Mitternachtswende. Melanie Ruschmeyer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Melanie Ruschmeyer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738044980
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hier konnte sie dem Schauspiel gut folgen, denn die Tür stand offen. Dadurch hörte sie Li die Kellertreppe herauf eilen.

      ››Das ist doch jetzt wohl nicht dein ernst?!‹‹, schrie er leicht wütend. ››Ich hab sie erst vor vier Tagen komplett auffüllen lassen! Ich dreh durch!‹‹

      Seine Augen bohrten sich in Carlas Rücken und sie verzog schmollend die Lippen. Ihre Schallwellen empfingen seine negativen Schwingungen und warfen sie auf sie zurück wie kleine Stromschläge.

      Wutentbrannt stampfte Li auf die Veranda und hielt ihr das Telefon hin. ››Wenn du schon säufst wie ein Loch, kannst du dich wenigstens dazu herablassen, selbst Nachschub zu ordern! Ich hab es satt immer erst anzurufen, wenn es schon zu spät ist. Du hast es doch mitbekommen, oder? Es brauch seine Zeit bis er uns beliefern kann. Wir sind schließlich nicht seine einzigen Kunden.‹‹

      Carla presste die Lippen aufeinander und zog das Kinn nach unten. Schmollend fixierte sie ihn und wagte nichts zu sagen.

      ››Lass gut sein, Li, ich mach das schon.‹‹ Celest kam den Flur entlang, gefolgt von ihrer Schwester. Es war nur ein kurzer Blick der beiden Frauen, den sie wechselten und man wusste, dass sie eine Konversation auf einer ganz anderen Ebene eingingen. Sie tauschten bloße Gedanken aus, die niemand sonst verstehen konnte.

      Grayson kratzte sich am Kopf und fühlte sich zusehends fehl am Platz.

      Li glaubte nicht, was er da hörte. Im Gegensatz zum farbigen Vampir macht er seiner Wut Luft. ››Wieso willst du das übernehmen?‹‹

      ››Sarah ist sehr zerrissen von ihren Gefühlen. Bitte sei nicht so unfreundlich zu ihr.‹‹

      Elest nickte zustimmend bei der Aussage ihrer Schwester und machte eine traurige Miene. Li jedoch war fassungslos, er schnaubte und setzte immer wieder neu an, etwas zu sagen. Doch dann wurde der Ausdruck in Celests Gesicht starr und fordernd, sie duldete keine Widerworte. Demonstrativ hielt sie ihm ihre Hand hin und wartete auf das Telefon.

      Der ehemalige Samurai wechselte fragend den Blick zwischen ihr, Carla und Gray. ››Es ist eine Sache, Schmerzen zu erleiden, doch dies dann arrogant und zickig an seinen Freunden auszulassen, eine ganz andere. Mir will nicht in den Sinn, warum ihr das unterstützt!?‹‹, sagte er und wandte sich dann Grayson zu, ››Komm, Gray, ich hab mich in Marcs Spielserver gehackt, lass ihn uns einmal so richtig abzocken.‹‹

      Das war wie Musik in Graysons Ohren und er grinste breit. ››Das klingt ganz nach meinem Geschmack!‹‹

      Das Telefon wanderte von Li zu Celest. Er drückte es ihr mit einer solchen Wucht in die Hand, dass ihr Arm die Kraft abfedern musste.

      Während die beiden Männer das Wohnzimmer verließen und er Gray freundschaftlich auf die Schulter schlug, warf die Hausherrin noch, ohne sich zu ihm umzudrehen, ein: ››Wir wollen morgen Weihnachtseinkäufe erledigen. Bitte sag Josephine Bescheid.‹‹

      Li linste über die Schulter und nickte nur, dann verschwand er mit Gray im Keller. Laut knallte die Tür in das Schloss.

      Indessen rief Celest beim Lieferanten an und ihre Schwester trat an das Fenster hinter der Verandaschaukel. Carlas Schallwellen ertasteten ihre Anwesenheit, doch sie schämte sich zu sehr, als dass sie sich bei ihr oder ihrer Schwester bedanken konnte. Warum traute sie sich nur nicht selbst bei dem Lieferanten anzurufen? Hatte sie Angst abgewiesen zu werden, oder war es wirklich nur ihre Sturheit, wie sie oftmals glaubte? Oder war es gar ihr Stolz, der ihr im Weg stand? Oder wollte sie etwa nicht wahrhaben, dass sie ein Loch war, wie es Li so nett umschrieben hatte?

      Stimmte etwas mit ihr nicht? Tranken die anderen wirklich weniger, als sie? Carla konnte sich das nicht vorstellen...

      Ein verschlucktes Wort

      Es war ein herrlicher Tag. Auch wenn der Wind kalt über das Land blies und die Menschen sich unter ihrer dicken Kleidung verstecken mussten, war der Anblick wunderschön.

