The Money Clan. Karl Nee. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl Nee
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742718891
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das Taxi in den Hauptverkehr ein. Durch die Heckscheibe rückte der Hotelkomplex in weite Ferne. Sie war vollends erschöpft. Ohne Deckel ruhte die Schachtel, gefüllt mit alten Briefen und Fotos auf ihrem Schoss. Die Druckstellen an ihrem Hals schwollen an und pulsierten. Der Rhythmus des Herzschlags pochte in ihrem Kopf. Rufnummern hatte sie sich noch nie merken können. Über die gespeicherten Kontakte auf dem Handy scrollte sie zu Lucy. Buchstaben und Zahlen auf dem Tastenfeld des Displays wirkten unscharf. Am liebsten hätte sie sich auf der Rückbank hingelegt, so gerädert fühlte sie sich gerade. Stattdessen rief sie ihre Freundin zurück um ihr mitzuteilen, dass sie unterwegs zu ihr war. Das Taxi fuhr durch den stockenden Stadtverkehr. Lana dachte über den Riesen nach und darüber was Madeleine alles erzählt hatte. Heute Morgen als sie aufgestanden war befürchtete sie, es könnte wieder so ein Tag werden den sie mit Stellensuche, Wohnungssuche, Einsamkeit und Langeweile totschlagen müsse. Ihre Recherchen endeten bis anhin alle in Sackgassen. Aber nun war sie mitten ins Geschehen reingeschlittert. Früher war sie furchtlos und unerschrocken. Deswegen wurde sie Reporterin. Wenn sie die Sachen im Karton alle durchging, kam vielleicht noch mehr zum Vorschein mit dem sie etwas anfangen konnte. Lana blieb unschlüssig ob sie Madeleine vertrauen konnte. Zweifel überkamen sie. Ohne handfeste Beweise machte es noch keinen Sinn zur Polizei zu gehen. Mit nicht ernst nehmen und abweisen hatte sie genug Erfahrungen gemacht. Es war frustrierend.

       «Du hast nur diese Videoaufzeichnung von schlechter Qualität. Womöglich ist es eine Fälschung. Du hast keine anderen stichhaltigen Beweismittel. Sie werden dir nicht glauben…»

      Lana erinnerte sich an Madeleines letzte Worte. «Die Wahrheit finden sie auf Lion House.»

      Kapitel 2 - Lion House

      Drei grosse schwarze Offroad Van fuhren zügig über die sandige, teilweise holprige Strasse. Der Boden war trocken und hinterliess eine lange Staubwolke hinter den Fahrzeugen. Im ersten Wagen sassen drei Bedienstete der Familie. Grace, die seit über fünf Jahren zuverlässig verschiedene Aufgaben für Greg Colemans Tochter Jessica Sanders erledigte, sie kannte die Strecke und fuhr den Van, die junge Maja die als Unterstützung für die demnächst in Rente gehende Haushälterin von Lion House Beatrice eingestellt worden war und auf dem Rücksitz hockte Lana King, mit anderer Haarfarbe und neuer Frisur. Ihr ist es tatsächlich gelungen mit falschen Zeugnissen und unter falschem Namen über eine Arbeitsvermittlungsagentur, die für die Sanders Personal rekrutiert, als Haushalts- und Küchenhilfe den Sommer über bei der Familie unterzukommen. Sie begab sich direkt in die Höhle des Löwen. Der Kofferraum war mit Proviant und Gepäck beladen. Im mittleren Wagen sass Jessica Sanders mit ihrer schönen Tochter Chloé auf der Rückbank. Das Radio lief leise im Hintergrund. Tobias, ihr Sohn lenkte das Gefährt. Er war ein leidenschaftlicher Fahrer und verzichtete wann immer möglich darauf sich von einem Chauffeur herumkutschieren zu lassen. Im letzten Wagen hockten zwei Sicherheitsbeamte die das restliche Gepäck mit sich fuhren. Der sportliche, gutaussehende, fünfunddreissig Jahre alte Daniel sass am Steuer. Seit einem Jahr war er der persönliche Assistent und Leibwächter, der manchmal etwas übertrieben vorsichtigen Jessica. Da er so unglaublich attraktiv war, verbreitete die Klatschpresse anfangs das Gerücht die Fünfzigjährige würde ihn auch für Liebesdienste bezahlen. Tatsache war jedoch, dass Jessica Privates und Geschäftliches schon immer strikt trennte. Die beiden verband also nichts weiter, als ein rein professionelles Arbeitsverhältnis. Sie bezahlte ihm nicht ein horrendes Honorar aufgrund seines äusseren, sondern wegen seiner Ausbildung, Verdienste im Militär und den eindrücklichen Referenzen die er vorzuweisen hatte. Daniel entsprach gewiss nicht dem Klischee eines Bodyguards, welcher frisch von der Sonnenbank und dem Fitnessstudio die Arbeit aufnahm, sondern er war ein Personenschützer, der mit Taktik, Strategie und Intelligenz agierte. Wie kaum sonst jemand genoss er Jessica Sanders absolutes Vertrauen.

