Königreich zu verschenken. Nicole Gozdek. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nicole Gozdek
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738001709
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Wut und Empörung wegen der Enthüllungen über seinen Cousin, Angst vor der bevorstehenden Konfrontation mit seinem Großvater, aber auch Schmerz. Warum Schmerz? Sollte er nicht eigentlich wütend auf Edward sein? Aber dennoch war da auch Schmerz, als hätte Edward ihn und nicht das Dienstmädchen und ihren Verlobten verraten.

      Er hatte kaum mitbekommen, dass sie bereits vor der Tür des Arbeitszimmers standen. Adler nickte ihm zu. „Viel Glück!“

      „Danke“, erwiderte Alexander. Ob sie von heute an wohl Freunde waren? Es sah fast danach aus.

      Dann wartete er. Mittlerweile machte ihm das Warten nicht mehr so viel aus wie vor einer halben Stunde. Er hatte einiges zu verarbeiten und dafür wollte er lieber allein sein. Doch so viel Glück hatte er natürlich nicht.

      „Alexander!“

      Er drehte sich um. Oh nein! Wer kam da angeschlendert? Natürlich Edward, zusammen mit seinem Vater und seinem Bruder. Das sah ihm gar nicht ähnlich, Verstärkung mitzubringen, aber vielleicht dachte er, die beiden sollten auch mal etwas Spaß haben, überlegte Alexander wütend.

      „Onkel. Edward. Jonas.“

      Jonas lächelte freundlich. Er schien nicht zu wissen, warum Alexander vor der Tür ihres Großvaters wartete. Sein Vater hingegen machte ein finsteres Gesicht. Missbilligend starrte er seinen Neffen an. Edward trug mal wieder sein überhebliches Lächeln zur Schau.

      Alexander wünschte sich, Jonas wäre allein gekommen. Jonas war ein netter Kerl und er kam gut mit ihm aus. Sein Onkel war immer kühl und distanziert und er wusste, dass sein Onkel ihn nicht mochte. Und was Edward betraf, der mochte anscheinend nur eine Person, und das war er selbst. Die Erkenntnis tat weh. Aber er lächelte und fragte: „Möchte Großvater auch mit euch sprechen?“

      Jonas nickte. „Großvater möchte von den Fortschritten in Australien hören“, erzählte er aufgeregt. „Wie du weißt, habe ich nach meiner Reise viele Neuigkeiten zu berichten. Ich will nicht zu zuversichtlich klingen, aber ich denke, ich habe sie von unserem neuen Projekt für Afrika überzeugen können. Es geht eigentlich nur noch um finanzielle Dinge und dann kann Großvater zur feierlichen Besiegelung der Pläne hinfliegen.“

      Alexander lächelte stolz. „Das ist großartig. Meinen Glückwunsch“, sagte er.

      „Danke. Und was gibt es hier Neues?“, erkundigte er sich. „Wie war der Empfang gestern? Ich wäre ja gerne hingegangen, aber ich musste erst einmal ausschlafen.“

      „Verständlich“, meinte Alexander und druckste ein bisschen herum. Auf dem Empfang war er nicht gewesen, nach dem was morgens passiert war, hatte er keine große Lust dazu gehabt. Und vielleicht hatte sich der Vorfall auch schon rumgesprochen, wie peinlich wäre das gewesen! Mal abgesehen davon, dass sein Großvater ihm verboten hatte, sich dort blicken zu lassen. Adler hatte durchblicken lassen, dass sein Großvater vor Wut getobt hatte und ihn nicht sehen wollte.

      „Der Empfang war toll. Es gab viele nette und interessante Gespräche.“ Edward betonte das Wort interessant leicht.

      Was sollte das? Wollte er damit andeuten, dass sie über ihn und seine Schwierigkeiten geredet hatten?

      „Schade, dass du nicht da warst, Alexander“, meinte Edward dann und lächelte.

      Scheinheiliger Scheißkerl! Alexander hätte ihn am liebsten geschlagen.

      Jonas guckte verwirrt von seinem Bruder zu Alexander. „Ich dachte, du warst auch eingeladen. Ich weiß, dass du es warst“, korrigierte er sich verblüfft. „Warum bist du denn nicht hingegangen? Warst du krank?“

      „Nein“, schaltete sich nun auch sein Onkel ein, „höchstens krank vor Scham, schätze ich. Wenigstens hoffe ich, dass du dich geschämt hast!“, schimpfte er. „Du bist eine Schande für die Familie und der Vorfall von gestern hat das mal wieder deutlich bewiesen.“ Das tat weh.

