Die Ei-Geborenen. Michael H. Schenk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael H. Schenk
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847698166
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mitten im Herzen des noch kleinen Reiches. Ihre günstige Lage in der Biegung des Flusses New hatte ihr Wachstum gefördert, denn der Fluss schützte die Stadt von drei Seiten. Drei Brücken überspannten den schnell fließenden Strom. Brücken, die leicht zu verteidigen waren und notfalls zerstört werden konnten. Nur im Westen gab es keinen Fluss, der die Ausweitung der Stadt verhindert hätte. Die Entwicklung Newams ließ sich an den Verteidigungsanlagen ablesen. An den drei Seiten, die dem Fluss zugewandt waren, gab es nur eine einzige, massige Wehrmauer, an der Landseite hingegen deren drei. Da alle Bürger den Schutz von Mauer und Türmen genießen wollten, hatte das Wachstum der Bevölkerung es erfordert, immer wieder eine neue Wehranlage weiter ins Land hinein zu errichten. Die neue äußerste Mauer war erst vor drei Jahren fertiggestellt worden und es zeichnete sich ab, dass man demnächst eine vierte beginnen musste.

      Trotz der Seuche, der viele Menschen zum Opfer gefallen waren, vermehrten sich die Menschen rasch. Selbst der Imperator wusste nicht genau zu sagen, wie viele Bürger inzwischen in Newam lebten. Um die Stadt herum existierten Bauernhöfe und Viehzuchten, um den Hunger der Menschen zu stillen, in der Stadt selbst, gaben Handwerk und Kunst den Ton an.

      Eine Vielzahl von Waren wurde produziert und mit den anderen Provinzen gehandelt. Umschlagplatz waren die großen Märkte. Auf jedes Handelsgut erhob der Kaiser seinen Anteil, wodurch er seinen imperialen Hof, die öffentlichen Einrichtungen und die Truppen finanzierte. Zum Unglück für den Imperator erhielt auch der Senat einen gewissen Anteil, wodurch er ein Mitspracherecht bei der Verteilung erworben hatte.

      Die Gebäude Newams waren überwiegend aus gebrannten Tonsteinen errichtet. Ton fand man reichlich in der Nähe des Flusses und man konnte ihn ohne großen Aufwand brennen und färben. Die farbliche Gestaltung der privaten Häuser war daher sehr unterschiedlich und die in schlichtem Weiß gekalkten öffentlichen Gebäude schienen aus der Farbenpracht hervorzuleuchten. Fast alle Häuser hatten eine geringe Grundfläche, denn innerhalb der schützenden Mauern ließ sich der Senat den Baugrund gut bezahlen. Dafür wuchsen sie bis zu drei Ebenen empor. Einige, wie das Senatsgebäude, ragten noch höher auf, doch sie waren aus massiven Felsquadern errichtet, die man mühsam aus dem Gebirge herbeigeschafft hatte. Da der Grundwasserspiegel niedrig lag, gab es reichlich Brunnen. Nach einem verheerenden Brand in einem der Stadtviertel hatte der Präfekt von Newam strenge Bestimmungen zum Brandschutz erlassen.

      Auch Mauerabschnitte und Türme bestanden aus Felsquadern, die sorgfältig behauen und geschichtet worden waren. Newams Mauern waren 12 Meter hoch und entsprechend tief hatte man die Grundsteine in die Erde legen müssen, damit die Anlage festen Halt fand.

      Über der Stadt lag ein strahlend blauer Himmel, in den der Dunst aus den zahlreichen Feuerstellen emporstieg. Über den Kaminen war der Rauch tiefbraun, aber er zerfaserte rasch, wenn der stete Wind ihn zerteilte.

      „Wenn der Wind einmal ruht, werden wir unter einer Rauchwolke begraben“, sagte Densen lakonisch und wies über die Stadt. „Dann brauchen wir keinen Feind, der uns aus unseren Mauern vertreibt.“

      Der Kaiser lachte fröhlich auf. „Es wäre mir nur Recht, wenn ich dabei sehen könnte, wie der Senat die Flucht ergreift.“

      Zwischen dem Palast und dem Senatsgebäude erstreckte sich eine breite Straße. Wie alle Straßen in den vornehmen Bereichen Newams, war sie gepflastert und wurde regelmäßig mit Stroh ausgestreut. Dadurch konnte der Dung der Reit- und Nutztiere leichter entfernt werden und der Lärm beschlagenen Hufe oder Eisenreifen wurde gedämpft.

