Er lehnte sich an das Geländer der Veranda und fixierte Josy.
››Was meinst du, wie lange du ihn von seiner Unruhestiftung abhalten kannst?‹‹
Nachdenklich verzog er die Mundwinkel. ››Wohl eher nicht wirklich lange. Wenn wir länger Ruhe haben wollen, müssen wir den PC entweder ausbomben oder ihn direkt in ein Krisengebiet setzten, damit er genug zu tun hat und etwas länger brauch, um sich zu uns durchzuschlagen. Äh, nein nicht zu uns, zu seinem PC!‹‹ Korrigierte er seinen Schlusssatz und ich musste wieder herzhaft lachen.
Dann löste er seinen liebevollen Blick von seiner Frau und wandte sich leicht zu mir. ››Was meinst du, wann er wieder kommt?‹‹
Anfangs war ich mir nicht sicher, wen der gerade meinte, doch da er sicherlich nicht Marc meinen konnte, fiel mir die Wahl nicht gerade schwer. Ich zuckte mit den Schultern. ››Bin mir nicht sicher, denke mal morgen Mittag.‹‹
››Hm.‹‹
››Warum?‹‹
Da werte er meine Frage einfach ab. ››Nicht so wichtig, aber sag ihm, dass er sich bei mir melden soll, wenn er wieder da ist.‹‹
Gerade als ich erneut aus reiner Neugier ansetzten wollte, weil ich solche Heimlichtuhereien einfach hasste, lenkte Josy mich schnell ab. ››Was ist eigentlich mit der Geburtstagsfeier für Flora?‹‹
Flora erinnerte sich nicht mehr an ihren Geburtstag, was ich sehr traurig fand. Es war etwas im Leben eines jeden Menschen, was einfach wichtig und schön war. Auf keinen Fall wollte ich, dass sie so etwas verpasste. Zwar konnte ich nie wissen, wann das eigentliche Datum war, aber ich wollte ihr einen Tag bescheren, der sie glücklich machte. Eine Überraschungsparty, die wahrscheinlich noch Niemand in ihrem eigentlich ziemlich traurigen Leben für sie veranstaltete hatte. Letzten Endes sollte es egal sein, wann sie stattfand, Hauptsache sie fand auch statt! Li hatte damals per Zufall ein Datum auf ihrem Ausweis vermerkt. Dieses würde jedoch bald eintreffen und war unsere Chance!
››Ach ja, wir wollten doch das nächste Wochenende nehmen, oder nich?‹‹, fragte ich mehr zu mir selbst gerichtet und tippte nachdenklich mit dem Zeigefinger auf meine Lippen.
››Ja, ich meinte eigentlich was wir so alles einkaufen sollen. Ich hab ja nicht mal Ahnung vom Kochen, das macht sie ja alles alleine.‹‹
Für die Beiden war ihr menschliches Dasein schon recht lange her. Li hatte zur Zeit der Samurai gelebt und war in dieser Kampftechnik auch ausgebildet worden, so hatte es mir Josy jedenfalls erzählt. Also war er bereits seit mehr als fünfhundert Jahren ein Vampir. Josy dagegen war seit fünfundsechzig Jahren der Unsterblichkeit verfallen.
Nachdem wir Flora hierher gebracht hatten, mussten wir erst einmal eine Küche für sie einrichten. Celest hatte eine große Abstellkammer ausgenistet und anschließend eine geräumige Einbauküche fertigen lassen. Ich musste zugeben, selbst für mich, war der Geruch von Essen im Haus doch sehr befremdlich geworden. Früher hatte die gute Küche meiner Mutter mir stets das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen, hier konnte ich nur den Kopf schief legen, wenn ich Flora dabei beobachtet hatte, wie sie Tag für Tag ihr Essen zubereitete.
Während die Sonne Schritt für Schritt verschwand, redeten wir über die Vorbereitungen. Diese Party sollte für sie unvergesslich werden!
Kurz darauf hörten wir ein Auto, dass vor dem Haus zum Stehen gekommen war. Die Tür klappte zu und rastete mit einem Klicken ein. Dem tierischen Instinkt erlegen, lauschten wir den Geräuschen, die sich uns aufdrängten. Leise berührten die Schuhsohlen den Eingangsbereich und hauchten ihm Leben ein. Während wir uns, vorausgesetzt wir wollten es, so lautlos wie eine fallende Feder bewegen konnten, machten Menschen einen enormen Lärm. Jeder von ihnen hatte einen unverkennbaren Gang an sich, der es uns leicht machte ihn auf Anhieb zuzuordnen.
Da in unserem Heim nur ein solches Lebewesen hauste, war es klar, wer sich gerade anmeldete.
