Die Ei-Geborenen. Michael H. Schenk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael H. Schenk
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847698166
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das war nicht der Fall. Die Einhörner blieben ruhig und der Wind trug auch keine verdächtigen Gerüche heran.

      „Ragos vermisst die weiten Ebenen der Provinzen“, sagte Sonia leise und tätschelte die Flanke ihres Hengstes. „Er fühlt sich im steinigen Gebirge nicht wohl.“

      „Das kann ich gut verstehen.“ Svenem musterte die aufragenden Felswände. Noch befand sich die Streife in dem kleinen Tal, welches sich zwischen der Festung von Norkam-Reet und dem eigentlichen Pass erstreckte. Schon bald würden die Felsen enger aneinander rücken und die Bewegungsfreiheit einschränken. „Es ist ein unvergleichliches Gefühl, im vollen Galopp, auf dem Rücken eines Einhorns zu reiten. Man spürt die Freude, die das Tier dabei empfindet. Sie überträgt sich auf den Reiter.“

      Das Tal begann, nun enger zu werden. Einer der kristallklaren Gebirgsbäche verlief in seiner Mitte, floss ein Stück in Richtung auf Norkam-Reet, um kurz vor der Grenzfestung im Boden zu versickern. Ein gutes Stück unterhalb, fast schon in der Ebene von Endan, brach er erneut aus dem Fels hervor und mündete in den kleinen Fluss Anjai.

      Tellen lief in seinem eigentümlichen Schritt am Bachlauf entlang, musterte den weichen Grund, der das Wasser säumte. Feiner, ausgewaschener Kies und Sand, welche die Spuren zeigten, die durstige Benutzer des Baches hinterließen. „Ein paar Felsspringer“, brummte der Jäger und dachte wohl daran, was ihm die Pelze der kleinen Tiere einbringen könnten, „und dies hier ist die Spur von einem Groller. Selten, dass sie so weit herunterkommen.“

      „Spuren von Walven?“ Svenem beugte sich im Sattel vor und sah, wie der Jäger den Kopf schüttelte.

      „So dumm sind die nicht, deutliche Spuren zu hinterlassen.“ Tellen kratzte sich ausgiebig. „Es sei denn, es handelt sich um einen großen Kriegstrupp. Die Spuren, die ich vor einigen Tagen fand, stammten von zwei der Bestien.“

      „Kundschafter“, vermutete Sonia. „Sie streifen immer wieder um das Reet herum, um festzustellen, ob wir Schwächen zeigen.“

      Svenem stieß ein leises Seufzen aus. „Mag sein, dass das bald der Fall ist.“

      Die blonde Unterführerin sah ihn forschend an. „Was meinst du, Senior-Hauptmann?“

      „Es heißt, der Senat will die Truppen reduzieren.“ Svenem Jolas zuckte die Schultern. „Ich weiß auch nichts Genaues, Unterführerin. Aber wenn es dazu kommt, wird das die Grenzen schwächen.“

      Sonia lachte spöttisch auf. „Das würde den Walven nicht lange verborgen bleiben.“

      „Natürlich nicht.“ Svenem registrierte, dass die Unterhaltungen der anderen Lanzen verstummt waren. Offensichtlich bemühten sie sich, dem Wortwechsel zwischen ihm und Sonia zu folgen. Er sah die junge Frau lächelnd an. „Du trägst zwei Namen, Sonia Malten, also stammst du aus einem vornehmen Haus. Normalerweise treten Angehörige der hohen Familien sofort als Offiziere in die Truppe ein.“

      Sonias Gesicht wurde für einen Augenblick abweisend. Sie fasste die Worte des Kommandeurs als Kritik auf. „Ich habe als einfache Lanzenreiterin begonnen, Senior-Hauptmann.“

      „Dann hattest du einen raschen Aufstieg, Sonia.“ Er lächelte entschuldigend. „Ich wollte dich nicht beleidigen. Aber da du aus vornehmer Familie stammst, ist es ungewöhnlich, dass du als einfache…“

      „Meine Familie ist tot.“ Ihre Stimme klang kalt und abweisend.

      Svenem räusperte sich. „Tut mir leid, das zu hören.“

      In der Stimme der jungen Frau schwang ein Ton von Hass mit. „Es waren Walven, Senior-Hauptmann. Meine Familie hatte ein Weingut in der Provinz Jonran. Sie starb, als die Festung Dergon-Reet fiel und die Walven in die Provinz eindrangen.“

      „Das ist nun sieben Jahre her“, brummte Svenem. „Ich kann mich noch gut daran erinnern. Die 7ten Lanzen gehörten zu den Entsatztruppen. Wir haben die Bestien in harten Gefechten zurückgedrängt.“

      „Zu spät für meine Familie“, sagte Sonia bitter. „Aber das war nicht deine Schuld, Kommandeur.“

