Königreich zu verschenken. Nicole Gozdek. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nicole Gozdek
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738001709
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tun! Nie hätte er Julien so demütigen lassen! Das hatte sich Walter ausgedacht, um ihn zu ärgern!

      Walter grinste schadenfroh. „Das können Sie mir ruhig glauben! Aber bitte, Sie können Ihren Großvater selbstverständlich auch fragen, wenn Sie es aus seinem Mund hören müssen.“

      „Aber, aber ... warum?“

      Julien dachte an den vorherigen Abend zurück. Wie er, einem Schwerverbrecher gleich, mit vorgehaltener Waffe und in Handschellen aus dem Hotel geführt worden war. „Schließlich müssen wir ja sicher sein, dass Sie uns nicht wieder abhauen, nicht wahr?“, hatte Walter grinsend gemeint und Juliens Empörung ignoriert. Zuerst hatte er es nicht glauben wollen, doch Julia Carpenters fassungsloser Blick hatte ihm klar gemacht, dass das doch alles die Wirklichkeit und kein besonders absurder Albtraum war. Sein Gesicht verzog sich verdrießlich. Bei ihr würde er sich nicht mehr blicken lassen können.

      Juliens Entrüstung über ein vermasseltes Rendezvous wich einem regelrechten Schock, als er Walters Antwort hören musste. „Weil Ihr Großvater die Nase voll von Ihnen, Ihren Launen und Mätzchen hat“, lautet seine brutale Entgegnung. „Ich habe gehört, dass Ihr Großvater ernsthaft daran denkt, Sie zu enterben und Ihre Konten zu sperren. Dann wäre es vorbei mit dem Faulenzen, den endlosen Frauengeschichten und den kostspieligen Reisen. Dann können Sie sich das nicht mehr leisten.“

      Das konnte nicht sein! Walters Worte hinterließen eine eisige Kälte in Juliens Innerem. Seine Worte konnten einfach nicht wahr sein! Würde sein Großvater tatsächlich so etwas Ungeheuerliches tun? Ungeachtet dessen, was seine Freunde und Bekannten zu diesem Schritt sagen würden?

      Aber natürlich, die steckten doch wahrscheinlich hinter dieser ganzen Sache! Das war alles ein abgekartetes Spiel, eine große Intrige von ein paar neidischen, alten Säcken, die es nicht verwinden konnten, dass Julien so viel Glück bei Frauen hatte! Jetzt wurde die ganze Geschichte klarer! Doch was konnte er bloß dagegen unternehmen?

      Julien starrte Walter an, der immer noch seine Waffe in der Hand hatte. Und der gehörte bestimmt auch dazu, so wie er grinste und sich über ihn lustig machte! Kein Wunder, dass er bei den Frauen keine Chance hatte! Er erinnerte Julien an einen ungelenken Bullen oder einen tapsigen, unbeholfenen Bären, viel Kraft, aber kein Gehirn, von Anmut oder Eleganz gar nicht erst zu reden! Ja, der Kerl steckte mit Sicherheit mit den anderen alten Säcken unter einer Decke!

      Aber wie passte Piers ins Bild? Julien glaubte nicht, dass Piers von der Intrige wusste, das passte einfach nicht zu dem Saubermann. Nein, er hatte doch Recht gehabt und Walter hatte sich das alles selbst ausgedacht.

      „Sie glauben mir nicht, was?“, meinte Walter spöttisch. „Aber Sie werden noch sehen! Nun ist es aus mit dem Lotterleben!“

      Julien schnaubte ungläubig. Nicht wenn er noch ein Wörtchen mitzureden hatte! Er brauchte nur fünf Minuten, fünf Minuten mit seinem Großvater alleine, und dann konnten diese alten Neidhammel ihre mühsam gesponnene Intrige vergessen! Das wäre doch gelacht, wenn es ihm nicht gelingen sollte, seinen Großvater umzustimmen!

      Schritte auf dem Flur ließen ihn herumfahren. Na endlich! Schon seit Stunden hielten die fünf ihn hier fest. Wo immer dieses Hier auch war. Noch nicht einmal auf die Toilette durfte er alleine gehen. Wahrscheinlich dachten sie, dass er durchs Badezimmerfenster abhauen würde. Von wegen! Dafür war es leider viel zu klein.

      Die Schritte kamen näher und hielten dann abrupt an. Julien glaubte, jemanden murmeln zu hören. Wer waren sie? Welche von diesen miesen Intriganten? Oder war Piers dem Ganzen auf die Schliche gekommen? Oder sein Großvater? Das wäre natürlich noch das Beste, dann würde Walter aber was erleben!

      Julien bemerkte, dass Walter ihn weiterhin scharf im Auge behielt. Die beiden Frauen blickten zur Tür, was die beiden anderen Männer, die ihn bewachten, machten, konnte Julien von seiner Position aus nicht erkennen.

