Mitternachtswende. Melanie Ruschmeyer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Melanie Ruschmeyer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738044980
Скачать книгу
weiteren Tippen zum Schweigen gebracht. ››Ich?! Oh, du kleines,... fieses...‹‹

      ››Hey, was ist hier schon wieder los?‹‹ Li trat aus der Kellertür heraus und wischte sich die dreckigen Hände an einem Putztuch ab. Mit ihm dran ein beißender Geruch von Terpentin in das Wohnzimmer ein. Schlagartig traf er Carlas empfindliche Nase und sie musste mehrere Male tief schlucken, um den Geschmack von der Zunge zu bekommen. Ihr wurde urplötzlich schlecht davon.

      Carla presste die Lippen aufeinander und blickte zwiespältig in seine Richtung. Zum einen war sie froh um diese Unterbrechung, zum anderen, hätte sie diese Auseinandersetzung gerne mit Josy ausgefochten. Sie hatte einen intensiven Drang gegen sie zu gewinnen.

      Trotzdem verschlag es ihr gerade in diesem Moment den Atem, denn der Geruch war so penetrant und allgegenwärtig, als würde er sie einhüllen und nicht mehr gehen lassen. Die Galle bahnte sich einen Weg die Speiseröhre empor. Prompt hielt Carla eine Hand von den Mund.

      ››Mein Gott, wie zwei Streithähne in einem Stall. Werdet mal erwachsen!‹‹ Li schien es allmählich satt zu haben. Zornig flammten seine roten Augen auf.

      Verärgert wandte Josy sich ihm zu. ››Willst du diese … dieses … argh! Willst du die auch noch verteidigen?!‹‹

      Carla fielen die Lider halb über das Auge und sie drehte sich weg. Sollte sie sich mit ihrem Mann weiter streiten. Diese Angelegenheit ging sie nichts mehr an und es lag keinerlei Versuchung darin, ihr beizuwohnen. Leise und flink huschte sie durch die Verandatür nach draußen und entkam dem Gestank und ihrer Kontrahentin.

      Der salzige Wind griff ihr in das Haar und sie atmete erleichtert aus. Die Lungen wurden frei gespült. Ihre Nasenlöcher hörten auf zu brennen.

      Widerlicher Geruch, wie konnte Li ihn nur aushalten? Es war eine Sache Geräusche unter Kontrolle zu wissen, aber eine ganz andere Gerüchen auszuweichen. Sie fanden Carla überall. Egal was sie tat, davor war sie nie gefeit. Diese Gabe musste sie wohl erst noch erlernen.

      Eines war sie sich jedoch sicher: Irgendjemand würde den Vorrat auffüllen, so war es immer. Schließlich war sie nicht die Einzige, die diese Flüssigkeit brauchte. Zugegeben, sie nutzte diese Tatsache schamlos aus, aber das war ihr egal.

      Schnell nahm sie die wenigen Stufen zum Strand und ließ die Schaukel auf der Veranda und das große Haus hinter sich.

      Die Möwen schrien ihr entgegen, während sie sich dem großen Garten zuwandte. Der Rosenbogen mit seinen weißen Blüten rief einladend nach ihr. Diese Oase hatte etwas Besonderes; etwas Lebendiges, was Carla einfach nicht beschreiben konnte. Fast so, wie eine andere Welt. Die Bäume, Sträucher und Blumen in diesem Garten schienen Gefühle zu haben. Auch wenn sie es noch nie selbst bemerkt hatte, war es ihr doch nicht entgangen. Sie zogen sich zu Celest hin. Wie die Quelle ihres Lebens bogen sie sich ab und an in ihre Richtung. Als sei sie die Sonne; ihr Licht. Alle Pflanzen buhlten um eine Berührung ihrer schlangen Händen. Die Hausherrin sprach mit ihnen, das war Carla oft aufgefallen.

      Langsam ging sie auf den Bogen zu und dachte über die Vampirälteste nach. Wahrscheinlich war diese Idylle ein Zufluchtsort für sie, den sie so gestalten konnte, wie sie es sich wünschte. Diese Frau hatte viel durchgemacht, hatte ihr Augenlicht durch ihren Seelenbiss verloren und litt jeden Tag unter dem Verlust ihres Liebsten.

      Carla wollte gerade durch den Rosenbogen schreiten, als die schlanke, zerbrechliche Celest ihr entgegentrat. Wie, als haben ihre Pflanzen sie vor ihr geheimgehalten, trat sie aus dem Nichts hervor.

      Ihre gewellten, hellbraunen Haare wurden vom Wind erfasst und streichelten ihre Figur. Vor dieser Frau hatte Carla Angst und zugleich unglaublichen Respekt. Was hinter diesem schwarzen Tuch, welches ihre Augen verbarg, verborgen lag, das wusste sie nicht. Ein Gedanke allerdings war allgegenwärtig: Diese Frau durfte sie niemals berühren! Carla wusste um ihre Gabe, Dinge bei der Berührung zu sehen und zu fühlen, die die andere Person empfand. Und so hatte sie Angst, sich zu verraten. Dieser Vampir durfte einfach nicht erfahren, dass sie nicht die war, für die sie alle hielten!

