“

      Diese Worte hatten dem jungen Regenten den Respekt seiner Männer und einen ungewöhnlichen Weggefährten eingebracht. Einhörner verfügten über besondere geistige Fähigkeiten und konnten die Empfindungen eines anderen Lebewesens deuten. Wild lebende Exemplare vermochten sogar Gefühle zu projizieren. Sie machten sich dies zunutze, indem sie die Empfindungen eines Feindes erkennen und rechtzeitig darauf reagieren konnten oder indem sie ein Gefühl der Furcht in den Gegner projizierten, welches diesen verwirrte und hemmte. Das Einhorn, das Donderems Vater unabsichtlich getötet hatte, rettete, in den späteren Kämpfen um das Imperium, immer wieder das Leben des Sohnes. Sturmwind hatte der Imperator sein Einhorn getauft und sie waren auch heute noch unzertrennlich. In den letzten Jahren waren die Ritte des Kaisers selten geworden, aber jeden Tag ging er hinaus, in den imperialen Park, und besuchte den Gefährten.

      Donderem-Vob wies auf einen Beistelltisch aus seltenen Hölzern. „Schenk uns etwas Wein in die Gläser, Densen, und lass uns ein wenig nachdenken. Nach all dem Geschwätz mit dem Senat brauche ich die klaren Gedanken eines Kriegers.“ Donderem sah zu, wie sein Leibwächter und Freund einschenkte, und prostete ihm zu. „Auf vergangene, gemeinsame Ritte, mein Freund. Lanze und Horn zum Sturm!“

      „Lanze und Horn zum Sturm!“, stimmte Densen Jolas in das Motto der Lanzenreiter ein.

      Donderem leckte sich genüsslich über die Lippen. „Ein alter Wein und eine junge Frau. Ich sage dir, Densen, mein Freund, das hält einen alten Krieger jung.“

      Densen verzichtete auf eine Erwiderung und lächelte höflich. Sein Verhältnis zu der jungen Hochgeborenen Vesana, seit nunmehr drei Jahren die Gemahlin des Kaisers, war von Unbehagen geprägt, dass er in ihrer Nähe empfand. Er konnte den Grund dafür nicht nennen. Es war ein unbestimmtes Gefühl, der Instinkt eines Kriegers, der die Gefahr witterte, bevor er sie sah. Aber Donderem, der 68-jährige Imperator, genoss die Liebe Vesanas und erwiderte sie aufrichtig. Der Kaiser empfand Glück in den Armen seiner Frau, und Densen fühlte sich nicht berufen, über die Gefühle anderer zu urteilen. Natürlich hatte er sich heimlich, seiner Aufgabe als Kommandeur der Leibwache entsprechend, ein wenig umgehört. Vesana-Vobs Ruf war ohne jeden Makel. Densen gestand sich zögernd ein, sich mit Menschen wohl weniger auszukennen, als mit Einhörnern oder Walven.

      Donderem-Vob stellte das leere Glas auf seinen Schreibtisch und schritt erneut zur Karte. „Das Imperium hat immer um seinen Bestand kämpfen müssen“, sinnierte er. „Gegen die Piraten an der Westküste, gegen Aufstände in den Provinzen und gegen die Stämme der Walven im Norden und Osten. Nur die Grenze im Süden ist ruhig geblieben.“

      „Kein Feind würde es wagen, sich durch die große Wüste vorzuarbeiten. Sie würde jedes Heer verschlingen.“

      „Ja, Densen, das würde sie. Ich glaube, zwei Forschungsexpeditionen des Imperiums hat sie ebenfalls verschlungen.“

      „Drei.“

      „Hm.“ Donderem ächzte vernehmlich und deutete auf einige Stellen der Karte. „Das große Gebirge zieht sich wie eine Sichel vom Norden, über den Westen, bis zum Süden. Es ist steil und schroff und nur an wenigen Stellen passierbar. Jene Pässe, die ins Land der Walven führen, sind von unseren Reets geschützt. Jede dieser Festungen ist stark genug, einem Ansturm zu widerstehen, bis Verstärkungen eintreffen.“ Er sah Densen grimmig an. „Noch sind die Reets stark genug, sollte ich wohl sagen. Der Senat will die Gelder für die Truppen kürzen. Das wird uns Regimenter kosten, Densen. Gute Regimenter.“

      „Warum will der Senat das tun? Ist ihm nicht klar, dass die Walven immer eine Bedrohung waren? Dass sie immer eine Bedrohung sein werden? Diese Bestien warten doch nur darauf, dass wir Schwäche zeigen.“

