Werwolfsgeheul. Melanie Ruschmeyer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Melanie Ruschmeyer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847650645
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      Ich verfiel regelrecht der Wut und konnte nichts dagegen tun. Sie grub sich an die Oberfläche wie ein Maulwurf. Noch immer war sie nicht verraucht, obwohl der monatliche Streit schon ein paar Stunden her war. Auf der einen Seite tat es mir leid, denn ich verstand sein Handeln, auf der andere Seite allerdings, wollte ich ihn an meiner Seite wissen. Jede Sekunde, jede Stunde, jeden Tag!

      Knurrend schob ich die Farbrolle wieder in den Topf und rollte sie abermals mit einem klebrigen Geräusch über die Wand. Bei dem Schmatzen der Masse sträubten sich die Nackenhaare und ein leichtes Schütteln durchzog mich. Der beißende Geruch der Farbe kam einer Folter gleich, doch ich hatte es ja schließlich nicht anders gewollt. Er schlängelte sich durch die Nase und legte sich widerlich auf die Zunge. Ich konnte dem Drang, diesen Geschmack abzustreifen, nicht widerstehen und schob meine Zunge immer wieder an der Oberlippe entlang. Aber nichts half. Eigentlich glaubte ich es gelernt zu haben einen Geruch zu ignorieren, doch meine Gefühle brachten noch zu oft alles durcheinander.

      Ein tiefer Seufzer trat aus meinen Mund, denn es war erneut passiert. Es befand sich zu viel Farbe auf der Rolle, die nicht korrekt abgestreift worden war. Sie lief dickflüssig meine Hand herunter und wurde gerade noch von der anderen Hand dabei gehindert den Arm ebenfalls zu vereinnahmen. Blitzschnell wischte ich über die Haut und die Flüssigkeit blieb an der Handfläche kleben wie ein Kaugummi. Angewidert schüttelte ich die Masse ab. Dicke Kleckse flogen umher und erfassten meinen Blaumann, mein Gesicht und die bereits gestrichenen Bahnen der Wand. Mit einem gefährlichen Zucken im Auge musterte ich die Arbeit, die ich bereits mühselig hinter mich gebracht hatte. So oft schon war ich über die Fläche gegangen und hatte meine Fehler ausgeglichen. Jetzt wurde die Wand erneut von einer dicken Hügellandschaft bevölkert, wobei hier und da die Erdanziehungskraft sie bereits nach unten zog.

      Aufs Neue bäumte sich eine große Welle der Wut auf. Mit einem lauten Aufstampfen versuchte ich die Beherrschung beizubehalten und ihr Herr zu werden. Es durchzog mich von Bein bis Kopf. Extrem versteift drückte ich die Rolle in den Farbeimer, rollte sie ab und korrigierte die unübersehbaren Fehler.

      Der Rollengriff bog sich unter dem enormen Druck, den ich auf ihn ausübte. Irgendwie glaubte ich meinem Zorn Luft machen zu müssen, oder mich auf andere Dinge konzentrieren zu müssen. Ohne es zu wollen schoben sich Bilder in mein Unterbewusstsein. Wie einer Sucht erlegen, griff ich nach ihnen. Jeglicher Funken, der mir andere Gedanken bescherte, war pures Gold wert!

      Schnell wurde mir bewusst, dass es sich um Gedankenfetzen der letzten Wochen handelte. Sie zwangen meine Mundwinkel nach oben und ich gab mich den Erinnerungen voll und ganz hin. Das neue Familienglück streichelte mein aufgewühltes Gemüt und kämpfte energisch gegen die bösen Empfindungen an.

      Die letzten Wochen waren mehr oder weniger langweilig verlaufen. Zugegeben, mal etwas anderes, wenn man die letzten Monate betrachtete, in denen ich zum Vampir geworden, mich einer spektakulären Flucht über Werwolfsrevier geschlagen und schließlich auch noch Flora, zusammen mit meiner neuen Familie, gerettet hatte. Doch irgendwie fehlte es mir nun, das ständige Auf und Ab und das Adrenalin in meinen blutleeren Venen. Ich seufzte. Allmählich erlag ich dem Gedanken, dass man mir nie etwas recht machen konnte.

      Flora war von uns allen genötigt worden wieder zur Schule zu gehen. Schließlich war sie in ihrer jahrelangen Zwangsarbeit – ich beschrieb es immer so – nie wirklich zum Lernen gekommen. Zwar hatte man ihr das eine oder andere beigebracht, doch war dies einfach nicht wirklich in der heutigen Wirtschaft zu gebrauchen. Flora hatte sich vehement dagegen gesträubt, doch ich wollte, dass sie wenigstens jetzt mit achtzehn Jahren, ein halbwegs normales menschliches Leben führte. Mal ganz davon abgesehen, dass ihre Familie ausschließlich aus Vampiren bestand!

      Irgendwann gewann ihr Verstand doch die Oberhand und sie ließ wenigstens einmal einen privaten Lehrer an ihre Seite. Er sollte sie in soweit vorbereiten, dass sie in der wirklichen Schule zu recht kam und es niemanden auffallen würde, dass ihr ein solches Institut eher fremd war. Ganz im Gegenteil zu mir damals, fand sie unglaubliches Gefallen am Lernen und sprühte nur so vor Energie. Während ich fast nie lernen brauchte, um an das gewünschte Ziel zu kommen und die Schule somit eher als eine Art Zeitvertreib ansah, machte ihr dies richtig Spaß.

