Werwolfsgeheul. Melanie Ruschmeyer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Melanie Ruschmeyer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847650645
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noch einmal! Allmählich hatte ich es satt! Schnell zog ich die Farbrolle wieder herunter, damit sie nicht noch mehr Schaden anrichten konnte. In einer Kurzschlussreaktion schmiss ich sie mit voller Wucht in den Farbtopf. Überlistet von meiner eigenen Kraft spritzte die Farbe wie eine Fontäne nach oben. An der Decke prallte der Strahl ab und platzte wie der Inhalt eines Wasserballons heraus. Ein kurzer Regenschauer grüner Flüssigkeit erfasste den Raum und legte sich über einfach alles, was sich ihm in den Weg stellte. Ein kleiner Teil fiel wieder in den Eimer zurück und wühlte die Farbe auf wie eine Meeresbrandung. In einer Woge schwappte das Grün heraus und verteilte sich voller Inbrunst über die Plastikplane. Das leise Knistern und Knirschen des Plastiks, weil die Masse sich ihren Weg suchte, brachte mich fast zur Weißglut.

      Wie ein begossener Pudel stand ich da und sah meine letzte Hoffnung einigermaßen gut aus dieser Sache heraus zukommen, an mir vorbei ziehen. Die imaginären Wurzeln gruben sich durch die Plastikplane in den Parkettboden und krallten sich fest. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich wieder zu mir kam.

      ››AH!‹‹, kreischte ich wie eine Furie und sah mich einer allgegenwärtigen Sauerei konfrontiert, die meine blanke Zerstörungswut kitzelte. Alles, aber wirklich alles, war versaut. Meine bisherige Arbeit war so derartig befleckt, dass man sie nur noch abkratzen konnte. Die Decke, die nie gestrichen werden sollte, sah aus wie ein Schlachtfeld und selbst der schöne Meeresausblick durch die Fenster war von einer klebrigen Masse besetzt worden. Vorwurfsvoll schien mich das Grün aus allen Himmelsrichtungen zu mustern und regelrecht auszulachen. Das war jetzt zu viel! Meine Lider fielen über die Augen und formten kleine Schlitze. Das lodernde Feuer drohte die Haut zu verzehren. Wie Feuersteine gruben sie sich hervor und besetzten meine Augen. In dieser Sekunde glaubte ich, es noch niemals so intensiv zu spüren bekommen zu haben. Früher hatte ich die katzenhaften Vampirsaugen gehasst, mittlerweile waren sie zu einer Normalität mutiert. Sie unterstrichen jegliches Gefühl eines Vampirs und wenn man gerade so wie ich kurz vor der großen Explosion stand, glühten sie wie unbändiges Feuer.

      Doch es war nicht allein die Tatsache, dass ich zu dumm war eine Farbrolle halbwegs zu bedienen, sondern viel mehr die Enttäuschung. So gerne hätte ich dies mit Alex zusammen gemacht, aber ich hatte mal wieder nicht warten können. Viel zu groß war der Wunsch nach Veränderung in diesem Zimmer gewesen und nicht ein Gedanke hatte dem Vollmond gegolten, der mich bald wieder von ihm trennen sollte. Der bittere Geschmack von Traurigkeit packte mich wie ein Schlangenbiss ins Herz. Kalt wie ein Eiswürfel zog sich das Gift durch den Körper. Ich vermisste ihn. Allerdings wollte ich diesem Gefühl keinen Raum lassen. Der Seelenbiss drohte mich zu zerfressen; jedes Mal aufs Neue. Vor Monaten war mir das nie so bewusst geworden, viel zu aufgewühlt war mein Verstand gewesen, als dass er sich so etwas hingeben konnte. Jetzt jedoch, wo ich zur Ruhe gekommen war, lies er mich nicht mehr los und zeigte sich bei jeder Gelegenheit, die sich ihm bot.

      Traurig senkte ich den Blick und legte den Kopf schief. In diesem Bruchteil einer Sekunde wollte ich ihm vergeben; den kleinen Streit vergessen. Schließlich war ich dem Übermut Untertan geworden und das wo ich hätte mich nur in Geduld üben müssen. Übermorgen wäre auch noch ein Tag gewesen es gemeinsam mit ihm anzugehen. Meine erstarrten Muskeln wurden weich und mein Mund begann zu zittern, doch da …

       Tropf!

      … tropfte es erneut von der Decke auf mein Haar herunter. Prompt wischte die Farbe mein Verständnis fort und meine Hände ballten sich zu Fäusten. Mein ganzer Körper erzitterte unter einem Kampf der Selbstbeherrschung. Ich musste mir ganz schnell Luft zum Atmen verschaffen, sonst würde ich platzen, da war ich mir ziemlich sicher.

      Der Boden vibrierte als ich mich wie ein stampfendes Nashorn zum Rundbalkon bewegte. Weit beugte ich mich vor und schrie so laut wie es meine Kehle ertragen konnte: ››Wenn du nach Hause kommst, kannst du was erleben!‹‹

      Mein Hals pochte, als sich die unerträgliche Wallung meiner Empfindung langsam lichtete.

