Sprachlos. Marlen Knauf. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marlen Knauf
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737546249
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Hamburg fahren. Peter hat die Fahrkarten schon besorgt. Verärgert, dass er einfach so über mich und meine Zeit verfügt, packe ich alles Notwendige zusammen und bin pünktlich am Bahnhof, wo mich Peter sichtlich erleichtert mit den Worten, „ich hab schon ein tolles Mädchen,“ empfängt. Ist das Leben mit ihm nicht spannend? Die Aussicht, in die Türkei und Schweiz zu fliegen, mein Geld zurückzubekommen, seinen Besitz kennenzulernen, reizt mich ungemein. Außerdem, Pauliano hat etwas von einem letzten Auftrag verlauten lassen. Diese Nachricht beruhigt mich, sind wir nun endlich am Ziel?

      Wir treten unsere Hamburgreise an und wohnen bis zum 14. Feb. im Dorint- Hotel an der Alster. In dieser Zeit erledigt Peter verschiedene Aufträge. Ich bin immer für fast eine Stunde allein und in höchster Sorge, weiss ich doch um die Gefährlichkeit dieser Unternehmungen. „Meistens,“ so vertraut er mir im Flüsterton, „muss ich Außenstände eintreiben und darf dabei nicht zimperlich vorgehen, denn die Schuldner rücken nicht immer freiwillig mit dem Geld heraus.“

      (In Wirklichkeit trifft er sich mit anderen Frauen, ergaunert sich ihr Geld oder besucht Bordelle und ähnliche Etablissements.Die große Entfernung zu Köln stellt er her, weil ihm Justitia wegen diverser Betrügereien auf den Fersen ist. Geschickt versteht er es meine Angst um ihn, um uns zu schüren.)

      Eines Abend sind wir bei einem Nobelitaliener zum Essen eingeladen. Einer der Mafia-Bosse Hamburgs unterhält dieses Lokal. Er und Pauliano beabsichtigen im Laufe des Abends zu uns zu stoßen. In bester Laune wählt Peter die teuersten Angebote aus Wein- und Speisekarte aus. Da wir eingeladen sind, ist mir das äußerst peinlich. Aber siehe da, auch hier glänzen die großen Bosse durch Abwesenheit. Um kein Aufsehen zu erregen, Diskretion ist geboten, wird mit meiner Kreditkarte bezahlt. Spreche ich Peter verärgert darauf an, antwortet er lachend, „Maus ich bin doch bei dir, ich laufe dir schon nicht davon.“ Womit er nicht mal die Unwahrheit sagt.

      (Solange noch etwas bei mir zu holen ist, hat er keinen Grund davonzulaufen.)

      Er verwöhnt und hofiert mich nach allen Regeln der Kunst, überrascht mich mit kleinen Aufmerksamkeiten und Geschenken, was ich aus meinem bisherigen Leben nicht kenne. „Liebling ist dir eigentlich aufgefallen, wie uns die Leute ansehen? Wir sind schon ein schönes Paar.“ Zu gerne lasse ich mich beruhigen. Pauliano erscheint nicht auf der Bildfläche. So fällt der Türkeitrip ins Wasser. Wir brauchen seine Zustimmung. Eigenmächtiges Zuwiderhandeln ist bekanntlich lebensgefährlich.

      Zurück in Köln, stelle ich fest, dass der Briefkastenschlüssel an meinem Schlüsselbund fehlt, der Kasten quillt über. In der Wohnung bittet Peter mich um eine Haarnadel. „Mach du schon mal eine Tasse Kaffee, ich versuche derweil den Briefkasten zu öffnen.“

      (Die Haarnadel benötigt er nicht. In Hamburg hatte er in einem unbeobachteten Moment den Schlüssel an sich genommen. Das gibt ihm die Möglichkeit, brisante Post von der Polizei oder Staatsanwaltschaft, Zahlungsbefehle, meine Bankauszüge verschwinden zu lassen.)

      Zu dieser Zeit meine, ich noch keinen Grund zum Misstrauen zu haben. Mein Gott bin ich naiv und gutgläubig. Der Makler ruft an. Er will uns den Fortschritt der Umbauarbeiten in unserer Wohnung zeigen. Bei diesem Treffen drängt er auf eine Anzahlung, mit der wir uns das Vorkaufrecht sichern. Peter sagt für die nächsten Tage einen größeren Betrag zu und wir trennen uns in gutem Einvernehmen, nicht ohne ein gemeinsames Abendessen zu vereinbart, um den für beide Seiten guten Abschluss zu besiegeln. Es ist ja alles so toll.

      Peter beabsichtigt, aus seiner belgischen Wohnung einige besonders schöne Möbelstücke zu holen und natürlich den Tresor, den braucht er unbedingt, den will er in der neuen Wohnung einbauen lassen. Wie er sich darauf freut, seiner wertvollen Gemäldesammlung endlich einen gebührenden Platz zu verschaffen. In Belgien verstaubt nur alles.

