Sprachlos. Marlen Knauf. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marlen Knauf
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737546249
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mit seiner jungen Frau. Hat sie ihm bisher immer ihre Liebe beteuert, seine Nähe gesucht, bleib sie nun verschlossen und zeigt ihm die kalte Schulter. Ihr Verhalten gegenüber dem angeblich so geliebten Mann wird fast eisig. Auf Hochzeitsreise begibt sich die komplette Familie, natürlich ist auch die Großmutter mit von der Partie. Das Ziel ist, wie kann es anders sein, die Toskana.

      Es scheint alles perfekt. Sabine gibt ihren Wunsch zu studieren auf, erlernt den Beruf der Chemielaborantin und ist schon bald so erfolgreich, wie ihr Mann. Er wünscht sich von Herzen Kinder, doch Weihnachten so Peter, ist öfter. Er vergräbt sich in seine Arbeit und kommt, meist schläft seine Frau schon, immer öfter sehr spät nach Hause. In diesem Jahr macht er sich selbstständig, richtet ein Labor nach dem modernsten Stand ein und holt ein junges, tüchtiges Team an seine Seite. Ohne jemanden ins Vertrauen zu ziehen, aus einer unguten Ahnung heraus und dem Bedürfnis etwas für sich ganz alleine zu tun, legt er sein schwarz verdientes Geld in den Kauf einer Eigentumswohnung im nahe gelegenen Belgien an. Seine Frau wird immer unzugänglicher. Es beginnt zu kriseln. Von Sabine vernachlässigt, von der Familie erdrückt, hält er diesen Zustand nicht mehr aus. In einer Kurzschlusshandlung bricht er aus dem goldenen Käfig aus und zieht in seine Wohnung nach Belgien. Sein gut gehendes Labor will er nicht aufgeben, darum fährt er nun jeden Tag über die Grenze. Außer seiner Mutter, der er sich anvertraut, kennt niemand seinen Aufenthaltsort.

      Für kurze Zeit muss er mit akuten Magenbeschwerden ins Krankenhaus. Es werden Magengeschwüre diagnostiziert. Natürlich sorgt er für den Unterhalt seiner Frau. Loser Kontakt findet nur in seinen Laborräumen statt. Bald schon stellen beide fest, sie können nicht mit- aber auch nicht ohne einander. Nach einem halben Jahr finden sie wieder zusammen, ziehen aus dem Elternhaus aus, einige Straßen weiter in eine eigene Wohnung. Für kurze Zeit bessert sich alles, das zumindest meint Peter. Das Glück kehrte wieder ein. Sabine wird schwanger und leidet an einer schweren Schwangerschaftspsychose, wechselt die Ärzte wie andere die Hemden. Mit Blaulicht wird sie mehrfach in eine Klinik gebracht, bald wieder entlassen, organisch ist alles in Ordnung. Von nun an hat Peter keine ruhige

      Minute mehr.

      Seine Frau macht ihm wegen der Schwangerschaft Vorwürfe, denkt ernsthaft an Abtreibung, was er mit Unterstützung eines befreundeten Arztes verhindert. Der Sohn wird geboren. Peter ist bei der Geburt dabei. Überglücklich hofft er nun auf eine positive Entwicklung.

      Auf Verlangen seiner Frau ziehen sie wieder ins Elternhaus. Durch ihre Psychose bleibt sie unberechenbar und wird mit dem kleinen Söhnchen zu einer Mutter-Kind-Therapie in eine Klinik eingewiesen. Dort will sie außer den Eltern niemanden sehen, auch ihren Mann nicht.

      Nun steht er erneut außen vor und ist völlig verzweifelt. Oft fährt er abends oder am Wochenende hin, um aus der Ferne Frau und Sohn zu sehen. In dieser für ihn so schweren Zeit lernt er bei einem Fortbildungsseminar eine andere Frau kennen. Lange ist er hin- und her gerissen zwischen Pflicht und Gefühl. Nachdem sich das Verhalten seiner Frau auch nach Beendigung der Therapie nicht bessert, gibt er seinen Gefühlen nach und trennt sich von Frau und Sohn. In der Nähe seines Labors kauft er eine Eigentumswohnung, die er mit seiner neuen Liebe Edith bezieht.

      Sabine reicht die Scheidung ein. Beermann erhält Besuchsrecht. Den Kontakt zum Söhnchen machen ihm die Schwiegereltern und seine Ex-Frau mit fadenscheinigen Argumenten sehr schwer. Um fast jede Minute Zusammensein muss er kämpfen. Das, was ihm seine Frau verweigert, gewährt ihm seine neue Partnerin in großzügigem Maß. Er genießt diese Zuwendung in vollen Zügen. Im Gegenzug verwöhnt er sie mit Geschenken. Auto, Schmuck, teure Garderobe, Urlaub in den besten Hotels.

      Sein Labor floriert durch unermüdlichen Einsatz und Überstunden. Er verdient Geld ohne Ende, hat nichts dagegen, dass seine neue Partnerin mit ihren Freundinnen Alleinunternehmungen startet, Kurztrips nach Paris oder Holland, Tennisunterricht nimmt und auch sonst kein Kind von Traurigkeit ist. Sie arbeitet stundenweise in einem Praxislabor. Im eigenen Betrieb, im eingespielten Team will Peter sie nicht haben, da sie, wie er sehr schnell feststellen muss, vom Niveau nicht zu "seinen Leuten" passt. Immer öfter erhält er aus seinem Freundeskreis Hinweise auf Ediths zweifelhaften Ruf und dass sie es mit der Treue nicht so genau nimmt. Er schließt vor allem die Augen, denn Frau und Sohn wegen eines Flittchens verlassen zu haben, will er sich nicht eingestehen. Bald basiert die Verbindung nur noch auf rein sexueller Ebene. Edith wird schwanger. Wieder schöpft er Hoffnung, alles wird gut.