      Die ersten Anzeichen der Dämmerung hatten eingesetzt und legten sich wie ein Decke über das Land. Ein helles Rot verschmolz mit dem Meer, was direkt vor dem großen Haus den Horizont einnahm. Die salzige Brise griff nach meinem Haar und spielte darin. Die letzten Möwen krähten dem Abend entgegen und suchten ihre Schlafplätze auf.

      Nur wenige Meter vom Gebäude erhoben sich die ersten Bäume des Waldes empor. Ich wusste genau, dass er irgendwo in ihnen umherstreifte. Schließlich war seine Verwandlung noch fern, denn die Nacht war noch nicht angebrochen.

      Mein Gemüt beruhigte sich ein wenig und die letzte Empörung wurde von einem tiefen, salzigen Atemzug davon gespült.

      Als ich meine Hände von dem Balkonsims nahm, zeigten sich meine anklagenden, grünen Fingerabdrücke auf dem Stein und meine Lippen wurden gewaltsam aufeinander gepresst. Schnell ging ich zurück in das Zimmer und erfasste das Schlachtfeld.

      Ich hatte gerade mal die Hälfte geschafft und legte den Kopf kritisch schief. Die unbearbeitete Seite war gesprenkelt und wirkte mehr wie Kinderzimmerwände. Nachdenklich wechselte ich Blicke zwischen ihnen und dem Farbtopf, der in seiner klebrigen Masse stand. Jetzt wo ich mich etwas gefangen hatte, sollte ich da nicht wieder weiter machen?

      Ich zuckte mit den Schultern. Sollte er doch den Rest machen, warum eigentlich immer ich? Begeistert über meine glorreiche Idee nickte ich und zog meinen Blaumann aus. Dabei fielen mir die vielen Kleckse und Farbtupfer auf meiner Haut auf. Ich musste ein schreckliches Bild abgeben und wollte dies schnellstens ändern. Die Unterwäsche nur mit einem langen T-Shirt bedeckt tänzelte ich über den Boden; schön um das Grün herum. An der Tür angekommen lauschte ich und sandte meine Schallwellen aus. Anscheinend war niemand da.

      Auf dem Flur suchte ich rasch das Bad auf und schloss die Tür ab. Das Zimmer beherbergte alles was ich brauchte. Eine Dusche, eine große Badewanne, einen großen Spiegel mit Schrank dahinter und ein Regal mit frischen Handtüchern. Neben der Dusche hingen zwei weiße Bademäntel für Alexander und mich. Seitdem ich hier eingezogen war, hatte ich dem Bad Leben eingehaucht und ein bisschen Dekoration in das eintönige Weiß gebracht. Eine Pflanze stand vor dem Fenster und auf einem hohen Ständer waren rote Kerzen postiert. Es war ein Ort der Geborgenheit.

      Im Spiegel guckte mich, ganz im Gegenteil zur Umgebung, ein grünes Monster an. Die blonden Haare verwüstet und von Farbe verklebt. Im Gesicht begrüßten mich grüne, vertrocknete Tupfen. Hier und da hatte ich sie bereits versucht zu verwischen und die Kruste weißte Risse auf. Die dunklen Augenränder allerdings waren unversehrt und schrien noch immer den erloschenen Schlaf hinaus. Alles in allem war es erschreckend. Wenn ich bedachte wie ich damals vor meiner Verwandlung noch ausgesehen hatte, hätte mich diese Verunstaltung wohl zum absoluten Gespött gemacht. Doch jetzt sah ich trotz allem immer noch schön aus. Ein bisschen bemalt, aber es tat dem makellosen Gesicht keinen Abbruch.

      Ich brauchte dringend Entspannung, also zog es mich zur großen Badewanne. Am Rand stand bereits mein bekanntes Mandelöl. Sein Duft war betörend und grausam zu gleich; wenn man ihm zu lange ausgesetzt war. Freudig lies ich warmes Wasser ein und träufelte den Zusatz hinein. Während die Wanne sich mit einem Zischen füllte, tänzelte ich zum Spiegelschrank und holte mir das Feuerzeug heraus.

      Als ich die Kerzen anzündete, dachte ich daran, dass ich mir Graysons Fähigkeit angeeignet hatte. Es wurde langsam Zeit mit ihm darüber zu reden. Er musste mir beibringen wie ich diese Kraft manipulieren konnte.

      In dem Augenblick durchfuhr mich ein Schütteln und ich erinnerte mich an die erste Begegnung mit ihm in Italien. Die Maguire hatten mich genötigt den Empfang eines Balles beizuwohnen und die Gäste mit einem herzlichen Händeschütteln zu begrüßen. Carlos hatte es damals gewusst. Er hatte es die ganze Zeit über gewusst und bewusst verschwiegen! Durch meine Unwissenheit gegenüber meiner Kräfte hatte er mich mit Leichtigkeit ausgespielt und sie benutzt.

      Laut drückte sich ein Seufzer durch die Kehle und ich schüttelte energisch den Kopf. Nein, ich wollte mich nicht an diese Sache erinnern; weder an sein Gesicht, noch an grausame Vergangenheit, die ich mit ihm verband.

      Hastig legte ich das Feuerzeug wieder an seinen Platz zurück und zog mich aus.

      Mit der Fußspitze testete ich das warme Wasser an und war