Zu ihrem Glück konnte man in Amerika bereits mit sechzehn Auto fahren lernen und natürlich wollten wir ihr dieses nicht verwehren. Alexander hatte ihr die Fahrstunden bezahlt damit keiner von uns sie täglich zur Schule fahren musste, oder sie den Bus hätte nehmen müssen. Schließlich wäre sie dann ganze zwei Stunden Hinfahrt zum Opfer gefallen!
Ich bemerkte wie sie kurz vor der Haustür von Celest abgefangen wurde. Laut ihrer Aussage war das Carport für den Familienfuhrpark einfach viel zu kahl und so kam sie auf die Idee Blumenranken zu züchten. Ihre Lieblingsbeschäftigung konnte sie tagelang beeinträchtigen. Sie sah in den Pflanzen eine andere Schönheit als unser eins. An uns trat nur die äußerliche Hülle heran, ihr jedoch offenbarte sich weitaus mehr.
Celest hatte gerade einen ihrer Schützlinge an den Pfahl gepflanzt und freute sich Flora zu sehen. Ihre kraftvolle aber auch zerbrechliche Aura erfasste jeden bis aufs Mark, der sich ihr näherte oder sie berührte. Ich versank so sehr in ihr, dass ich die Begrüßung der Zwei gar nicht wahr nahm. Wie ein eisiges Frösteln erfasste mich Celest Anwesenheit und ich löste meinen Geist von ihr ab.
Gespannt versuchte ich das entstandene Gespräch der Beiden zu belauschen. Eine Unart, zugegeben, aber bei so scharfsinnigen Ohren war es leider manchmal unumgänglich.
››Josy war vorhin ganz aufgeregt gewesen‹‹, sagte Celest euphorisch mit ihrer anmutigen Stimme. ››Eigentlich wollte ich auch erst unsere Neulinge sehen, aber ich dachte mir, das werden einfach zu viele in einem Raum. Wir wollen die frischen Eltern doch nicht überfordern. Nachher, wenn es ihr besser geht und sich der ganze Trubel gelegt hat, können wir ja mal nachsehen. Ich bin so gespannt wie die Kleinen aussehen!‹‹
››WAS?‹‹, brüllte Flora los und wir drei zuckten gleichzeitig zusammen. Schon viel früher hätte ich mich von der unfassbaren Aura Celests entfesseln und das Gespräch belauschen sollen. In dem Fall wäre noch genügend Zeit für eine Flucht gewesen. Aber selbst Josy und Li hatten wohl zur gleichen Zeit ihre Ohren gespitzt und somit genauso spät verstanden, was Celest da eigentlich von sich gegeben hatte.
Nun war die Chance, einer Konfrontation aus dem Weg zu gehen, an uns vorbei gerauscht. Die Eingangstür knallte bereits laut zu und hallte durch das Haus wie ein gewaltiger Kanonenschlag. Fußtritte stampften durch den Flur und wurden durch ein aufgewühltes Gemüt unterstrichen. Ihr Herz raste vor Wallung und pumpte das Blut mit aller Gewalt durch die Venen. Sie beförderte ihre Wut inbrünstig aus den Nasenlöchern heraus und biss ihre Zähne aufeinander. Zielbewusst steuerte sie das Wohnzimmer an und schien zu ahnen, dass wir nicht weit sein konnten. Ihre Anwesenheit glich einem Blitz und ich wartete erstarrt auf den sich entladenden Donner.
Genervt fasste sich Josy an die Stirn und grummelte. ››Wieso hat sie nicht einfach den Mund halten können?‹‹
Seufzend antwortete ich: ››Weil sie niemals einen Gedanken daran verschwenden würde, dass sie mit solch einer Aussage einen Vulkan zum Ausbruch aufforderte.‹‹
Li nickte und schaute verlegen auf die Decke der Veranda. Langsam zählte er die Sekunden, bis die brodelnde Lava uns erfassen und gewaltsam überschwemmen würde. Trotzdem blieb ich von einer Panikattacke verschont.
Die Glastür schnellte auf und ich dachte schon sie würde durch die aufgebrachte Kraft an der Wand zersplittern, aber wir hatten Glück. Zumindest noch, denn der zweite Blick viel unweigerlich auf Flora. Wie ein aufgebrachter Stier vor seinem Ringkampf blähten sich ihre Nasenlöcher auf und ihr Kopf war so rot aufgelaufen, dass man glaubte er würde bei der kleinsten Regung explodieren.
››Äh, ich muss weg!‹‹, sagte Li energisch und konnte seine Augen nicht von der Furie abwenden, die uns mit ihrem Blick festnagelte. Josy funkelte ihn böse an.
››Ihr wisst doch, Marc hat einen Virus. Der Arme überlebt den Rest des Tages nicht, wenn ich nichts tu.‹‹
Irgendwie war es klar, dass er sich aus der Affäre ziehen wollte, aber das er seine eigene fiese Tat einfach zum Vorteil auslegte, grenzte schon an Egoismus. Josy fiel ungläubig der