Paracelsus. Erwin Guido Kolbenheyer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Erwin Guido Kolbenheyer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748520993
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      Theophrast schwieg.

      „So uf einmal Regen und Wind an dich gefalln, möchts och der Dunnerschlag gewest sin?“

      Theophrast sah ein, daß er nie auf solch einen günstigen Gedanken gekommen wäre. Er stand mit gerunzelter Stirn vor der Mutter, blinzelte sie keck an, denn er meinte, die ärgste Gefahr sei nun vorüber.

      „Als möchts der Dunnerschlag gewest sin, Mammeli.“

      „Dann solltu och ein letzt Ohngewitter guet bestahn“, rief die Mutter und spannte die Höslein.

      „Holt in, Mammeli, sie hänt mich allweg!“

      „Du host diner Mutter ein Luog geben!“

      Da brach es schluchzend aus ihm:

      „Nu ist das seidin Fazenettli verton, und die Haller sänd hin! Du sollt darumb nit klagen, dann sie hänt ein Fähnli darvon gmacht, das wehet im Wind, und hänt guet Böckli kouft, die schmeckend ihn’n sehre.“

      Weil nun Eis Ochsnerin sah, er wolle sie trösten, hielt sie wirklich ein, hob ihn auf den Tisch und erforschte sein Mißgeschick. So kam alles an den Tag.

      Die Mutter wußte nun, daß er schwer hatte kämpfen müssen.

      „Du bist ein Tippei überalle und loßt dir von eim Maideli stehln. Du sollt dich schämen. Kumm, so wird din Kleid nimmer trucken. Du muoßt untern Kolter, ufdaß du dich besinnest uf dine Torheit.“

      Theophrast stieg an der Mutter Hand die Treppen hinauf. Ihm war so leicht und frei zu Mut, daß er hätte singen und schreien mögen. Sie war gut, sie war viel besser als alle andern, sie hatte ihn nicht geschlagen, und ihm waren doch das Fazenettli und die Haller gestohlen worden! Sie wußte alles und er brauchte nicht mehr daran zu denken.

      Als er entkleidet war und unter der Decke steckte, breitete er, da sie mit dem nassen Gewände in die Küche wollte, seine Arme nach ihr aus und hielt sie.

      „Mammeli, so einer ist ein Tippei und allso ringmüetig, muoß er unterm Kolter stecken bliben und darf nit usschlupfen und nit ein Bein regen. Und muoß diner wartin.“

      „Nu louft dirs Moul über! Der heilig Brunn möcbt dir kein Leids nit ton haben, und ich will bitten, daß du gstundist unter dem rechten Strahl und Gott dich erlücht.“

      „Es möcht wohl der recht Strahl gewest sin, Mammeli, dann er ist mir an die Hout gfahrn.“

      Die Mutter ging, und Theophrast lag regungslos unter dem Kolter. Er dachte an Mutter und Vater, an all die Seinen im Ochsnerhause. Nie noch war ihm so friedvoll und sicher zu Mut gewesen.

      Sing deinen Zauberreim, Blut, der fest macht und beständig vor dem Gemeinen! Sing dein Lied, das einzige Schlummerlied der kämpfenden Seele, die an ihren Grenzen wund geworden ist! Deine Welle führt den Trost von hundert bestandenen Fehden mit, weither, hundert Geschlechter weit. Keine Kraft war an dir verschwendet. Sing dein Lied, du reifes Blut, Blut der letzten Wellen, die am lautesten, schönsten singen! Bombastblut, sing, singe, du bist alt geworden und also mündig!

      Während Theophrast gereinigten Herzens unter dem Kolter lag und diesem seltsamsten Liede lauschte, war sein Vater in die Küche gekommen, wo die Mutter das durchnäßte Gewand am Ofenreck aufgehangen hatte. Herr Wilhelm warf seine Tasche auf den Tisch, daß es klirrte. Die Mutter sah fragend hin, der Mann ging zornblaß auf und nieder. Frau Eis wußte: sie durfte jetzt nicht gehen, ohne ihn gehört zu haben, sie durfte aber auch nicht fragen, sondern hatte ruhig irgend etwas zu schaffen, das nicht zu laut und nicht zu leise wäre, als sei alles in guter Ordnung. Sie zog an den trocknenden Kleidungsstücken, daß sie nicht schrumpften, maß Hirse in den Breikessel, goß Milch und Wasser dazu, legte die Glut frei und schob harziges Spanholz von allen Seiten auf das rote Häufchen. Bald flackerte es unter leisem Knistern. Zum Glück begann Bombast, denn sie war fertig.