      Recht schnell konnten wir sie auf eine normale Schule schicken und sie hatte das Glück, genauso wie ich einst auch, als Streber abgestempelt zu werden. Ihre ständigen guten Noten und die damit verbundene Einsamkeit – bis auf eine gute Freundin, die sie dort gewonnen hatte - machten ihr nichts aus. Flora beharrte immer darauf, dass sie ihre Freundin Marie und uns hatte. Diese Tatsache würde ihr genügen und sie war fest davon überzeugt weitaus mehr erreicht zu haben, als sie sich je erhofft hatte.

       Tropf!

      Mist! Ich war wohl zu sehr in meinen Erinnerungen aufgegangen, denn schon wieder war die grüne Flüssigkeit nicht abgestriffen worden. In dicken, wilden Fäden rieselte sie auf den Fußboden. Wenigstens hatte ich an meine Ungeschicklichkeit mit Farbe gedacht und bereits den neuen Parkettboden mit Folie ausgelegt. Ein kleiner Hoffnungsschimmer in diesen vier Wänden, der wenigstens von meiner Dummheit verschont blieb.

      Ich drückte die Farbe am Gitter, das im Farbeimer lehnte, ab und machte weiter. Der Vulkan in mir allerdings brodelte inbrünstig und ich drückt seine Gase wie ein Stier aus den Nasenlöchern heraus. Jeglicher kleiner Fehler könnte den Berg zum Ausbruch bringen und ich versuchte stets aufs Neue den Streit zu vergessen. Schließlich sollte diese Tätigkeit irgendwann einmal sein Ende finden und ich sah mich gezwungen nicht aufzugeben.

      Die Erinnerung an Floras Freude zur Schule überwältigte mich und lies mich schmunzeln. Nur wenige Schüler wussten ihre Lernzeit zu schätzen. Oft bemerken sie erst viel später, wie schön diese doch war. Flora jedoch kannte ganz andere Zeiten; düstere, blutige Jahre. Für sie war endlich Licht ins Dunkel gekommen. Die ersten Tage hatten ihre Augen so gestrahlt wie lange nicht mehr. Instinktiv lachte ich und legte verträumt den Kopf schief, als sich mir neue Bilder aufdrängten.

      Es war uns sehr leicht gefallen, Flora einfach als jünger durchgehen zu lassen, damit sie ein paar Stufen niedriger eingruppiert werden konnte. Schließlich hatten wir Li, der sämtliche Computer der Welt manipulieren konnte und somit ihre komplette Existenz verändert hatte. Na ja, um ehrlich zu sein, sie gab es schon nirgendwo mehr. Man hatte ihren kompletten Namen nicht mehr finden können, sie existierte eigentlich überhaupt nicht; war ein Niemand. Flora selbst konnte sich auch nicht mehr an ihren wirklichen Nachnahmen erinnern. Li hatte zwar einen Zeitungsartikel von damals, als man ihre Familie auf brutale Vampirweise getötet hatte, gefunden, aber auch dort wurden natürlich keine Namen erwähnt. Die Tat war einfach zu lange her, als das sie noch in irgendwelchen Akten zu finden war.

      Flora war es letzten Endes gleich gewesen und sie wollte nur einen Ausweis besitzen auf den der Name Davenport stand. Ganz im Gegensatz zu mir selbst. Ich hatte nie einen solchen Ausweis verlangt, doch nun besaß ich einen. Ein Stück Plastik, was mich als Ehefrau von Alexander kennzeichnete. Nun gut, es hatte mich sehr erfreut, allerdings fehlte mir die dazugehörige Hochzeit. Als Frau hatte ich jahrelang davon geträumt und es war etwas wertvolles, was ich nun einfach so übergangen hatte. Allerdings hatte ich auch den Tod selbst übersprungen, doch während ich eine Hochzeit einfach nachholen könnte, würde ich den erneuten Tod mir auf keinen Fall wünschen. Viel zu verführerisch war ein unsterbliches Leben mit einem Mann und einer Familie, die ich so lieb gewonnen hatte. Und vielleicht bot sich ja noch die Gelegenheit die Traumhochzeit nachzuholen!?

      All die vergangenen Wochen liefen wie ein Film vor mir ab. Trotzdem kam es mir vor, als wenn alles nur an einem einzigen Tag passiert wäre. Ich hatte den Hang zur Zeit vollends verloren. Er glitt einem durch die Finger wie Sand, der sich stets seinen Weg suchte.

      Als ich mich streckte, um den oberen Bereich der Wand zu erreichen, tropfte es von der Farbrolle direkt in mein Gesicht. Wütend zitterte meine Hand und ich blähte meine Wangen verärgert auf. Meine Nerven waren bis zum Bersten gespannt. Ich musste mich enorm beherrschen nicht die Kontrolle zu verlieren. Steif wie ein Stock verharrte ich in den Position und rang nach Beherrschung. Bald würde diese Arbeit ein Ende haben und ich schwor mir, nie wieder einen Pinsel oder gar eine Farbrolle in die Hand zu nehmen. Beim nächsten Mal würde ich die Malermeister, die Alexander mir bereits zu Anfang vorgeschlagen