Werwolfsgeheul. Melanie Ruschmeyer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Melanie Ruschmeyer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847650645
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Meistens schob er alles andere auf, wo ich dann meist diejenige war, die ihn an die Zeit erinnerte. Nun allerdings schien etwas ohne mich gespielt zu werden und das gefiel mir ganz und gar nicht. Gute Miene zum unbekannten Spiel, so konnte man meinen Ausdruck wohl bezeichnen. Ich gab Alex keinen Anschein, als würde es mich interessieren. Doch ich nickte kurz zum Zimmer herüber.

      ››Bevor du wieder mit Abwesenheit glänzen willst, schau dir bitte wenigsten an, was ich alles in der Zeit deiner Abwesenheit geschafft habe‹‹, sagte ich gelassen und grinste ihn wie ein Honigkuchenpferd an.

      Anerkennend sah er sich im Raum um. Die Hände in den Taschen der Jeans verstaut, wollte er sie wohl vor mir verbergen, denn ich fühlte genau seine immense Unruhe. Etwas in mir begann sich zu räkeln und gierte nach Anerkennung und Klarheit. Ich wollte ein liebes Wort aus seinem Munde hören und trotzdem wurde diese Gier zur Nebensächlichkeit.

      Er kannte mich viel länger, als ich ihn. Alex hatte seit meinem zwölften Lebensjahr über mich gewacht; mal mehr, mal weniger. Wahrscheinlich konnte er meine Reaktionen viel genauer vorhersagen als ich und somit drängte sich mir eine messerscharfe Drohung auf. Es war so offensichtlich, dass er etwas vor mir verheimlichte, das es schon weh tat. Was konnte so schlimm sein, das ich es nicht erfahren durfte? Warum wurde immer ich im Dunkeln gelassen?

      Wie unzählige Blätter im Wind wurde ich aufgewirbelt und rang nach Fassung. Auf keinen Fall durfte er bemerken, das ich etwas erahnte.

      Lässig lehnte ich mich an den Türrahmen und hob eine Braue an. ››Sag ja nichts falsches!‹‹, knurrte ich verführerisch und zwang all den brodelnden Zweifel zur Ruhe. ››Da morgen schon die Möbel kommen, musste es ja gemacht werden. Zu zweit hätte sich das natürlich etwas einfacher gestaltet.‹‹

      Der verspottende Unterton war so vergewaltigend, das es mir schauderte. Eigentlich hatte ich den Streit begraben wollen und jetzt überfuhr mich erneut ein LKW aus Frust. Doch dieses Mal wegen etwas ganz anderem.

      Genervt seufzte er und schaute mich spöttisch an. ››Wie lange soll ich mir das noch anhören? Ich muss ja wissen, wie lange ich auf Durchzug schalten muss.‹‹

      ››Hm, lass mich überlegen‹‹, setzte ich nachdenklich an und nach einer Pause grinste ich, ››die Ewigkeit ist so lang.‹‹

      Da er mir das wirklich sichtlich abkaufte, schüttelte ich resigniert den Kopf und hätte wohl vermutlich auch gerne auf Durchzug geschaltet. ››Das war ein Scherz.‹‹

      Mit einer flüssigen Körperbewegung stand er vor mir und streichelte über meine Wange. ››Du hast das super gemacht, wirklich. Ich werde dann mal eben schnell zu Li gehen, bin bald wieder da.‹‹

      Ein hastiger Kuss auf die Stirn und er machte sich auf zum Flur. Tief fielen meine Lider über die erstarrten Augen, die sich an ihm festklebten. Meine Lippen wurden schmal, als seine Worte wieder durch meinen Kopf hallten. Er hatte sich so schnell von meinem Kunstwerk verabschiedet, das er es gar nicht wirklich wahrgenommen haben konnte. Ohne es zu wollen grub sich meine Stimmung weiter in die Tiefe. Die Muskeln spannten sich an und schrien nach Auslastung. Aber ich wollte jetzt nicht durch die Wälder hetzen oder gar einen Schwimmmarathon veranstalten; nichts lag mir ferner.

      Alexander war nicht sonderlich leise. Er war wohl der Meinung sich in Sicherheit zu wiegen. Es war jedoch nur ein kleiner Trost zu wissen, dass ich mir hier und da wenigstens ein bisschen schauspielerisches Talent abringen konnte.

      Ich zählte seine Schritte, die sich weiter von mir entfernten. Noch immer vernebelte seine kraftvolle Aura den Raum. Sie schien mich an meinem Vorhaben zu hindern, denn als ich durch sie hindurch trat, legte sie sich auf meine Haut wie ein Fangnetz; vergebens. Ich wollte mich nicht beirren lassen und lauschte seinen nackten Füßen, die gerade die erste Treppenstufe in das untere Stockwerk nahmen.

      Mein Vertrauen zu Alexander war unerschütterlich und so durfte er stets tun und lassen was er wollte. Wenn er also mit jemanden etwas wichtiges zu besprechen hatte, war ich die Letzte, die ihn dabei belauschte. Heute kam ich allerdings nicht umher eine Ausnahme zu machen.

