The Money Clan. Karl Nee. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl Nee
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742718891
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21:44 Uhr verschwand der Riese aus dem Zimmer. Die Kamera lief weiter. Ein Blick auf den Zeitbalken des Video Players zeigte, dass der Film immer noch etwas über fünf Minuten dauerte. Bis um 21:47 Uhr passierte nichts weiter. Lana erkannte wie sich eine Blutspur von der Leiche weg in Richtung der Kamera bewegte. Zeitlupenartig bannte sich die zähe Flüssigkeit, die in Schwarz-Weiss wie Schokoladencreme aussah, ihren Weg über das Parkett. Dann, plötzlich tauchte der Riese wieder im Bild auf. Er setzte sich hinter Gregs Arbeitstisch, riss eine Schublade nach der anderen aus den Führungen und entleerte deren Inhalt auf die Tischplatte. Hektisch durchwühlte er alles. Scheinbar erfolglos richtete er seine Aufmerksamkeit eine Minute später auf die beiden Bücherregale hinter dem Pult. Es war genau 21:49 Uhr als der Mörder zornig mit der Faust gegen die Arbeitsleuchte schlug. Die Lichtquelle war aus und Lana starrte auf den dunklen Monitor. Die Aufnahme stoppte schlussendlich um 21:50 Uhr. Sie griff sich ihr Handy und schrieb Lucy eine kurze Nachricht ehe die sich noch Sorgen machen würde. «Bei mir alles Okay, melde mich später.»

      Danach setzte Lana Wasser auf um sich einen Kaffee zu machen. Das unheimliche Gefühl das sie umgab wollte nicht mehr von ihr ablassen.

      «Und jetzt?!» überlegte sie sich.

      Was sollte sie jetzt mit der Videodatei anfangen? Ihre Gedanken liefen auf Hochtouren und immer, wenn das passierte kribbelte es in ihren Fingerspitzen. An der lädierten Tapete links vom Fenster hingen allerlei Zeitungsschnipsel. Diese hatte sie vor kurzem selbst dort aufgehangen. Es waren einzelne Artikel über den Mordfall Coleman sowie Fotos der Familienmitglieder die Lanas Ansicht nach irgendwie in diesen Mordfall verstrickt waren. Während das Wasser zu blubbern begann, betrachtete sie sich ihre Installation. Eine Portraitaufnahme der wunderschönen Madeleine Brock lächelte ihr entgegen. Von der Küchenablage schnappte sich Lana einen Notizzettel und einen Stift. Dann schrieb sie in Grossbuchstaben RIESE auf den Zettel und befestigte ihn mit einer Pin Nadel, von denen bereits unzählige in der Tapete steckten, an die Wand über einem Foto von Gregory Coleman. Sie grübelte darüber nach, wer der grosse Unbekannte war und wonach hatte er im Arbeitszimmer gesucht? Auf dem Herd hatte zwischenzeitlich das Wasser zu kochen begonnen. Lana bereitete sich eine Tasse mit Instantkaffee zu. Im schmalen Geschirrschrank über der Küchenkombination standen Tassen, trübe Gläser, Teller, Schalen und diverse Backutensilien, ohne erkennbares Ordnungsmuster beieinander. Das passte zum restlichen Chaos in der Wohnung. Sie pustete in die heisse Brühe die dreiviertel der Tasse ausfüllte. Ein unangenehmer Geruch kam ihr entgegen als sie die Kühlschranktüre öffnete. Zügig schnappte sie sich die Milch und schloss die Türe mit einem eleganten Hüftschwung. Vielleicht würde sie sich später einen feinen Cappuccino to go im Restaurant nebenan holen. Fürs erste musste der hier genügen. Auf dem Bildschirmschoner des Laptops tanzten bunte Punkte umher. Lana wollte sich das Video noch einmal anschauen. Knappe fünf Minuten wurde sie durch das klingelnde Mobiltelefon aus ihren Gedanken gerissen. Wider Erwarten war es Lucy. Auf dem Display stand unbekannter Anrufer. Lana zögerte nahm den Anruf aber entgegen.

      «Ja?»

      Sie hatte eine Vorahnung, mit aller Wahrscheinlichkeit würde der Absender des Videos mit ihr in absehbarer Zeit Kontakt aufnehmen wollen. Am anderen Ende der Leitung hörte sie Jemanden Atmen.

      «Haben Sie sich das Video schon angesehen?»

      Die Stimme klang verstellt, doch hörte sich eindeutig weiblich an.

      «Ich habe es mir eben angesehen.»

      «Wenn Sie mehr wissen wollen, sechzehn Uhr in der Lobby des Plaza Hotels. Kommen Sie alleine. Ich melde mich wieder.»

      «Mit wem spreche ich?»

      Die Verbindung brach ab. Da der Anruf anonym war wurde keine Nummer gespeichert die Lana hätte zurückrufen können. Die Uhr auf dem Handydisplay zeigte bereits 14:45 Uhr an. Wenn sie pünktlich am Treffpunkt erscheinen wollte, musste sie in fünfzehn Minuten den Bus nehmen. Wagen besass sie keinen mehr und momentan konnte sie sich nicht einmal ein Taxi leisten.

       «Soll ich da überhaupt hinfahren?»

