Werwolfsgeheul. Melanie Ruschmeyer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Melanie Ruschmeyer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847650645
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Fix huschte ihr Mann an dem Pulverfass namens Flora, dass sich langsam und fixierend auf uns zu bewegte, vorbei und machte sich einfach aus dem Staub. Die Luft zischte, als er sie wie ein Messer durchschnitt und alles hinter sich lies.

      ››Ich glaub das einfach nicht!‹‹, schnaubte Flora uns in einem Ton an, den ich bisher nur einmal von ihr gehört hatte. Damals hatte ich sie zum ersten Mal getroffen und war so egoistisch gewesen, dass ich es schnell bereut hatte. In diesem Moment allerdings sah ich mich mit keiner großen Schuld konfrontiert.

      ››Ja, ich glaub´s auch nicht! Haut der einfach ab und lässt uns hier sitzen!‹‹, versuchte Josy die Konversation zu entschärfen und schaute böswillig durch das Fenster hinüber zu seinem Zimmer. Ihr Mundwinkel zuckte dabei so verräterisch belustigend, dass ihr niemand diese Aussage wirklich abkaufen konnte.

      ››Das mein ich doch gar nicht!‹‹, knurrte Flora. ››Wie konntet ihr mir das nur antun?‹‹ Sie stampfte unkontrolliert mit dem Fuß auf dem Holzboden herum, hatte ihre Fäuste geballte und wirbelte mit ihren Armen herum. Sie war so außer sich, dass sie gar nicht bemerkte was sie für ein Bild abgab. Für den kurzen Augenblick glaubte ich einem Gorilla gegenüber zu sitzen und biss mir auf die Unterlippe, um nicht lauthals zu lachen. Ihre kurzen, blonden Haare blieben durch ihren Wutausbruch unberührt, aber die vielen Strählen, die ihr über das rechte Auge fielen, wirbelten umher wie Gräser im Wind.

      ››Es ging alles so schnell, wir hatten gar keine Zeit dir rechtzeitig Bescheid zu geben. Es tut uns wirklich leid.‹‹

      Ihr Herz raste vor Zorn und jeder Atemzug, der ihre Nase verließ, kam einem verächtlichen Schnauben gleich. Der Stier wartete nur auf das rote Tuch, damit er seinen Anpfiff bekam zuzuschlagen. Ihr ganzer Anblick war so unglaubwürdig feindselig und grimmig, dass ich tief schlucken musste. Es war seltsam. Wie schaffte es ein gewöhnlicher Mensch mir Angst zu machen, wo ich doch schon so viel anderem gegenübergestanden hatte?

      Josy legte eine liebevolle, ruhige Miene auf und versuchte sie zu beruhigen. ››Mir tut es auch leid, aber es ging wirklich sehr schnell. Wenn Sarah es nicht selbst bemerkt hätte, wäre nicht mal sie dabei gewesen und eigentlich bin ich auch darüber sehr froh. Shila hatte somit nicht lange zu kämpfen und das ist doch auch etwas schönes, oder nicht?‹‹

      Sie stand auf und legte ihr mitfühlend die Hände auf die Schultern. ››Bitte sei nicht böse. Ich weiß, dass ich es dir versprochen habe mich umgehend bei dir zu melden, aber keiner konnte wissen, dass es so schnell gehen würde.‹‹

      Alleine Josys mütterlicher Art war es wohl zu verdanken, dass sich Flora beruhigte. Ihre Arme erschlafften, obgleich sie immer noch von ihrer Wut leicht zitterten, aber dennoch gab sie auf. Schließlich brachte es ihr nichts sich aufzuregen, vielleicht verstand sie es in genau diesem Augenblick.

      Als Flora den Kopf neigte und traurig auf den Boden schaute, den sie eben noch wild getreten hatte, schob Josy ihren Kopf sanft zu sich hoch. ››Sei doch eher froh, dass alles glatt gelaufen ist und die Kleinen laufen dir ja nicht weg.‹‹

      Schmollend blies sie ihre Wangen auf. ››Aber ich wollte doch so gerne dabei sein!‹‹

      An ihrer Stimme merkte man, dass ihr Zorn verebbte und nur leichter Unzufriedenheit zurück blieb.

      Sie presste ihre Lippen aufeinander und ließ sich neben mir auf die Schaukel fallen. Das Holz ächzte unter ihr und die Kettenhalterung klirrte. Ein Seufzer drang durch ihre Kehle und sie zeichnete verlegen mit ihrer Turnschuhspitze Kreise auf den Boden.

      ››Lass uns in einer Stunde noch mal nach den frischen Eltern schauen‹‹, sagte Josy ruhig und bestimmend, um Flora etwas besserer Laune zu wissen. Mit geschmeidigen Bewegungen tänzelte sie sich zur Tür und zwinkerte mir unbemerkt zu. Sicher wollte sie sich Li vorknöpfen. Der arme Mann tat mir jetzt schon irgendwie ein bisschen leid. Nur zu gut kannte ich Josys ganz andere Seite.