      „Danach gingst du zum Regiment?“

      „Ja, danach ging ich zum Regiment.“ Ihre Augen blickten hart und schimmerten in kaltem Grau. „Meine Möglichkeit, Walven zu töten.“

      „Rache ist ein schlechter Ratgeber für einen Soldaten, Sonia Malten.“

      Die blonde Reiterin lachte auf. „Weil Rache blind macht, Kommandeur? Mich spornt sie an.“ Sie wies hinter sich, zu den anderen Mitgliedern der Streife. „Und meine Lanzen auch. Alle haben Angehörige durch die Bestien verloren.“

      „Viele Menschen des Imperiums kennen das.“ Svenem Jolas seufzte leise. „Der Kampf gegen die Bestien dauert schon Jahrhunderte, und ich fürchte, ein Ende ist nicht abzusehen. Immerhin“, er lächelte die Unterführerin an, „wir haben ihnen vor sieben Jahren eine schwere Niederlage beigebracht und vor drei Jahren ebenfalls. Seitdem halten sie Ruhe.“

      „Mehr oder weniger“, räumte Sonia ein.

      Svenem zuckte zusammen, als er ein leises Poltern hörte. Als er den Blick in die Richtung wandte, sah er eine kleine Steinlawine, die in das Tal hinabstürzte.

      Der Jäger Tellen winkte ab. „Erosion oder ein Tier. Das kam von ganz oben. So weit hinauf schafft es niemand, auch keine Bestie.“

      Sie näherten sich dem Ende des kleinen Tals. Der Weg wurde schmaler und die Felswände schienen aufeinander zuzuwachsen. Jene Seite, an welcher der Wind stetig entlang strich, war mit Moosen bewachsen. Einige wenige Dornensträucher wuchsen hier. Irgendwann hatte der Wind ihre Samen zu den Felsspalten getrieben, und die genügsamen Pflanzen hatten dort Halt gefunden und genug Nährstoffe, um zu überleben.

      Ragos schnaubte leise. Ein seltsamer Schimmer schien über sein Stirnhorn zu gleiten. Er war in dem Blickschlitz des metallenen Hornpanzers gut zu erkennen. Sonia Malten strich sanft über den Ansatz des Horns. „Ruhig, Ragos, ruhig. Ich spüre es auch.“ Sie wandte sich im Sattel um. „Ragos spürt etwas. Haltet Augen und Ohren offen und die Münder geschlossen. Streife, absitzen! Wir führen die Hörner.“ Sie sah Svenem an. „Der Weg wird zu schlecht, um noch zu reiten. Geh ein Stück nach hinten, Senior-Hauptmann.“

      Die Männer und Frauen saßen ab. Die linke Hand am Sattel ihrer Einhörner, hielten die rechten Hände die Schusslanzen bereit. Ein leises Klicken ertönte aus der Gruppe, als die Waffen feuerbereit gemacht wurden.

      Svenem Jolas leckte sich über die Lippen. Auch er hatte sich aus dem Sattel gleiten lassen. „Ich kann nichts riechen, Unterführerin, und die anderen ebenfalls nicht. Auch die Einhörner sind ruhig.“

      „Ragos spürt etwas, Senior-Hauptmann, und ich spüre es auch.“ Sonia sah ihren Vorgesetzten an. „Geh nach hinten, Kommandeur Jolas, das ist ein Befehl.“

      Sie führte die Streife. Es spielte keine Rolle, welchen Rang Svenem ihr gegenüber innehatte. Bei diesem Ritt musste er sich ihrer Entscheidung fügen, so verlangte es die Disziplin der Lanzenreiter.

      „Es gefällt mir nicht, mich hinter anderen zu verstecken“, brummte er missmutig.

      „Und mir würde es nicht gefallen, wenn der Kommandeur der 7ten Lanzer ausgerechnet bei meiner Streife im Felde bleibt“, erwiderte die junge Frau lakonisch. „Und jetzt befolge meinen Befehl.“

      Tellen, der Jäger, war ein Stück in den schmaler gewordenen Pass vorgedrungen. Er verharrte mitten auf dem Weg. Leicht gebückt und witternd, wie ein Raubtier. Auch er schien Gefahr zu spüren, obwohl nichts darauf hindeutete, außer dem Verhalten des Einhornhengstes Ragos.

      Sonia Malten vertraute den Fähigkeiten ihres Reittieres und die übrigen Angehörigen der Gruppe taten dies ebenfalls. Jolas kannte das Gespür kampferprobter Soldaten und er fragte sich, warum seine Instinkte nicht reagierten. Vielleicht war er der Grenze schon zu lange ferngeblieben.

      Der Regimentskommandeur bemerkte, wie zwei der Lanzenreiter ihn zwischen sich nahmen, um ihn zu decken. Die Männer hielten die zwei Meter langen Lanzen scheinbar lässig