Die Ei-Geborenen. Michael H. Schenk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael H. Schenk
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847698166
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des Weges und die Provinz Endan.

      Die Besatzung der Festung war relativ klein und bestand lediglich aus fünf Schwadronen. Vier gehörten zu den Fußtruppen des Imperiums. Sie waren mit Schwertern, Lanzen und Armbrüsten bewaffnet. Die letzte Schwadron bestand aus Lanzenreitern. Reiter des berühmten siebenten Regiments, welches sich einst unter dem Imperator einen Namen gemacht, und seitdem seinen Ruhm noch gemehrt hatte. Die 7ten Lanzer gehörten zu den wenigen Einheiten, die noch mit Einhörnern beritten waren. Zwar keine wild aufgewachsenen Tiere, sondern solche aus der Zucht des Kaisers, aber sie hatten einige von den mentalen Fähigkeiten ihrer wilden Vorfahren geerbt und einen guten Teil deren Temperaments.

      Einst hatte es große Herden der Einhörner gegeben, die in Körperbau und Größe den Pferden glichen. Die Einhörner waren von reinem Weiß oder hellstem Grau und trugen an der Knochenplatte ihrer Stirn ein knapp ein Meter langes, gedrehtes Horn, welches sie, wie eine Lanze, im Kampf einsetzten. Sie ließen sich weder leicht einfangen, noch bereitwillig zähmen. Wer eines von ihnen reiten wollte, musste eine enge mentale Bindung mit ihm akzeptieren. Ein wesentlicher Teil der Ausbildung eines Lanzenreiters bestand darin, diese Beziehung mit seinem vierbeinigen Gefährten zu entwickeln. Es gelang nicht immer und der Lanzer, welcher scheiterte, musste mit einem gewöhnlichen Pferd vorlieb nehmen und einem jener Regimenter beitreten, die keine Einhörner ritten.

      In den vergangenen Jahrhunderten hatte die Anzahl der freien Einhörner stetig abgenommen. Es gab nur noch kleine Gruppen von ihnen. Vielleicht paarten die edlen Tiere sich aus diesem Grunde auch mit den Stuten normaler Pferde, obwohl es nie gelang, eine gemischte Schwadron mit beiden Reittieren zu bilden.

      Die 7ten Lanzer waren ein Eliteregiment und ritten ausschließlich von Einhörnern abstammende Tiere. Der enge Verbund von Reiter und Einhorn machte die Truppe besonders schlagkräftig, aber in anderer Hinsicht verwundbar. Der Tod eines der beiden Kampfgefährten führte unweigerlich dazu, dass der Überlebende keinen neuen Gefährten akzeptierte. Die Stärke der Schwadronen der 7ten Lanzenreiter schwankte daher weit mehr, als in den anderen Truppen des Kaisers.

      Im Innenhof von Norkam-Reet rief ein Signalhorn die Männer und Frauen einer Streife zusammen. Ihre Einhörner waren gesattelt, Gurtzeug und Ausrüstung überprüft. Die Lanzer vergewisserten sich, dass die Hufschuhe fest saßen. Die leicht gezahnten Metallsohlen der ledernen Konstruktionen sollten die empfindlichen Hufe der Einhörner schützen. Hier im Gebirge drohte zu schnell Verletzungsgefahr, durch spitze Steine und scharfkantiges Geröll. Als die Streifenführerin, in Begleitung eines stämmigen und eines hageren Mannes, aus dem Festungsturm trat, war die Gruppe bereit.

      Svenem Jolas hatte das mittelbraune Haar seines Bruders Densen, aber er hatte eine kräftigere Figur, und die tiefen Linien um seinen Mund und die Augen verrieten, dass seine besten Jahre hinter ihm lagen. Er begann einst als einfacher Lanzenreiter und war bis zum Regimentskommandeur aufgestiegen. Als Senior-Hauptmann befehligte er alle zwanzig Schwadronen des 7ten Regiments. An diesem Tag würde er die Unterführerin Sonia Malten bei deren Patrouillenritt begleiten. Er trug die einfache Uniform eines Lanzenreiters, mit grauer Hose und blauem Wams, verzichtete allerdings auf den üblichen Helm und die Lanze, sondern begnügte sich mit seinem Schwert. Jolas wollte ursprünglich die übliche Kampfuniform anlegen, mit vollem Harnisch und Helm, aber die Streifenführerin hatte ihn davon abgehalten. „Nimm den dicken Lederpanzer, den wir bei den Waffenübungen benutzen, Senior-Hauptmann. Glaube mir, das ist in den Bergen praktischer.“

      Sonia Malten war aus dem Raum geeilt, bevor Svenem etwas erwidern konnte und als er nun die anderen Mitglieder der kleinen Truppe sah, trugen diese ebenfalls nur einfache Übungsmonturen. Sie bestanden aus dickem Leder und sollten die Stöße und Hiebe dämpfen, welche eine unvermeidliche Folge der Waffenübungen waren. Die Ledermonturen waren bequemer und ließen sich leichter ausbessern, als die stählernen Kampfrüstungen.