      Tochter Alida wird geboren. Sie beschließen, weiter zusammenzubleiben. Nun, da es laut seiner geschiedenen Frau den Bastard gibt, gestaltet sich der Kontakt zu seinem Sohn noch schwieriger. Peter liebt beide Kinder, Joshua ist stolz auf seine kleine Schwester, Peter leidet und schweigt.

      Edith nimmt schon bald ihre alten Lebensgewohnheiten wieder auf, startet viele Alleingänge und stellt als Mutter seiner Tochter unverschämte Forderungen. Er vergräbt sich in seine Arbeit.

      Dann überstürzen sich die Ereignisse. Die Tochter muss wegen eines Herzfehlers operiert werden. Bei den hierzu erforderlichen Untersuchungen stellt sich heraus, Peter ist nicht Alidas Vater. Eine Welt bricht für ihn zusammen. Obendrein erwischte er Edith in Flagranti mit ihrem Tennislehrer. Daraufhin setzt sie vor die Türe. Peter unternimmt einen Suizidversuch, der fehlschlägt. Auf Anraten seines Arztes begibt er sich für 1/4 Jahr in eine Privatklinik in Bad Neuenahr. Vor kurzem fand ich in seinen Unterlagen einen Zahlungsbefehl der Klinik über 25.000 DM. Zur finanziellen Sicherheit Alidas, die er liebt wie eine eigene Tochter, schließt er eine hohe Versicherung ab. Auch seine Familie versorgt er großzügig. Langsam findet er wieder ins Leben zurück. Nach Verlassen der Klinik verkauft er sein Labor und bereitet seine Übersiedlung in die Türkei vor.

      Das ist Peters Version.

      (Die Wirklichkeit sieht ganz anders aus. Edith trennt sich von dem untreuen, oberflächlichen Vater ihrer Tochter. Sie, eine fürsorgliche Partnerin und Mutter, hatte nie ein Verhältnis mit dem Tennislehrer. Gegen Peter läuft ein Verfahren wegen unterlassener Unterhaltszahlung in drei Fällen. )

      Für den 15. / 16. Dezember 2001 lädt mich Peter zu einem Wellneswochenende in sein Hotel ein. Erfreut sage ich zu. Er lässt mich mit einem Taxi abholen, beschreibt mir am Telefon den Weg zu seinem Zimmer, sodass mir der Gang zur Rezeption erspart bleibt. Er ist aus dem Dorint Junkersdorf ins Dorint-Messe umgezogen, warum auch immer. Überall steht noch sein Gepäck herum. Was mich allerdings wundert ist, dass ich bei einem Anruft in der vergangenen Woche in Junkersdorf die Auskunft erhalte, dass von mir genannte Zimmer bewohne ein Herr Meuthen. Ein Peter Beermann ist im Haus nicht bekannt.

      Die Zimmernummer habe ich von Peter. Hatte ich mich so verhört? Als ich ihn zur Rede stelle, nimmt er mich lachend in den Arm und erklärt, er halte das Seminar zusammen mit Kollege Meuthen und teile auch das Hotelzimmer mit ihm. Ich habe keinen Grund, seine Erklärung anzuzweifeln.

      (Peters Großmutter heißt Meuthen. Er ist unter ihrem Namen in Junkersdorf abgestiegen. Ohne die Zeche zu zahlen, zieht er um ins Messehotel. Es gibt keinen Kollegen und auch kein Seminar. )

      Peter verhält sich eigenartig zurückhaltend und einsilbig, wirkt verunsichert. Nichts von seinem Charme, seinem sonst so ungehemmten Redefluss. Plötzlich nimmt er mich bei den Schultern und sieht mich eindringlich an. „Ich habe dieses Wochenende mit dir unüberlegt und übereilt geplant“ sagt er. „Du weißt von meinen Negativerlebnissen mit Frauen. Es liegt mir sehr viel an unserer Beziehung, nur geht mir alles zu schnell. Bitte sei nicht böse, wenn ich dich wieder nach Hause begleite.“

      Was soll ich dazu sagen, ich bin völlig überrumpelt. Er bringt mich zurück auf die andere Rheinseite, zu meiner Wohnung. Schon im Flur höre ich das Läuten des Telefons. Am anderen Ende der Leitung entschuldigt sich Peter tausendmal für sein Verhalten und versucht mir seine Berührungsängste zu erklären. Ihm sei erst jetzt klar geworden, wie viel in ihm zerstört ist. Ich will ihn ja verstehen, jedoch bleibt ein bitterer Nachgeschmack.

      Sonntag, den 16. Dezember 2001 trete ich wie üblich meinen Dienst im Deep an. Gegen Mittag kommt Peter. Das schlechte Gewissen steht ihm ins Gesicht geschrieben. Zerknirscht fragt er, ob ich ihm noch böse bin. Die Unterhaltung will nicht so recht in Gang kommen. Er wirkte übernächtigt, ist unrasiert. Nervös und zerfahren druckst er herum, was so gar nicht seine Art ist. Und dann kommt