Sprachlos. Marlen Knauf. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marlen Knauf
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737546249
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und seine Lage bieten sich geradezu für diesen Zweck an. Die Zahl der teilnehmenden Zahnärzte und Techniker steht noch nicht fest.

      Nach unserer Rückkehr drängt Peter darauf, die Suche nach einer passenden Immobilie ernsthaft anzugehen. Er macht mir einen Heiratsantrag. Ich bin sprachlos und bitte um Bedenkzeit. Damit habe ich nicht gerechnet. Eigentlich will ich mich nicht mehr binden. Es ist doch auch so alles wunderschön. Auf mein Zögern reagiert er enttäuscht. „Solch einen Antrag stelle ich nur einmal, es ist mir sehr ernst, du bist meine Traumfrau.“

      „Ist das nicht romantisch, geht er nicht toll mit mir um?“

      (Im Rückblick wird mir speiübel.)

      Die nächsten Wochen verlaufen unverändert. Peter fährt weiter jeden Morgen nach Düren, um dem Kollegen zur Hand zu gehen. Auf sein Drängen gebe ich die Arbeit im Lokal meines Sohnes auf. Ich kann ihn ja verstehen. Es missfällt ihm, dass ich oft spät in der Nacht nach Hause komme, außerdem sei er jetzt der Ernährer. Davon merke ich nichts, eigentlich merkte ich gar nichts.

      Wir besichtigen mehrere Immobilien und werden Mitte Januar 2002 fündig. Unsere Wahl fällt auf eine traumhaft schöne Eigentumswohnung in Köln- Dellbrück, die gerade renoviert wird. Eigene Pläne und Veränderungswünsche können noch berücksichtigt werden. Mit dem Makler und den Handwerkern führen wir die notwendigen Gespräche. Alles soll natürlich nur vom Feinsten sein, so will es Peter. Wir besuchen Möbelmessen, Einrichtungshäuser, lassen uns Kostenvoranschläge unterbreiten. Es ist aufregend und wir schwelgen in Zukunftsplänen.

      Meine Freunde und Verwandten, die ihn auf Familienfesten kennen lernen, sind von ihm begeistert. Eine Freundin fragt mich ganz verschmitzt, ob Peter nicht einen Bruder habe. Er beeindruckt alle durch sein charmantes Auftreten und bei seiner Art, spannend und überaus interessant zu erzählen, hängen alle an seinen Lippen.

      Mein Gott habe ich ein Glück, ich kann es manchmal gar nicht fassen. In der letzten Zeit erwähnt Peter wiederholt ganz beiläufig die Organisation, der er angehört. Den Gedanken daran habe ich total verdrängt. Nun erfahre ich Einzelheiten. Da es sich bei den anderen Mitgliedern fast ausschließlich um Italiener handelt, komme ich bald zu dem Schluss, dass es sich um eine mafiöse Verbindung handeln muss. Als ich meinen Verdacht laut äußere, antwortete er: „Ich weiß, du bist ein kluges Mädchen.“ Ich bin entsetzt, geradezu entrüstet. Angst beschleicht mich. Ich verliere die Beherrschung. Mit solchen Menschen will ich nichts zu tun haben, darum stelle ich ihn vor die Wahl: „Die Mafia oder ich.“

      Ich bin ein äußerst wahrheitsliebender Mensch mit festen Prinzipien, der sein Geld immer auf ehrliche Art verdient hat. So etwas kommt für mich nicht in Frage, da gibt es nichts zu überlegen. Lug, Betrug, gar noch schwerere Vergehen sind mir fremd, passen nicht in meine Gedankenwelt, geschweige in mein Leben. Andere Menschen zu hintergehen, ist für mich unvorstellbar. Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit, damit kann ich etwas anfangen, das bin ich. Peter zeigt sich bei meinem Ausbruch total zerknirscht und ratlos.

      Er ist schließlich kein einfaches, kleines Licht in dieser Organisation und kommt da nicht so raus, wie aus einem Kegelclub. Die meisten, die solch einen Versuch wagen, bezahlen mit ihrem Leben. Sein Pate Pauliano, dem er vor einiger Zeit in einer spektakulären Aktion das Leben gerettet hatte, sieht in ihm den zukünftigen Schwiegersohn und Ehemann seiner Tochter Ricarda. Es ist eine ganz besondere Geste, nicht nur, dass man einen Deutschen in der Organisation duldet, die Verbindung mit seiner Tochter macht Peter zum Familienmitglied, das ist eine einzigartige Auszeichnung. Gegen ein kleines Abenteuer mit einer Deutschen Frau, eine unbedeutende Lapalie, hat Pauliano nichts einzuwenden, jedoch eine feste Verbindung mit mir wird er nie akzeptieren.

      Peter verspricht, den Paten in einem ernsthaften Gespräch umzustimmen, sich gar mit einer großen Summer freizukaufen. Er hofft auf Verständnis und Paulianos Entgegenkommen, da er mit mir die Liebe seines Lebens gefunden hat.Mich beschleicht ein unheimliches Gefühl. Ich habe Angst, panische Angst um Peter, um mich, unser Leben, unsere gemeinsame Zukunft. Zum ersten Mal in der Zeit mit ihm weine ich. Diesmal nicht vor Glück, sondern aus purer Verzweiflung. Unsere Lage ist so hoffnungslos. „Mafia,“ um Gottes Willen, in was bin ich da geraten? Wie sollen wir da herauskomme? Peter versucht mich zu beruhigen, Pauliano schon am nächsten Tag um die für uns so entscheidende Unterredung zu bitten. Diese Gespräche führt er nicht von unserem Telefonanschluß, sondern aus einer Telefonzelle, um die Gefahr abgehört zu werden, auszuschließen.