      Svenem war nicht sonderlich überrascht, als auch die Einhörner der Gruppe keinen Vollschutz trugen. Im Kampfeinsatz erhielten die kostbaren Tiere normalerweise Kopfschutz und Brustpanzer, aber die Reittiere der Streife hatten nur den stählernen Schutz für die langen Hörner angeschnallt bekommen. Der silbrige Glanz des Stahls verschwand unter einer stumpfen Farbschicht, was Svenem durchaus einleuchtete. Offensichtlich bevorzugte Sonia Malten es, dass ihre Gruppe sich möglichst leise und ohne verräterische Reflexe bewegen konnte.

      Der hagere Mann an seiner Seite trug die lederne Bekleidung eines Jägers. Es gab nicht viele Menschen, die es wagten, in den Bergen und so nahe der Walven zu jagen. Man musste ausgesprochen mutig und geschickt sein, um zu überleben und dabei die kostbaren Felle der seltenen Steinspringer zu erbeuten. Doch wer es schaffte, konnte mit einem guten Verdienst rechnen, denn die schillernden Pelze waren begehrt.

      Wenn Sonia Malten durch die Anwesenheit ihres Kommandeurs verunsichert wurde, so zeigte sie es nicht. Ihr Blick war ebenso fest wie ihre Stimme, als sie die zwölf Männer und Frauen des Trupps ins Stillgestanden befahl. Sonia Malten mochte Anfang der Zwanzig sein und trug ihr blondes Haar kurz geschnitten, wie es in den Kampftruppen des Imperiums üblich war. Sie besaß ein hübsches, mädchenhaft wirkendes Gesicht, in dem zwei große grau-blaue Augen dominierten. Je nach Stimmung erschienen diese Augen in reinem Blau oder Grau und Svenem Jolas hatte noch nicht herausgefunden, bei welcher Stimmung welche Farbe zutraf. Obwohl Sonia gerne lächelte, schien dies nicht für ihre Augen zu gelten.

      „Wir haben Befehl, den Pass auf zehn Kilometer zu bestreifen“, schallte Sonia Maltens Stimme über den Innenhof. Sie stand, wie die anderen Reiter, rechts an ihrem Einhorn, das Lenkholz in der linken Hand, die rechte an der Schusslanze. „Der Jäger Tellen hat Spuren von Walven entdeckt und wir sollen feststellen, ob es sich um einen kleinen Erkundungstrupp handelt oder ob die Bestien etwas Größeres planen. Ihr kennt das Gelände. Die ersten sechs Kilometer können wir auf den Einhörnern reiten, danach wird der Pass schwierig und wir müssen sie führen. Senior-Hauptmann Jolas wird uns heute begleiten, um sich ein Bild von der Lage an der Grenze zu machen. Also, benehmt euch ein wenig und tut so, als wärt ihr gute Lanzer.“

      Die Männer und Frauen lachten gut gelaunt. Sonia blickte Svenem kurz an. „Willst du ein paar Worte an die Streife richten, Kommandeur Jolas?“

      Svenem nickte und sah die Gruppe an. „Ich war eine Weile nicht an der Grenze, Lanzer. Es kann also sein, dass ich Fehler mache. Scheut euch nicht, es mir zu sagen. Das Wohl der Streife steht über meinen Befindlichkeiten.“

      Damit hatte der Regimentskommandeur klargestellt, dass Sonia Malten die Streife führte und er lediglich ein zusätzlicher Begleiter war.

      „Lanzen, aufgesessen!“, befahl Sonia und die Streife saß auf. Die Einhörner waren ein wenig unruhig und die junge Frau spürte die Erregung ihres Reittieres Ragos. Der grau-weiße Einhornhengst schnaubte leise, als er ihr Gewicht im Sattel spürte und Sonia sich ein wenig vorbeugte, um ihm sanft über den Hornansatz zu streichen. „Ich weiß, Ragos, du bist auch froh, endlich den engen Mauern zu entkommen.“

      Tellen, der Jäger, blieb als Einziger zu Fuß. Reittiere waren im Gebirge eher hinderlich, als nützlich und der hagere Mann war es gewohnt, sich schnell und sicher zu bewegen. Als die Streife anritt, sah er Sonia kurz an und lief den Lanzern voraus. Er tat es mit dem langen, ausholenden Trab, der typisch für Jäger war. Er schonte ihre Kräfte und erlaubte ihnen, erstaunliche Strecken zu bewältigen.

      Svenem Jolas lenkte sein Einhorn neben das der Streifenführerin. Während die anderen Reiter ihre Tiere mit den Schenkeln lenkten, musste er das Lenkholz benutzen, indem er es sanft an die eine oder andere Seite des Einhorns legte. Er bemerkte Sonias Blick und zuckte verlegen die Achseln. „Nicht mein eigener Hengst. Prius hat sich einen verdammten Stachel in den Huf getreten und ich musste mir dieses Einhorn ausleihen.“

      „Hm.“ Sonia lächelte. „Man merkt dennoch, dass sie ein echter Lanzer sind, Kommandeur. Ich kenne die Stute, die Sie reiten und sie akzeptiert Sie immerhin als neuen Reiter.“

      Es war nicht selbstverständlich, dass Einhörner einen anderen Reiter akzeptierten. Im Gegenteil, es verriet großes Einfühlungsvermögen Svenems, dass die grau-schwarze Stute seinen Berührungen folgte.

      Hinter ihnen flüsterten die Angehörigen der Streife miteinander und es war offensichtlich, dass sie ebenso froh wie