      Donderem-Vob legte Densen die Hand auf die Schulter. „Morgen tritt der Senat zusammen, mein Freund. Dann werde ich mein Veto einlegen. Damit kann ich die Entscheidung, unsere Truppen zu reduzieren, wenigstens blockieren. Aber dafür wird der Senat mich bluten lassen. Sie werden ihr eigenes Vetorecht geltend machen, um im Gegenzug meine Anträge zu blockieren. Ich werde um jede unserer Lanzen kämpfen, aber es wird nicht leicht werden. Der Senat hat Unterstützung an meinem eigenen Hof.“

      Densen runzelte die Stirn. „Wen?“

      „Kanzler Wilbur“, seufzte der Kaiser. „Ein guter Verwalter, gewiss, aber ein schlechter Stratege. Ich fürchte, er dringt auf Vesana ein, den Senat zu unterstützen.“

      „Die Hochgeborene ist Eure Gemahlin, Donderem. Sie kennt Eure Ansicht und wird Euch unterstützen.“

      Der Kaiser raffte fröstelnd sein Wams enger um sich. „Wirklich, Denem, mein Freund, ich kämpfe lieber gegen die Walven, als gegen den Senat und meine eigene Gemahlin.“

      „Ihr habt viele Kämpfe siegreich bestanden, Eure Imperialität, und Ihr werdet auch diese Schlacht bestehen.“

      Donderem-Vob nickte und lächelte freudlos. „Wenn nicht, mein Freund, dann habe ich ernstliche Sorgen um unsere Zukunft. Wenn wir unsere Truppen schwächen, wird das den Walven nicht lange verborgen bleiben.“

      Kapitel 3 Die Patrouille der Einhorn-Reiter

      Der Gebirgszug von Norkam erstreckte sich nordöstlich der Provinz Endan und bildete die dortige Grenze des Imperiums. Die Eisbedeckten Gipfel stiegen Kilometerhoch auf, dazwischen hatten sich steile Grate mit schroffen Felsvorsprüngen gebildet. Die Erosion ließ immer wieder Steine aus den Wänden brechen, die andere mit sich rissen und als tödliche Lawinen in die Tiefe glitten. Gewitter von verheerender Gewalt entstanden scheinbar aus dem Nichts und wichen ebenso rasch strahlendblauem Himmel. Nur wenige größere Tiere fanden hier eine Heimat. Es war die Domäne der kleinen Nagetiere, Schlangen und Raubvögel.

      Es war eine natürliche und nahezu unpassierbare Grenze. Kein zweibeiniges Wesen war in der Lage, sie zu überschreiten, wenn man von den wenigen Stellen absah, an denen Pfade durch das Gebirge führten. Selbst diese waren mühselig und gefährlich. Sie wanden sich, dem Verlauf der Berge folgend, an den Felsen entlang, und führten gelegentlich über den Grund eines der winzigen Gebirgstäler. Einzelne Menschen oder Walven vermochten sie zu nutzen, vielleicht sogar eine kleine Truppe, aber keine Armee von Bedeutung konnte sie überqueren. Im Norkamgebirge existierte nur eine einzige Stelle, an der das möglich war. Der Pass von Norkam, der von der gleichnamigen Festung und ihrer Besatzung bewacht wurde.

      Norkam-Reet war eine der typischen Grenzfestungen des Imperiums. Letzter Außenposten menschlicher Zivilisation und erstes Bollwerk zu ihrem Schutz. Gebaut aus dem Material, dass in ihrem Umfeld so reichlich vorhanden war, ragte das Reet aus grauem Felsgestein auf. Die Quadern waren aufwendig bearbeitet, sodass die Festungsmauer fast fugenlos aufragte. In acht Metern Höhe, noch ein Stück unterhalb der Wallkrone, waren stählerne Stützen und Streben in das Mauerwerk eingelassen. Eine Verteidigungseinrichtung, deren Konstruktion es der Festungsbesatzung ermöglichte, das Anstellen von Sturmleitern zu verhindern oder sie, wenn man die Streben bewegte, umzustürzen. Die Zinnen auf dem Wall ragten hoch auf und waren breit, die Schießscharten schmal und konisch geformt, um den Verteidigern ein Maximum an Schutz und Schusswinkel zu gewähren.

      Fünf Männer konnten bequem hintereinander auf der Mauerkrone stehen und dort kämpfen. Die Mauer bestand aus drei Lagen. Vorderseite und Rückseite aus Felsquadern, dazwischen eine Füllung aus Sand. Die Erfahrung hatte die Festungsbauer des Imperiums gelehrt, dass dies den Aufprallschock eines Geschosses dämpfte und die Mauer dadurch besser standhielt.

      Die freie Fläche des Innenraums von Norkam-Reet war verhältnismäßig klein, denn sie wurde zum größten Teil durch das quadratische Gebäude des Festungsturms eingenommen. In der Form ähnelte er einer Scheibe mit einer gewaltigen Kerze in der Mitte. Im unteren Segment waren die Unterkünfte und Ställe untergebracht, Vorräte und Brunnen in dem mächtigen Aufbau des Turms. Schießscharten zogen sich um das Rund und oben, auf der Plattform, war ein Signalfeuer vorbereitet, um im Falle eines Angriffes die Provinz zu warnen.

      Ein steter Wind wehte aus Nordost, mal stärker, mal schwächer und hatte dafür gesorgt, dass diese Seite von Norkam-Reet mit Moosen bewachsen war. Die Besatzung mochte diesen Wind und fürchtete ihn zugleich. Im Sommer brachte er Linderung und im Winter eisige Kälte. Doch vor allem warnte er die Besatzung vor drohender Gefahr, denn wenn der Luftstrom den scharfen Geruch der Walven zu ihnen trug, waren die Bestien noch weit genug entfernt, um sich auf die Verteidigung vorbereiten zu können.