      Beschwingt und guter Laune, mit guten Nachrichten kommt er nach kurzer Zeit zurück. Pauliano hat für einen der nächsten Abende seinen Besuch zugesagt. Auf den Tag genau festlegen kann er sich nicht, da ihn dringende Geschäfte in Italien aufhalten. „Vielleicht bringt er sogar Nicola, seinen Stellvertreter, einen mir sehr wohl gesonnenen Bruder mit, der sicher ein gutes Wort für uns einlegt. Auf seine Meinung hält Pauliano große Stücke. Du wirst sehen, Hase, wir finden schon eine allseits befriedigende Lösung. Wenn sie mein Mädchen erst mal kennen gelernt haben, können sie sich gar nicht gegen uns entscheiden,“ bei diesen Worten strahlt er mich überzeugend, mit einem Augenzwinkern an. „Ich werde was Tolles kochen. Pauliano ist ein Feinschmecker. Mit einem guten Essen kann ich ihn sicher friedlich stimmen. Natürlich wird es nicht einfach sein, für mich einen adäquaten Ersatz zu finden. Ich bin sein Mann für ganz besonders delikaten Aufträge. Den Job bei Dr. Marescou übe ich doch nur zur Tarnung aus. Nun habe ich dir schon fast zu viel anvertraut. Das hat mit Misstrauen nichts zu tun. Je weniger du weißt, umso sicherer für dich.“ Liebevoll sieht er mich an, „ich weiß doch, mein Mädchen ist verschwiegen.“

      (Nie nennt er mich bei meinem Namen, benutzt immer die gleichen Kosewörter und das aus einem ganz simplen Grund. So läuft er keine Gefahr, sich bei anderen Frauen zu versprechen. )

      Für Januar hat er einen Skiurlaub in Österreich geplant. Peter brennt darauf, in seinem Urlaubsdomizil, einem Nobelhotel im Defreggental seine zukünftige Frau vorzustellen. „Die werden Augen machen. Du musst wissen, ich bin fast so etwas, wie der Sohn des Hauses.“ Den Urlaub verschieben wir wegen Paulianos Besuch, der geht vor, ist lebensnotwendig für uns.

      Endlich ist es so weit. Morgen Abend kommt der große Boss. Für das geplante Essen kauft Peter ein wie ein Weltmeister. Zutaten, Getränke , alles vom Feinsten. „Was ziehst du an Liebling? Bitte mach dich ganz besonders chic.“ Wir sind mit den Vorbereitungen früh fertig und warten gespannt und aufgeregt auf unseren Besuch. Der lässt auf sich warten. Je später es wird, je unruhiger wird Peter. Schließlich hält es ihn nicht länger in der Wohnung. „Ich gehe telefonieren,“ mit den Worten stürmt er aus der Tür. Ganz niedergeschlagen kommt er mit der Nachricht zurück: „Pauliano ist durch nicht vorhersehbare Ereignisse aufgehalten worden, kann den Termin mit uns nicht einhalten. Sein Besuch ist nur aufgeschoben.“ Wir essen drei Tage Kaninchenragout!

      Das ereignet sich in der letzten Januar-Woche. Nichts wird aus dem Skiurlaub. Wir sollen uns für den nächsten Besuchstermin auf Abruf bereit halten.

      (Pauliano existiert nur in Peters Phantasie, darum werde ich ihn nie kennen lernen.)

      Am 04. Februar 2002 ruft Peter aus der Praxis an. Er hat einen wichtigen Auftrag in Hamburg und will mich unbedingt an seiner Seite haben. „Pauliano muss einsehen, dass ohne dich nichts mehr geht. Bitte, Liebling, packe nicht nur Wintergarderobe ein. Ich habe vor, nach Auftragserledigung mit dir in die Türkei zu fliegen. Du musst endlich meine zweite Heimat kennen lernen. Wenn du siehst, was ich mir dort in diesem wunderschönen Land mit seinen freundlichen, warmherzigen Menschen aufgebaut habe, wirst du stolz auf mich sein. Du weißt, Jan ist sehr daran interessiert, mein Ärztehaus zu kaufen. Vielleicht gelingt es mir jetzt schon alles abzuwickeln und eine größere Summe locker zu machen. Außerdem plane ich noch einen Abstecher in die Schweiz, du musst verfügungsberechtigt über meine Konten sein und Zugang zu dem Schließfach haben, in dem erhebliche Wertsachen und ein diplomierter türk. Pass lagern. Meine zukünftige Frau soll gut versorgt sein. In Hamburg lassen wir Fotos von dir machen, sodass du auch einen türk. Ausweis bekommst. Beziehungen, Beziehungen. Du siehst, die Organisation kann uns auch dienlich sein. Und Hase, dann bekommst du endlich dein Geld zurück, natürlich mit einer dicken Wiedergutmachung für alles, was du bisher für mich getan hast, lass dich überraschen! Der Notartermin für den Wohnungskauf rückt immer näher.