      Flora schaute indessen verbissen auf ihre Hände, die in ihrem Schoss ruhten. Sie waren rot angeschwollen und zeugten von den letzten Anzeichen ihrer Wut und Trauer. Kein Blick wanderte zu mir, sie war reglos und ich dachte darüber nach, ob sie vielleicht auf eine bestimmte Reaktion von meiner Seite wartete. Doch als mir nichts einfiel, breitete sich das Schweigen aus wie ein dunkles Tuch.

      Ungewollt lauschte ich ihrem Herzschlag, der sich wieder allmählich beruhigte, wenn auch widerstrebend, so kam es mir jedenfalls vor.

      Es tat mir schon sehr leid, ihr die Teilnahme des Ereignises einfach genommen zu haben. So lange hatte sie sich darauf gefreut, doch eine Geburt kann man nun einmal nicht vorhersehen.

      Die Sonne war bereits untergegangen. Das fade Grau verschmolz mehr und mehr mit dem Schwarz einer gewöhnlichen Nacht. Josys Eigengeruch kroch für den Sekundenbruchteil an mich heran. Sie schien extrem schnell durch das Wohnzimmer zu huschen. Lautlos wollte sie unser Schweigen nicht unterbrechen. Mit einem Klicken schickte sie uns ein Fünkchen Licht ins Dunkel und ich dankte ihr im stillen. Flackernd ging die Außenbeleuchtung an und sandte ihre Schatten zu allen Gegenständen heraus. Noch immer war ich steif wie ein Brett und traute mich nicht die Stille zu durchbrechen. Sie war angenehm und doch beängstigend. Selten hatte ich Flora so ruhig erlebt.

      ››Wie lange ist Alexander eigentlich weg?‹‹, fragte Flora plötzlich und riss mich aus meiner Starre.

      Keiner von uns hatte ihr gebeichtet, warum Alex laufend an Vollmond verschwand. Genauso wie mein kleines Geheimnis war es besser, wenn es so wenige wussten, wie nur möglich. Doch es war nur eine Frage der Zeit bis es letzten Endes auffallen würde. Flora war alles andere als dumm. Sie war sehr scharfsinnig und würde irgendwann von ganz alleine darauf kommen, dessen war ich mir sicher. Ob es dann wirklich so gut war, es ihr verheimlicht zu haben, würden sich dann erst zeigen. Schließlich hatte sie uns eben eine kleine Kostprobe ihrer Wutausbrüche präsentiert. Keiner, auch ich nicht, konnten einschätzten, wie sie es auffassen würde, wenn man ihr wichtige Details mit voller Absicht verheimlichte.

      ››Morgen Mittag nehme ich an‹‹, konterte ich und drehte mich zu ihr um.

      Gegen meine Hoffnung endlich wieder auf einer ruhigen Ebene mit ihr sprechen zu können, sagte sie nichts mehr. Sie schien auf etwas zu warten und langsam wurde mir auch klar worauf.

      Denn als Josy um die Ecke lugte und ein freudiges Grinsen in ihr Gesicht zauberte, sprang Flora sofort auf. Die Vampirwolffamilie schien bereit für neuen Besuch zu sein.

      Todestag

      Die Nacht war endlos lang und eintönig gewesen. Anfangs hatte ich Flora dabei zu gesehen, wie sie überglücklich die Welpen angeschaut und Shila gestreichelt hatte. Die Neulinge waren zusehends muntererer geworden. Zwar waren sie durch ihre Blindheit ziemlich eingeschränkt und konnten noch nicht wirklich spielen und ihre Umgebung erfassen, doch ständig musste ihre Mutter nach ihnen sehen, da sie sich trotzdem vom Korb zu entfernten versuchten. Wie kleine Würmchen robbten sie vorwärts und deuteten bereits jetzt auf ihre geballte Kraft hin.

      Flora hatte mich überhaupt nicht mehr wahrgenommen. Die Faszination in ihren Augen und ihre glückliche Ausstrahlung hatten ihre gesamte Anspannung von zuvor verdrängt.

      Jedoch war es irgendwann an der Zeit gewesen für sie ins Bett zu gehen, schließlich war sie ihrer Schulpflicht verschrieben und stets bemüht diese einzuhalten.

      Ich, für meinen Teil, war wieder einmal die treue Seele gewesen. Als ich in unser gemeinsames Zimmer getreten war und in das pure Chaos blickte, wurde ich wieder weich. Beflügelt von den Ereignissen, versuchte ich mich erneut an meiner Malertätigkeit. Dieses Mal hatte ich auch mehr Glück damit. Die Gefühle waren geglättet und der Kopf frei. Auch wenn ich diese Arbeit nun eher widerwillig tat, freut ich mich auf Alexanders Gesichtsausdruck. Fehler um Fehler wurde ausgeglichen und ich tänzelte auf der Plastikplane zwischen den tückischen Farbklecksen herum. Ungewöhnlich schnell ging es mir von der Hand und ich konnte es nicht glauben, als ich die Wände in ihrer grünen Pracht sah. Was man doch nicht alles vollbringen konnte, wenn der Verstand nicht durch böse Gedanken getrübt wurde!

      Nun stand ich auf dem Balkon