      „Du und ich, Densen, wir haben gegen sie gekämpft.“ Der Imperator nickte betrübt. „Wir kennen die Walven. Aber nicht der Senat, mein Freund. Für den Senat, und vor allem unseren geschätzten Hochgeborenen Freund, Tomas-Kent, sind die Walven nur ein Kostenfaktor. Gelder, die man besser in den Ausbau der Stadt und das Gesundheitswesen stecken sollte. Die Seuche, die vor fünf Jahren so manches Leben kostete, sie steckt dem Senat noch in den Knochen.“

      Densen zuckte die Schultern. „Bei Senator Tomas-Kent kann ich das verstehen. Er verlor Sohn und Tochter.“

      Der Imperator stapfte mit dem Fuß auf die Karte. „Wenn die Walven kommen, wird der Hochgeborene Tomas-Kent noch weit mehr verlieren. Und ich spüre, dass sie kommen werden.“

      Auch wenn der Kaiser dem Imperium vorstand, so war er nicht sein alleiniger Herrscher. Blutige Kriege hatten die Menschen gelehrt, dass eine Alleinherrschaft rasch zum Despotismus führen konnte. So hatte das Imperium die Gewalten geteilt. Dem Senat oblagen die zivile Verwaltung und Gesetzgebung, wobei ein Gesetz erst Gültigkeit erlangte, wenn der Kaiser ihm zustimmte. Der Imperator hingegen war der militärische Führer und Repräsentant des Imperiums. Meist bewährte sich diese Teilung der Gewalten, aber es gab Situationen, in denen Konflikte entstanden. Ein solcher Konflikt bahnte sich nun im Senat an.

      Das Imperium war ausgedehnt und erstreckte sich in der Nord-Süd-Achse über fast 4.000 Kilometer, in der West-Ost-Achse immerhin auf knappe 1.200. Ein gewaltiges Gebiet, das von der Hauptstadt Newam aus nicht zu regieren war. So war das Imperium in sechs Provinzen gegliedert, denen ein Präfekt vorstand. Diese Präfekten stellten den Senat.

      „Der Senat will ein Drittel der bestehenden Truppen entlassen“, brummte Donderem-Vob.

      „Ein Drittel?“ Densen Jolas sah den Herrscher schockiert an.

      „Ein Drittel.“ Der Kaiser nickte betrübt. „Ich habe bereits signalisiert, dass ich dem nicht zustimmen werde. Das Gesetz gibt mir das Recht, die Stärke der Truppen zu bestimmen.“ Er lachte freudlos. „Aber Tomas-Kent, dieser schlaue Bastard, hat einen Weg gefunden, mich auszutricksen. Er will Stadtbewohner aufrufen, sich bei Gefahr als Bürgermiliz aufzustellen. Damit kämen wir auf die momentane Lanzenstärke.“

      „Schreiner, Kaufleute, und was auch immer, können gegen Walven nicht bestehen.“

      „Natürlich nicht.“ Der Imperator sah seinen Freund mürrisch an. „Wir beide wissen das. Vielleicht weiß es sogar Tomas-Kent. Aber die braven Bürger der Städte wissen dies nicht. Zu lange leben wir schon im Frieden. Die kleinen Grenzgefechte zählen da nicht.“

      „Grenzgefechte, in denen unsere Lanzen sterben. Und die letzte größere Schlacht gegen die Walven liegt gerade sieben Jahre zurück. Sieben Jahre, Eure Imperialität.“

      „Wir verloren eine Stadt und viele gute Männer und Frauen.“ Donderem-Vob blickte traurig auf die Karte des Imperiums hinunter. „Weit geringere Verluste, als durch die Seuche.“ Er hob die Augen und sah Densen ernst an. „Das ist es, was Senator Tomas-Kent als Argument anführt. Das ist der Grund, warum der Senat die Gelder für die Lanzen des Imperiums kürzen will. Damit die Gelder in öffentliche Bäder gesteckt werden.“

      „Man kann schmutzig kämpfen, aber nicht ohne Geld.“

      Der Imperator lachte auf. „Stimmt, Densen, das ist wahr. Der Unterhalt der Regimenter und Garnisonen sowie Verpflegung und Ausrüstung, verschlingen viel Gold. Aber Schmutz und mangelnde Hygiene fördern die Gefahr von Seuchen, das weißt du ebenso.“

      Sie sahen sich schweigend an und Densen füllte unaufgefordert die Gläser nach. Gemeinsam traten sie an das riesige