      San Francisco war in ein Lichtermeer getaucht worden. Bunte Farben überschwemmten die Metropole wie ein Tuch in abertausend verschiedenen Farben. Weihnachtslieder drangen aus allen Geschäften und stimmten auf die schönste Zeit des Winters ein. Kleine Kinder zerrten an den Armen ihrer Eltern und wollten sie zu den unterschiedlichsten Schaufenstern ziehen, um ihnen zu sagen, was sie sich genau vom Weihnachtsmann wünschten.

      Es war die Zeit der Freude, des Duftes, der sich markant durch die Straßen schlängelte, aber auch die Zeit der langen Warteschlangen und der überfüllten Kaufhäuser.

      Josy hasste das. Obgleich sie liebte ihren Kleiderschrank stets neu zu befüllen, war ihr dieser Andrang immer zu wider gewesen.

      ››Oh man‹‹, maulte sie, als sie die lange Schlange an der Kasse bemerkte und schmollte. Celest und Elest standen hinter ihr und musterten ein paar Frauen, die sich gerade über heruntergesetzte Unterwäsche her machten. Wie Aasgeier fixierten sie die Ware und suchten vergebens nach ihren Übergrößen.

      Celest hob eine Braue und blinzelte. Ihre Schwester antwortete mit einem nicken.

      Das Warten wurde für Josy unerträglich. Sie wollte doch nur ihren neuen Mantel bezahlen, sonst nichts weiter. Die Geschenke waren bereits allesamt besorgt und befanden sich in den vielen Tragetaschen der drei Frauen. Wäre sie doch nicht an diesem Schaufenster vorbeigegangen und hätte ihn gesehen. Diesen wunderschönen, weinroten, figurbetonten Mantel, den sie schon immer haben wollte! Gut, sicherlich besaß sie schon einen, aber nicht diesen, der über ihrem Arm hing!

      Nach gefühlten fünf Stunden traten die Frauen aus dem Kaufhaus und Josy atmete tief durch. Wäre nicht ein tranartiger Parfümerieduft in der Luft, hätte diese Geste sogar gut tun können. ››Oh mein Gott!‹‹, war das einzige, was ihr dazu einfiel. ››Bitte lasst uns beim nächsten Mal eher losgehen und Geschenke kaufen. Wie wäre es mit Juli?‹‹

      Celest begann zu kichern und zupfte sich eine Strähne aus dem Gesicht. ››Irgendwie sagst du das jedes Jahr, aber dann bist du die Person, die sich drückt!‹‹

      Josephine zog einen Schmollmund. ››Hallo? Sieh dir doch diese Meute von Verrückten an! Ist das da ein Wunder?!‹‹

      Elest zuckte mit den Schultern und machte ein paar Gestiken mit ihren Händen, die ihre Schwester übersetzte: ››Wir können froh sein, dass wir überhaupt wieder hier zusammen einkaufen gehen können. Letztes Jahr um diese Zeit warst du in Gefangenschaft bei den Maguire. Vergiss das nicht.‹‹

      ››Mag sein.‹‹ Plötzlich verzerrten sich Josys Mundwinkel nach unten und ihre Augen wurden von Traurigkeit erfüllt. Sie dachte nur ungern an diese Zeit, war sie doch so lange von Li getrennt gewesen. Mitfühlend zog Elest ihren Wangenknochen nach. Dabei rutschen die vielen Taschen in ihre Armbeuge.

      ››Du bist wütend auf sie‹‹, drang es aus Celests Mund und Josy schaute verdutzt auf.

      ››Was meinst du?‹‹

      Da sich unzählige Menschen an ihnen vorbei drängten, sie anrempelten und der Parfümduft einer nahegelegenen Parfümerie alle drei fast in den Wahnsinn trieb, suchten sie einen Ausweg. Celest legte den Kopf schief und deutete auf eine Nebengasse, in der nur wenig Passanten entlang gingen. Zwischen den Wänden der hohen Gebäude verklangen die Geräusche und drangen nur noch dumpf und wie durch Watte an sie heran. Zwar konnten sie ihre Instinkte und die damit verbundene Schärfe ihres Gehörs nicht vollends betäuben, aber es war weitaus besser zu ertragen.

      Der unebene Untergrund war nass und kleine Steinchen knirschten unter ihren Schuhsohlen.

      ››Weißt du, meine Liebe, jeder nimmt Probleme und Schmerz anders auf. Der eine frisst sie in sich hinein und will niemanden damit in Mitleidenschaft ziehen, oder möchte, dass man diesen Schmerz bemerkt. Andere wiederum, werden zornig und unfreundlich. Dann gibt es aber auch noch die, die andere für ihr Leiden verantwortlich machen. Und sogar jene, die sich komplett verändern; gar ein anderer Mensch, oder‹‹, sie räusperte sich, da gerade ein Mensch