      Leise und anmutig schlich ich ihm nach. Die Neugier war einfach zu groß. Wie ein Lauffeuer ergriff es jede Zelle meines Körpers und trieb sie an. Alex´ sehr sensible Auffassungsgabe musste ich geschickt ausweichen. Leichtfüßig wählte ich meine Schritte genau aus und hoffte, dass mich niemand bemerken würde. Viel zu peinlich wäre die Vorstellung, wenn mich einer dabei ertappte, wie ich hinter meinem Mann hinterher schlich. Es war eine Sache anmutig über den Boden zu gleiten, aber eine ganz andere auf Zehnspitzen und in geduckter, verräterischer Haltung den Flur entlang zu schleichen. Da würde mir keine Ausrede der Welt helfen können.

      An der Treppe machte ich einen kurzen Stopp und konzentrierte mich erneut.

      Zum Glück kam aus Marcs Zimmer wieder die alltägliche Terrormusik und das laute Dröhnen von einem Maschinengewähr. Er erfasste die untere Eben wie ein Erdbeben und erstickte fast jeden anderen Ton im Keim. Einfach Musik in meinen Ohren! Bis vor kurzem hätte ich noch geflucht, doch jetzt kam es mir einfach nur gelegen!

      Hastig zischte ich die Stufen herunter und eilte zur nächsten Treppe. Mein Opfer durchschritt gerade nichtsahnend das Wohnzimmer und ich grinste breit. Zu irgendwas musste seine damalige Ausbildung ja gut gewesen sein. War es nicht immer so, dass der Schüler irgendwann seinen Meister übertraf?

      Ein dumpfes Geräusch deutete darauf hin, dass Alexander die Treppe zum Keller mit einem Zug herunter gesprungen war und es kam mir einmal mehr so vor, als wenn er es richtig eilig gehabt hatte. Zwar war noch Zeit geblieben die Tür zu schließen, aber trotzdem verankerte sich dieser Gedanke so fest in mir, wie nichts Gutes. Ich musste Acht geben, dass er mich nicht vergiftete.

      Wie ein Blitz schnellte ich die Treppe herunter, stoppte vor der Tür und lauschte dem Geschehen. Sehr leise und wie durch eine dicke Wand aus Watte, drangen ihre Stimmen an meine Ohren.

      ››Da bist du ja endlich wieder. Alles platt gemacht im Wald?‹‹, fragte Li ihn mit lachendem Ton und schien seinen Ledersessel leicht auf dem Boden entlang zu rollen.

      ››Was hast du herausgefunden?‹‹, überging Alex seine Anspielung forsch. Seine Anspannung musste den Raum derartig ausfüllen, dass nichts mehr im Inneren Platz fand. Sie drückte sich förmlich durch die Türritze hindurch und überschwemmte mich wie eine überdimensionale Welle.

      ››Es ist genau das passiert, was du vorher gesehen hast.‹‹

      ››Verdammt! Ich hab es dir doch gesagt! … Wie schlimm ist es?‹‹ Seine Stimme war gehetzt und empört. Langsam bestätigte sich mein Verdacht, dass es sich hier um etwas extrem wichtiges handeln musste.

      ››Er ist auf dem schnellsten Weg zurück nach Italien, so viel steht fest. Außerdem habe ich herausgefunden, dass es verdammt viele Unruhen in den Grenzgebieten gibt. Gerüchte sprechen sogar davon, dass die Waffenruhe offiziell erloschen sei.‹‹

      Ein dicker Kloß schob sich schmerzhaft in meinen Hals und ich bürgte mir in diesem Augenblick die gesamte Verantwortung auf. Darum ging es also. Alex machte sich Sorgen um unseren Vertragsbruch und den Aufruhr, den wir im Werwolfsterritorium veranstaltet hatten. Damals hatten wir keine Möglichkeit gesehen anders aus der Sache herauszukommen, doch brachen nun die Vorwürfe aus mir heraus wie ein schlechtes Feuerwerk. Vermutlich handelte es sich bei den Unruhen um etliche Tote. Anders konnte ich mir Alexanders Verschweigen nicht erklären.

      Von dem Gedanken zerfressen formten sich Bilder in meinem Kopf, die mich erdrückten. Schützend legte ich eine Hand auf meine Lippen. Ich durfte mich nicht verraten, aber ich spürte, dass ein quälender Laut versuchte sich einen Weg aus meiner Kehle zu bahnen. Leise schluckte ich ihn herunter. Ich glaubte fast an meinem Speichel zu ersticken, denn der Kloß ließ kein Schlucken zu. Was genau waren das für Unruhen? Und wollte ich es wirklich wissen? Unruhig biss ich mir auf die Unterlippe.

      Fast so, als hätte ich meine Frage auf ihn übertragen, hakte Alexander nach: ››In wie weit äußern sich die Unruhen?‹‹

      Li antwortete nicht sofort und ließ einige Sekunden vergehen. Dies war nur ein Beweis dafür, dass