      ››Und schon wieder, wenn du mich siehst, ist deine Aura mit Angst erfüllt‹‹, gab sie traurig und bedacht von sich. ››Was ist nur los mit dir?‹‹ Sie wollte ihre Wange mütterlich berühren, doch Carla entzog sich ihrer Nähe.

      ››Nein, so ist es nicht‹‹, versuchte sie ihr glauben zu machen und trat ein paar Schritte zurück.

      Celest schien die Lüge in ihren Worten gespürt zu haben, denn sie schaute traurig drein. Während sie behutsam die Hände faltete, griff eine Ranke nach ihrer nackten Schulter. Das Kleid, welches sie trug, war so blau wie das Meer und so lang, dass es den Boden berührte. ››Ich will dich nicht bedrängen, Sarah, aber willst du mir nicht verraten, was mit dir los ist? Du bist so … anders, seitdem du zurück bist. Liegt es vielleicht an … an deinem Verlust?‹‹

      Die Hausherrin war besorgt um sie, daran bestand kein Zweifel. Sie wollte ihr zuhören und sich um sie kümmern, was Carla auch sehr zu schätzen wusste. Aber dies stellte ein enormes Risiko für sie dar. Im Gegensatz zu allen anderen war sie gütig und liebevoll. Sie wusste wohl am Besten, was es hieß lange von ihrem Keith getrennt zu sein. Wollte sie sich deshalb so sehr um Carla kümmern?

      Plötzlich stieg der Zorn in ihr auf. Wie heißer Dampf füllte er ihren kompletten Körper aus und griff auf ihren Verstand zu. Nein, Celest wollte nicht ihr zuhören, sondern Sarah. Keiner hier wollte sie in seiner Nähe haben. Alle wollten sie nur ihre spießige Sarah zurück.

      ››Ich brauche Alexander nicht. Soll er doch bei seinen Verwandten bleiben, das ist mir doch egal!‹‹, versuchte Carla energisch das Gespräch zum Erliegen zu bringen.

      Celest schüttelte mit dem Kopf und tat einen Schritt auf sie zu. ››So etwas darfst du nicht sagen, das wühlt dich nur noch mehr auf. Wenn du das Schicksal akzeptierst, wird es etwas leichter. … Etwas erträglicher.‹‹

      Diese Unterhaltung wurde ihr zu wider und Carla gab sich ihrer Wut hin. Schnell wie ein Blitz drehte sie sich um und rannte davon.

      Der Sand unter ihren Sohlen wurde in großen Wolken aufgewirbelt und es kam ihr fast so vor, als wenn er ihre Gefühle widerspiegelte. Wie ein Sandsturm wirbelten die Körner umher.

      Eigentlich hasste sie sich selbst dafür. Sie wollte nicht so sein; stets zornig. Im nächsten Moment packte sie schließlich doch die Reue für ihre gewählten Worte. So war es immer. Doch aus irgendeinem Grund konnte sie nicht anders. Alles wurde ihr in diesen Augenblicken zu viel. Es drohte aus ihr herauszuplatzen; sie zu übermannen und zu überwältigen. Auch wenn sie das Leben lieben gelernt hatte, war es dennoch schwer für sie. Einfach ungewohnt.

      Sie rannte so schnell sie konnte. Das Meer drückte sich über den Sand und färbte ihn dunkel. Mit einem schnellen Sprung schnappte sie nach ihren Schuhen und zog sie aus. Sie wollte das Nass und die Sandkörner unter ihren Füßen spüren.

      Ungewollt wurde sie dadurch langsamer und gab sich der Massage des Sandes hin. Die Worte von Celest hallten noch immer in ihr wider. Carla musste sich eingestehen, dass sie froh darüber war, dass der Seelenbiss sie nicht plagte. Sarah gab sich für ihn auf und so reichten seine brutalen Fangarme nicht an sie heran. So machte es jedenfalls den Anschein. Bisher blieb sie von den Wahnvorstellungen verschont und hofft auch sehr, dass es so blieb. Ihre Gefühle verfrachteten sie viel zu oft in eine Achterbahn, die sie durchschüttelte und drohte aus den Eisen zu reißen.

      Zwei Tage später lag Carla im modischen Bikini auf ihrer Sonnenliege. Die helle Scheibe strahlte so intensiv, wie lange nicht mehr und wollte dem Spätherbst in einen Sommertag verwandeln. Carla seufzte erleichtert. Die Wärme durchströmte sie; überflutete jede Zelle und brachte ein Gefühl von unglaublicher Zufriedenheit mit sich. Neben sich auf dem Boden des Rundbalkons hatte sie sich bereits ein großes Weinglas mit roter Flüssigkeit bereit gestellt. Nichts sollte diese Stunden trüben; nicht einmal der Gang zum Vorratsraum. Während die Möwen ihr alltägliches Lied krähten und im Einklang mit den Vögeln aus dem nahen Wald einstimmten, streckte sie sich.

      Carla hatte ihre Augen unter der Sonnenbrille geschlossen und nahm all