      Mein Sohn ruft an und bittet uns um ein Gespräch. Einige Tage später treffen wir uns in einem Brauhaus. Er offenbart uns, dass er mit seinen Lokalen in finanziellen Schwierigkeiten steckt. „Das ist,“ so Peter „überhaupt kein Problem. „Warum hast du so lange gewartet, dich uns anzuvertrauen. Ich werde den Pachtvertrag fürs Deep übernehmen. Natürlich läuft er auf den Namen deiner Mutter.“ Meinem Sohn sind Peters Schwierigkeiten mit dem Finanzamt bekannt. „Sag mir was du in den Laden gesteckt hast und ich zahle dir eine angemessene Ablösesumme.“ Habe ich nicht einen großartigen Mann?

      In Dellbrück die wunderschöne Wohnung und nun noch das Lokal im Belgischen Viertel, aus dem er ein exklusives Speiselokal machen will. Er der Hobbykoch, der bei Lafer und Müller Kurse besuchte, um seine Kochkünste zu verfeinern, kann sich nun am Herd so richtig austoben. Und einen Weinkeller, ja weit über Kölns Grenzen wird unser Lokal bekannt werden, ein Geheimtipp für Feinschmecker. Die noch verbleibenden, finanziellen Probleme meines Sohnes wird er mit einer großzügigen Zuwendung aus der Welt schaffen, natürlich erst, wenn er in der Türkei und Schweiz gewesen ist.

      Er verhält sich wie ein Kind in Erwartung des Christkindes. Schmiedet Pläne. An bestimmten Abenden wird er zur Untermalung auf dem Saxophon spielen. Dieses Instrument beherrscht er perfekt.

      (In Wirklichkeit kann er nicht eine Noten lesen.)

      Eine neue Küche, am Besten eine komplett neue Einrichtung muss her, alles wie immer, nur vom Feinsten. Zufällig ist gerade die Gastronomie-Messe in Köln. „Schatz hier holen wir uns Anregungen, vielleicht finden wir auf Anhieb das Richtige und kaufen sofort. Mir schwebt schon etwas vor.“ Zu meinem Glück kommt es nie zu einem Kaufvertrag, auch der Pachtvertrag ist noch nicht unterzeichnet. „Wir müssen so schnell wie möglich in die Türkei, in die Schweiz und nach Belgien, dann mach ich mein Hasenherz zur reichsten Frau Kölns.“

      (Er wiederholt sich oft, verspricht vieles, widerspricht sich nie. Sicher hat er seine Lügenmärchen schon zu oft erzählt.)

      Einige Tage später ruft uns der Besitzer vom Deep an. Im Laufe des Gespräches erfahren wir, dass es für das Lokal keine Küchengenehmigung gibt, Bestimmung vom Ordnungsamt. So fallen unsere Träume allesamt mit einem Schlag ins Wasser. Nun erst Recht. Der Gedanke, ein Speiselokal zu eröffnen, hat sich so in Peters Kopf festgesetzt, dass er noch am gleichen Tag unseren Makler anruft und ihn mit der Suche nach einer passenden Immobilie beauftragt. Natürlich geht das nicht von heute auf morgen, es pressiert ja nicht. Rom ist schließlich auch nicht an einem Tag entstanden. Wir decken uns mit Fachliteratur ein. Ich zeige für alles größtes Interesse. Seine Weinlieferanten muss er unbedingt kontaktieren. Wir besuchen sogar ein Weinseminar. Ich mache alles voller Begeisterung mit.

      Am 19. Februar 2002 komme ich nachmittags von einem Kosmetikbesuch nach Hause. Peter ist meines Glaubens arbeiten.

      (In Wirklichkeit darf er sich nicht mehr in die Nähe der Praxis wagen. Er hat dort eine größere Menge Zahngold und sonstiges Material gestohlen, einen Vorschuss für Arbeiten kassiert, die er gar nicht beabsichtigt, auszuführen. Auch hier läuft eine Anzeige gegen ihn. )

      Peter ruft mich tagsüber mehrfach aus der Praxis an und erkundigt sich, was ich gerade mache und wie es mir geht. Er ist ja so ein besorgter Mann. Als ich heute seine Stimme am Telefon vernehme, weiss ich sofort, da stimmt etwas nicht. Und tatsächlich, er ruft aus Hamburg, nicht aus Düren an. Er ist aufgeregt und tut sehr geheimnisvoll. Auftrag von Pauliano! „Du musst so schnell wie möglich nachkommen. Packe das Nötigste zusammen. Ich habe dir schon die Fahr- und Platzkarte von hier aus reserviert. Du musst sie nur noch am Serviceschalter des Kölner Bahnhofs abholen und in den nächsten Zug steigen. Und Maus, ich habe eine Überraschung. Ich war hier beim Juwelier Niessing und habe für uns die schönsten Trauringe ausgesucht. Freust du dich? Du bist so still.“

      Ich bin tatsächlich sprachlos. Was soll ich sagen? Ich bin so perplex, so überfahren. Bin ich verrückt oder er? Außerdem hat er sich die Flugpläne für die Türkei ausdrucken lassen, kann mir jedoch am Telefon nichts Konkretes sagen. „Du weißt ja, wegen der Abhörgefahr.“

      (Sofort ist sie wieder da, die Angst. Er ist sehr geschickt und durchtrieben oder bin ich zu gutgläubig?)

      „Mausilein, meine Telefonkarte ist gleich leer, ich liebe dich und brauch dich hier, bitte komm.“ Die Verbindung bricht ab. Was mache ich? Natürlich, packen. Und so fahre ich in diesem Monat zum zweiten Mal nach