      Jonas war entsetzt. „Vater! Wie kannst du so etwas nur sagen?!“, protestierte er. „Das meinst du doch nicht ernst!“

      Alexander starrte seinen Onkel an. „Doch, das meint er ernst“, sagte er leise.

      Jonas konnte es nicht fassen. „Was ist denn bloß passiert, um Himmels willen?“, wollte er wissen.

      Alexander brachte es nicht über sich, es ihm zu erzählen. Er wollte Jonas‘ Respekt nicht verlieren. „Ich bin sicher, dein Bruder ist nur zu gern bereit, es auch dir zu erzählen“, meinte er und warf Edward einen grimmigen Blick zu. Wer wusste denn schon, wie vielen er bereits davon erzählt hatte.

      Jonas starrte seinen Bruder an. Ihm war das auch dir nicht entgangen.

      Sein Großvater bewahrte sie alle vor einer weiteren hässlichen, kleinen Szene. Mit müdem Gesicht öffnete er die Tür und grüßte alle mit einem Nicken. Edward musste sich sichtlich eine scharfe Bemerkung verkneifen.

      „Alexander, es tut mir leid, dass ich dich so lange habe warten lassen“, entschuldigte er sich. „Komm herein.“

      „Kein Problem“, meinte er und folgte der Aufforderung.

      Edward mache Anstalten, ihm zu folgen, aber ihr Großvater schüttelte den Kopf. „Nicht jetzt. Bitte wartet hier, ich möchte in Ruhe mit Alexander reden. Danach, Jonas, kannst du mir deine Neuigkeiten berichten.“ Jonas nickte.

      Alexander warf Edward einen Blick zu und sah sein wütendes Gesicht. Plötzliche Traurigkeit überfiel ihn. „Hasst du mich denn so sehr, dass du es genießt, mich gescholten und heruntergeputzt zu sehen?“, fragte er sich im Stillen. Was hatte er ihm denn getan? Sein Cousin schien ihn schon immer aus irgendeinem Grund gehasst zu haben. Er hatte nie gesehen, dass er Jonas so behandelt hatte wie ihn.

      Sein Großvater schloss die Tür. Alexander nutzte die Gelegenheit, um seine Miene eingehend zu studieren. Seltsamerweise sah sein Großvater nicht wütend aus, vielmehr machte er einen traurigen und müden Eindruck. Alexander hatte erneut große Schuldgefühle. Er ließ den Kopf hängen. „Es tut mir ehrlich leid“, flüsterte er.

      Sein Großvater seufzte nur. Kein tigergleiches Brüllen wie sonst und auch kein anderes Zeichen der Wut. „Ich weiß“, meinte er ruhig.

      Alexander blickte auf. Er wartete auf die Strafpredigt und erkannte, dass sie nicht kommen würde, nicht heute und auch nicht irgendwann später. „Was ist los?“, fragte er besorgt. „Ist jemand schwer krank?“ Dann kam ihm ein schlimmerer Gedanke. „Es ist jemand gestorben, nicht wahr? Onkel Alfred?“

      Onkel Alfred war der jüngere Bruder seines Großvaters. Er lebte schon seit einigen Jahren abgeschieden auf seinem Landsitz, von einer Schar Krankenschwestern betreut. Mit seiner Gesundheit stand es nicht zum Besten. Alexander mochte ihn und besuchte ihn, so oft es ging.

      „Keine Sorge, Alfred geht es gut“, beruhigte sein Großvater ihn. „Es ist auch niemand gestorben oder schwer krank.“

      Alexander war für einen Augenblick erleichtert. „Was ist es dann?“

      Sein Großvater seufzte und rieb sich die Augen. Dieses Jahr war er vierundachtzig geworden, er war auch nicht mehr der Jüngste.

      „Probleme“, antwortete er knapp.

      „Meinetwegen“, sagte Alexander und ließ bedrückt den Kopf hängen.

      „Auch. Aber nicht nur“, meinte sein Großvater und lächelte ihn liebevoll an.

      Alexander starrte ihn an. Hatte er richtig gesehen? Sein Großvater lächelte? Lächelte ihn an, obwohl er eigentlich hätte schimpfen sollen? Alexander rieb sich verwundert die Augen, aber er hatte sich nicht getäuscht. Das Lächeln seines Großvaters vertiefte sich sogar noch.

      „Aber ich habe dir nie gesagt, dass ich dich liebe, nicht wahr?“, meinte er.

      Alexander fiel die Kinnlade herunter vor lauter Staunen. Das war nicht sein Großvater, er konnte es einfach nicht sein! Das war nur ein Mann, der so aussah, ein Doppelgänger! Sein Großvater hätte so etwas nie gesagt, nicht zu ihm auf jeden Fall!

      Sein