      Die Tür öffnete sich und Piers trat ein. Er warf einen Blick auf Julien, dann auf Walter und auf dessen Waffe. Walter grinste und Piers schüttelte den Kopf.

      Julien triumphierte. Hatte er es doch gewusst! Piers steckte nicht mit Walter unter einer Decke! Nun würde der Kerl aber was erleben!

      „Julien, Walter“, grüßte Piers. Seine Stimme klang müde. Er sah aus, als hätte er die letzte Nacht nicht geschlafen. „Ist das wirklich nötig?“, wollte er von Walter wissen und deutete auf die Waffen.

      Walter nickte grimmig. „Du hättest mal sein Gesicht sehen sollen, als er auf der Toilette gewesen ist. Wenn er gekonnt hätte, wäre er sofort getürmt. Meinst du, ich will mir die Arbeit machen und ihn noch mal von der anderen Seite der Welt zurückholen? Nein, danke, dann doch lieber auf diese Weise.“

      Julien hatte verdutzt ihrem Wortwechsel zugehört. Das lief doch etwas anders, als er es erwartet hatte. Das hörte sich viel zu nett an. Wo blieb das Gebrüll, wo waren die gegenseitigen Beschuldigungen?

      „Was ist hier los?“, wollte er irritiert von Piers wissen.

      Piers seufzte müde. „Das könnte ich Sie auch fragen“, erwiderte er. „Sie wussten doch genau, was gestern für ein Tag war, oder? Der Wohltätigkeitsempfang sagt Ihnen doch sicher was. Behaupten Sie jetzt nicht, Sie hätten es vergessen!“, drohte er. „Das hatten Sie schon die letzten Male behauptet und jeder wusste, dass es gelogen war.“

      „Was unterstellen Sie mir hier eigentlich?“, schimpfte er. „Wollen Sie etwa behaupten, ich sei ein Lügner?“

      „Ich behaupte es nicht nur, es ist bedauerlicherweise eine Tatsache“, entgegnete der ältere Mann ruhig. Ein weiteres Seufzen folgte.

      „Und was sollen wir jetzt mit ihm machen, Boss?“, erkundigte sich Walter und zeigte mit dem Finger auf seinen Schützling. Piers zuckte ratlos mit den Schultern.

      „Das habe ich mich auch gefragt.“

      Julien fuhr herum. „Großvater!“, rief er überrascht. „Ich ...“

      „Schweig!“, donnerte sein Großvater wütend. „Ich will keine von deinen Ausreden hören! Die kenne ich schon zur Genüge! Was hast du dir dabei gedacht? Nur ein einziges Mal bitte ich dich um etwas und du hast nichts Besseres zu tun, als dich wieder einmal aus dem Staub zu machen! Sag jetzt nicht, du hättest einen dringenden Termin gehabt und konntest nicht kommen! Weißt du, was meine Leute herausgefunden haben? Nachdem ich dich gebeten haben, zum Empfang zu kommen – woraufhin du eingewilligt hast, wohlbemerkt! -, hattest du nichts Besseres zu tun, als das Reisebüro anzurufen und einen Flug in die Vereinigten Staaten zu buchen! Meinst du, ich lasse mir dreist und ungestraft ins Gesicht lügen? Sieh mich an, wenn ich mit dir spreche!“, befahl er grimmig.

      Julien guckte trotzig. „Diese Empfänge sind doch sowieso immer gleich“, maulte er schließlich. „Immer nur die gleichen Leute, das gleiche Blabla, das ist doch langweilig. Ich möchte mal was Neues sehen, neue Leute kennen lernen, neue Erfahrungen machen.“

      „So?“, fragte sein Großvater spitz. „Langweilig sind wir also? Nun gut, du musst deine Zeit nicht mit uns verbringen, wenn du nicht willst. Damit tust uns wirklich keinen Gefallen.“

      Julien mochte den Tonfall seines Großvaters nicht. Er wurde nicht schlau aus ihm. Nach einem Augenblick beschloss er, die Sache erst einmal positiv zu sehen.

      „Ehrlich? Ich muss zu keinem Empfang, wenn ich nicht will?“, hakte er nach.

      Sein Großvater schnaubte verächtlich. „Ich will es mal anders ausdrücken. Du darfst zu keinem Empfang mehr, du bist unerwünscht. Ist dir eigentlich klar, dass die meisten dich nur meinetwegen noch einladen? Dass du dich so unbeliebt gemacht hast, dass keiner mehr etwas mit dir zu tun haben will? Dass ich mich für dein Verhalten schäme?“

      Julien ließ die Strafpredigt ungerührt über sich ergehen. Sollte sein Großvater doch sagen, was er wollte, und dies war auch nicht die erste Strafpredigt, die er sich anhören musste. Hauptsache, er bekam letzten Endes, was er wollte.

      Sein Großvater beobachtete ihn aufmerksam. Nach und nach wurde sein Gesicht immer länger. „Dir ist egal, was ich sage, oder?“