      Daniels Beifahrer schwieg seit sie New York vor mehr als sechs Stunden verlassen hatten. Ihm war er unheimlich seit er ihn das erste Mal in Colemans Villa sah. Aber irgendwie musste er sich den Sommer über mit der Situation arrangieren, denn Jessica hatte darauf bestanden einen zweiten Bewacher auf Lion House mitzunehmen. Daniel drehte den Kopf nach rechts. Die Musik im Radio war zu leise und übertönte das Schnarchen und Röcheln nicht. Das narbige Gesicht war nach vorn gekippt, die Augen hatte er geschlossen. Am linken Mundwinkel hing Sabber. Naserümpfend wandte Daniel den Blick wieder geradeaus zur Strasse und dem Wagen vor ihnen. Adam Boyle hockte neben ihm. Vermutlich war er schon vor längerem eingenickt. Er arbeitete als Security für die nichtsahnende Familie. Nicht eine Sekunde lang stand er unter Verdacht nach Colemans Tod. Es gab keinerlei Indizien dafür, dass er auf irgendeine Weise in den Mord involviert war. Bei der Vernehmung hatte er auf alle Fragen der Ermittler eine Antwort parat. Adam hatte ausgesagt, dass er seinen Arbeitgeber und dessen Frau Madeleine mehrmals heftig streiten hörte. Mit falschen Aussagen und Infos versorgte er die Beamten. Damit untermauerte er Madeleines Mordmotiv. Keiner ahnte, dass Adam in Wahrheit für jemanden anderes arbeitete und im Auftrag Colemans Tod plante sowie durchführte. Seine unangenehme Ausdünstung nach Schweiss und Tabak verbreitete sich mit jedem Kilometer den sie fuhren stärker im Fahrzeug. Adam schlief und Daniel war froh darüber, so musste er mit ihm keine Konversation führen, wobei er da eh bezweifelte ob das überhaupt möglich war. Als sie vor der Abreise den Van beluden, fluchte Adam die ganze Zeit vor sich hin und kommandierte die anderen unfreundlich herum. Bis dahin kannte er ihn nur vom Sehen her.

      Chloé Sanders war es wegen der langen Fahrt übel geworden. Sie hielt sich eine Hand vor den Mund. Ihre sonst so vollen roten Lippen wirkten farblos und schmal.

      «Ich hasse es! Warum immer diese lange Fahrerei? Warum kann uns nicht der Hubschrauber auf Lion House absetzten?»

      Tobias hatte das bleiche Gesicht seiner Schwester schon vor längerem im Rückspiegel bemerkt. Einen kleinen Zwischenhalt um sich die Beine zu vertreten hatte sie vehement ausgeschlagen. So kannte er sie gar nicht. Er vermutete, dass sie verstimmt oder verärgert war, weil sie sich am Morgen vor der Abreise wieder einmal mit ihrer Mutter gestritten hatte.

      Tobias sprach seine Schwester an. «Du weisst ich fahre gerne. Und du weisst wie ängstlich Mutter ist mit dem Hubschrauber zu reisen.»

      Die Melodie im Radio wurde durch ein Rauschen verdrängt. Als auch kein anderer Sender mehr zu empfangen war, stellte ihn Tobias ab.

      «Wir sind schon im Radius des Magnetfeldes. Willkommen in der Abgeschiedenheit. Ab jetzt heisst es vier Wochen ohne Kommunikation zur Aussenwelt.»

      «Es wird die Hölle!» fügte er lachend hinzu.

      «Jetzt ist es nicht mehr weit.» Jessica wollte ihre Tochter beruhigen.

      Es war nie ein leichtes es Chloé recht machen zu können. In wichtigen und prägenden Jahren bei der Erziehung ihrer Kinder fand Jessica damals, wenn auch nicht ganz freiwillig, zu wenig Zeit. Auf den Privatschulen und unter den Fittichen des Grossvaters wurde sie zu sehr verhätschelt. Sie wuchs auf wie eine Prinzessin im Elfenbeinturm.

      Der Konvoi war noch etwa eine halbe Stunde vom Landsitz Lion House entfernt. Die Familie verbrachte hier schon früher den Sommer zusammen. In diesem Jahr ohne Gregory und seiner Frau. Da sich Jessica nicht mit Madeleine verstand verzichtete sie in den letzten Jahren auf den gemeinsamen Urlaub. Sie wollte keinen Streit provozieren. Abseits der Grossmetropole im Nirgendwo, Lion House war ein Paradies auf Erden. Gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts wurde das grosse Herrenhaus von Colemans Grossvater erbaut. Als Jessica ein Kind war liessen es ihre Eltern sanft renovieren. Bis heute erinnerte vieles an den Stil ihrer Mutter der den Umbau des Westflügels und die Innenausstattung von damals prägte. Der Palast war von einem riesigen Umschwung umgeben. Ein schöner gepflegter Garten mit vielen Blumen, saftig grünem Rasen und einem Springbrunnen gehörten mit dazu. Auf dem Grundstück gab es auch einen See auf den man mit einem Boot hinaus rudern konnte. Den ganzen August über konnte man sich von den Strapazen die ein Leben im Mittelpunkt der Gesellschaft mit sich brachten erholen. Man musste auf Lion House ohne jeglichen technischen Schnick Schnack auskommen, Handys und Computer funktionierten hier draussen nicht. Es gab keine lästigen Paparazzi, die wie in der Stadt überall auflauerten. Aktienkurse, strategische Entscheidungen, Fusionen, Expansionen, Entlassungen, alles was in elf Monaten eines Jahres Alltag war, liess man im August hinter sich. Gewiss