      Es war unklar was sie dort erwarten würde. Seit ihren ersten Recherchen im Mordfall Coleman, konnte es Lana regelrecht riechen. Da war etwas Grosses am Laufen. Die vorhandenen Puzzleteilchen passten nicht zusammen. Es gab zu viele offenen Fragen über die sie sich den Kopf zerbrach. Womöglich, überlegte sie sich, könnten endlich ein paar Fragen beantwortet werden. Oder stellte ihr die Unbekannte Anruferin eine Falle? Wollte man sie zum Schweigen bringen? War sie bei ihren Nachforschungen doch auf etwas gestossen. Lana hatte auch einflussreichen Leuten hinterher spioniert. Das war mitunter ein Grund für ihre Strafversetzung bei dem Zeitungsverlag gewesen. Wegen der Versetzung stritt sie sich mit ihrem Boss, der Streit führte zur fristlosen Kündigung. Bereits als Kind hatte Lana einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn gehabt. Damit eckte sie immer wieder an. Sie starrte zu den Zeitungsschnipseln und Fotos an der Wand. War sie mit ihren Nachforschungen so weit gekommen dass sie Jemandem gefährlich werden konnte? Das bezweifelte Lana. Eigentlich wusste sie gar nichts. Seit mehr als einer Woche verkroch sie sich nur noch in diesen maroden vier Wänden. Beim Zähneputzen beobachtete sie sich selbstkritisch im Spiegel.

       «Nimm die Spur wieder auf.»

      Es schien der richtige Zeitpunkt sich etwas Mut zusprechen. Ihr Leben musste weitergehen. Zur Hölle mit dem Ex! Schluss damit, nächtelang war sie wachgelegen und stellte sich vor was hätte sein können. Obschon sie selbst die Notbremse zog warf sie die Trennung vollends aus der Bahn. Hätte sie von Anfang an auf ihren Bauch gehört, dann hätte sie sich erst gar nicht auf diesen Typen eingelassen. So etwas würde ihr nicht noch einmal passieren. Lana spukte die Zahnpasta ins Waschbecken, drehte den Wasserhahn auf und ihre hohle Hand füllte sich mit lauwarmem Rostwasser. Ein kurzer Flirt mit ihrem Spiegelbild, sie zwinkerte sich zu.

       «Es ist alles okay. Du schaffst das.»

      Zur nächsten Haltestelle war es nicht weit. Sie musste gleich aufbrechen.

       «Es wird Zeit dort weiter zu machen wo du aufgehört hast. Das kann die Story deines Lebens werden.»

      Die Mieten am Stadtrand waren bedeutend günstiger. Dafür dauerte der Weg ins Zentrum mit den öffentlichen Verkehrsmitteln eine halbe Stunde. Den ersten Bus hatte sie knapp verpasst, weil sie in aller Hektik ihr Handy im Appartement liegen liess und nochmal zurück musste um es zu holen. Nun wartete Lana zehn Minuten an der Haltestelle auf die nächste Busverbindung. Unterwegs musste sie einmal umsteigen, um zum Plaza Hotel zu gelangen.

      Schleppend bewegte sich der Bus von Haltstelle zu Haltestelle. Je näher man dem Zentrum kam, umso mehr Menschen stiegen hinzu. Vor lauter Nervosität stieg Lana zwei Stationen zu früh aus und erst als sich hinter ihr die Türen schlossen wurde es ihr bewusst. Da wars zu spät, der Bus fuhr bereits weiter. Um nicht zu spät zu sein musste sie denn restlichen Weg zügig zu Fuss gehen. Ausser Atem stand sie drei Minuten vor vier vor dem Plaza Hotel. Ihre Beine zitterten vor Aufregung und Erschöpfung. Wäre es vielleicht nicht schlauer gewesen die Polizei zu informieren?

      «Du musst das jetzt durchziehen!» murmelte sie in sich hinein.

      Das Plaza war ein grosses, teures und frisch saniertes Fünf Sterne Hotel im Art Deco Stil der dreissiger Jahre. Eine Drehtür beförderte Lana in die Lobby. Der rote Teppich steuerte den Besucher geradlinig zur Rezeption, welche durch die hochglanzpolierte Messingverkleidung aussah wie ein gewaltiger Goldbarren. Auf der Ablage standen zwei reichlich verzierte Gefässe mit Blumensträussen. Hinter der Theke waren eine junge Frau mit leichtem Überbiss und ein gutaussehender Herr mit ergrauten Schläfen, beide schick uniformiert, unabhängig voneinander in Kundengespräche verwickelt. Die krakenartigen Auswüchse an den vier opulenten Deckenleuchtern, an deren Enden Fussballgrosse opalweisse Kugeln hingen, leuchteten wie ein Universum aus Vollmonden den ganzen Saal aus. Bestimmt wiegt so ein Ding mehrere Tonnen, dachte Lana als sie zur Decke hoch schaute. Sessel und Sofas waren in Gruppen aufgestellt und mit dunkelgrünem Stoff bezogen. In der Mitte stand jeweils ein kleiner runder Tisch aus Messingrohren und einer Marmorplatte. Die vielen Sitzgelegenheiten wurden rege genutzt. In der Lobby herrschte ziemlicher Betrieb. Lana merkte, dass sie einem Pagen mit Gepäckwagen den Weg zu einem der Fahrstühle versperrte und trat mit einem verlegenen Lächeln