      „Nu ist mir sine Gnaden guet entfahrn, Graf Eitelhans zu Barbi uf Brunsberg und Biberlingen, daß ihn der Tuifel schänd! Der hat mir zwenzig Guldin verheißen, so ich ihn von sinem Grimmen erledig, und ich hab min oleum glesi drufgesatzt bis uf den letzten Tropf. Nu ist er entwischt. Der Wirt vom Pfauen hat ihm noch ein silbrin Wehrgehäng verpfändt. – Er lässet mir ein günstigen Grueß bstelln, und ich sollet nit murren, dann er wollet bi günstiger Gelegenheit mir nit zwenzig, sundern an fünfundzwenzig Guldin schicken. Do sulln wir satt sin von siner gräflichen Gnaden! Und ich muoß uf Zürch, so guet es will gohn, daß ich ein Bernstein kouf und mir ein nüs oleum destillier. – Ei Frou, zu dreien Malen bin ich Tag vor Tag bi dem Gauchen gewest, hab ihn purgiert und die Ader gelassen. Hab ihn ouf die Füeß gestellt, dann er ist allbereits übel gelegen. Und ist ihme ein Stein abgangen als ein Nuß groß. – Eis, gib ein Trunk und Bissen, daß sich mine Gail nit verschlägt. Ich will froh sin, dann diese Tag sänd umb.“

      Eis war flink mit Trunk und Imbiß bereit, und Herr Wilhelm meinte, indem er kaute:

      „Do sänd wir um ein Merkliches geschmäleret von dem Gouchen.“

      „Laß guet sin, Bombast.“

      Eis streifte wieder die Kleider des Kindes aus, und der Vater fragte, da er fast sein ganzes Frästeli am Ofenreck hängen sah. Sie erzählte ihm das Abenteuer.

      Bombast saß auf der Bank, eine Falte zerschnitt seine Stirn zwischen den Brauen, da seine Eheliebste meinte:

      „Mir ist nit allerweg heimelich bi dem Kind. Er fraget viel und er luogt ohnbedacht. Ich kunnt nit glouben, daß es mit dem Männli am Orgelchor menschlich sije gewest. Es ist ein heiliger Ort, do solltu nit din Kopf schüttlen. Es kunnt ein Wunder geben, ohn daß einer des gewahret.“

      Sie strich verlegen über ihr schlichtes Haar hin und bekräftigte: „Und ist desglichen unter dem heiligen Brunnenstrahl trieben worden. Meinest, dem Bübli sije dasselbig us ihme selbs zuogfallin? Ich gloubs nit. Es war der heilig Strahl! Unser Frästeli ist sunderlich, mir banget umb sinetwillen.“

      Sie rührte im Kessel und wagte nicht recht zu ihrem Gatten hinüberzusehen, denn sie offenbarte des Herzens Heimlichkeit nicht gerne, kaum vor dem eigenen Gewissen. Sie war im tiefsten Wesen keusch und jungfräulich. Der Mann befremdete sie und scheuchte sie in sich zurück. Nur ein drückendes Bangen brachte die Worte über ihre Lippen, denn sie erkannte in dem Kinde bereits den Mann. Aber sie hätte auch diese Bangigkeit allein getragen, wenn nicht Bombast auf anderes Sinnen hätte abgelenkt werden müssen und – wenn er nicht seines Zornmutes entladen gewesen wäre. Denn Herr Wilhelm konnte aus der Enge seines Alltags zuweilen gewaltig aufbrüllen, so besonnen und schwergemut er sonst blieb.

      Als sie ihn kennen lernte, war er der Fremde überdrüssig und hatte sich die Ruhe des Ochsnerhauses und das gesicherte Leben voll Behagen durch den Leib blühen lassen. Aber nun erschreckte er sie manchmal mit einem Ungestüm, das sie nicht fassen konnte. Nahm er sie dann in seine Arme, preßte er sie und liebkoste sie so wild, als sei er ein Jüngling, wagte sie kaum den Drang zu erwidern und glaubte beinahe, er wollte ihr auch mit seiner Liebe ein Leides tun.

      Herr Wilhelm sah finster drein. Er war zu oft durch die Sternnacht geritten. Auch er wußte, daß jene funkelnden Gewalten mit bildender Influenz den Menschenleib durchdrängen, aber er fühlte, daß sie die äußersten Maschen und Knoten seien, darin eines Menschen Leben befangen ist. Der große Gott, dem ein Sternhaufe kaum des Schöpferwinkes wert war, konnte keinen Engel gesendet haben, um das Frästeli zu bewahren. Aber Bombast ließ der frommen Mutter den Glauben unbenagt von Worten, er hielt ihn für einen Trost. Denn er sah, daß ihr der Sohn entwuchs.

      Wilhelm Bombast meinte nur:

      „Das seh ich wohl, er fallt in dieselb Beschwer dann ich, do ich jung war und ein Kind. Er findt kein Gefährten nit. Und sie wollend ihn nit. Schlahend und schätzen ihn, solang er ist schwach und kann sines Leibs ihrer nit erwehrn. Die Menschen sänd als das Viehe. Was nit alle Siegil und Märk ihrer Art treit öffentlich, das wollend sie erstoßen und zertreten oder sie fliehends als die Pest, und brächt einer das bluetend Herz dar. Ihm müessend die Zeichen manglen der Herd. Wohl dir und wehe, du kleiner Mann! Allein – wirdu allerweg din Muotterle han, so dir dine nassen Kleider wird trücknen?“

      Es