GENAU INS GLÜCK - Oder knapp daneben. Bernhard Bohnke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bernhard Bohnke
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847668398
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Stimme schreit sie.

      "Mit mir nicht, Sie amoralisches Subjekt! Welch ein Abgrund von Schlechtigkeit!

       Sie sind meiner Zuneigung nicht wert!")

      Stefan atmete tief durch. Das war anstrengend gewesen, schon im Kopf. Real könnte er diese Szene sowieso nicht inszenieren und durchstehen. Aber vielleicht reichte es ja, sie nur zu denken. Das Telefon klingelte. Es würde doch wohl nicht sie sein, Elfriede? Ob seine Gedankenübung genau die umgekehrte Wirkung ausgelöst hatte, die Redlich - sogar telepathisch - angezogen, anstatt abgestoßen hatte? Aber sie würde wohl doch nicht so weit gehen, ihn zu Hause anzurufen, da er ihr, zwar durch die Blume, dennoch deutlich klargemacht hatte, dass er ihre Gefühle keineswegs erwiderte.

      Er raffte sich auf und ging ans Telefon. Es war Marius, der männliche Teil eines befreundeten Ehepaares, Maria und Marius. Die beiden sahen aus wie das Traumpaar des deutschen Films: er ein schwarzhaariger, muskulöser Beau, sie eine blonde Schönheit mit Idealmaßen. Leider nur passten ihre Charaktere gar nicht zu den Vorstellungen von einem Traumpaar. Marius war meistens deprimiert und jammrig, außer wenn er seine Fotos, Dias, Videos und seit neuestem DVDs aus dem Urlaub vorführte; da ging er wirklich aus sich raus. Allerdings gingen spätestens nach zwei Stunden die entnervten Zuschauer raus, aus dem Vorführraum. Maria sah zwar aus wie ein Engelchen, hatte aber Haare auf den Zähnen. Sie kritisierte bissig an allem herum, am liebsten an Marius.

      "Tag Stefan, geht's dir auch so schlecht wie mir? Wir haben lange nichts mehr voneinander gehört." Das stimmte. Seit der Trennung von Angela hatte er sich von seinen Freunden und Bekannten etwas zurückgezogen, um mitleidigen oder nur Mitleid vortäuschenden neugierigen Fragen zu entgehen. Und jetzt im Moment war er eben ganz auf sein großartiges Positiv-Programm konzentriert, da mussten Kontakte einfach zurückstehen. Einen Augenblick überlegte er, Marius vom Positiven Denken zu erzählen. Wenn es einer gebrauchen konnte, dann der. Und Maria ebenso. Aber dann ließ er das doch lieber. Denn er war leider Gottes noch wenig versiert und erfolgreich im Positiven Denken, so dass ihn abfällige Bemerkungen darüber verunsichern konnten.

       Auch in den Büchern wurde gewarnt, überhaupt oder jedenfalls zu früh das eigene Positiv-Programm auszuplaudern. Montag schrieb: "Denke Gutes, aber sprich nicht darüber!" Stefan entschuldigte sich daher am Telefon mit beruflicher Überlastung, versprach jedoch, sich bald wieder zu melden. Er ließ sich in den Sessel zurückfallen und sann noch einmal über seine bisherigen Erfahrungen mit dem Positiven Denken nach:

      Von Erfolgen kann ich wirklich kaum sprechen, allenfalls von unerwünschten, wie bei der unglückseligen Elfriede Redlich. Offensichtlich genügt es bei mir einfach nicht, nur die eigene psychische Kraft zu aktivieren, sondern ich muss die gewaltige kosmische Urkraft anzapfen. Mit der Allmacht des Alls werde ich alles erreichen, allzeit und überall.

      Wichtiger als alles zu erlangen, war ihm aber erst einmal, Nicole zu erlangen. Ohne Kraftschub von oben traute er sich nur nicht, sie nochmals anzuquatschen. Doch mit der universalen Kraft im Rücken bzw. im Kopf würde er bestimmt mühelos eine erstklassige Anmache abliefern.

      4 DER KOSMOS GEHÖRT MIR

      Am nächsten Tag hatte Stefan sich frei genommen. Er brauchte eine Büro-Pause, d. h. eine Redlich-Pause. Schon morgens um 9 Uhr ging er zu der Buchhandlung Harmonia, wo er seine ersten Positiv-Bücher gekauft hatte. Die Buchhändlerin erkannte ihn sofort wieder.

      Mit leicht verschwörerischem Blick fragte sie leise: "Na, hat es Ihnen schon etwas gebracht mit dem Positiven Denken?"

      "Es geht so", murmelte Stefan etwas verlegen. "Ich möchte aber noch den Kosmos kaufen." Er stutzte und wurde noch verlegener. "Sie wissen schon: das Buch 'Der Kosmos gehört mir'." Nervös zupfte er sich mit der lin-

       ken Hand am rechten Ohrläppchen - ein Tick, den er von seinem Vater übernommen hatte.

      "Sie meinen: 'Der Kosmos gehört dir'."

      "Natürlich! Ob mir oder dir, das ist ja wohl egal", antwortete Stefan ärgerlich, aber im Grunde froh, dass ihm die Verärgerung aus der Verlegenheit raushalf. '''Du bist der Größte' ist wieder reingekommen, wollen Sie das auch nehmen?"

      "Danke, das habe ich nicht nötig", erwiderte Stefan trotzig. Die Verkäuferin lächelte nur süffisant.

      Stefan fühlte sich ihr gegenüber unsicher. Das beste Mittel dagegen war, sie zu verunsichern. Aber womit? Spontan fragte er beim Zahlen einfach: "Wie heißen Sie eigentlich?"

      Diese Frage schien sie zumindest zu überraschen. "Brandauer. Warum? Wollen Sie sich über mich beschweren?"

      "Und mit Vornamen?" Nun war sie wirklich unsicher. "Birgit. Wozu wollen Sie das wissen?"

      "Nur so", grinste Stefan. Und ging mit dem befriedigten Gefühl, eine Niederlage wenigstens in einen kleinen Sieg umgewandelt zu haben.

      Kaum zu Hause angekommen, vertiefte er sich in sein neues kosmisches Buch. Schon die Abbildung auf dem Umschlag war vielversprechend. Da schwebte ein Mensch mitten im Sternenhimmel, auf allen Seiten von gelben Strahlen umgeben. Aber Stefan war vor allem gespannt, was die kosmische Urkraft, die alle Wünsche erfüllen könnte, nun genau wäre. Er las: "Die kosmische Kraft ist die Kraft des Kosmos. Andere sprechen auch von der Kraft des Alls oder des Universums. Manche nennen sie göttliche Kraft. Anstatt 'Kraft' kann man auch 'Energie' sagen. Es handelt sich jedenfalls um die gewaltigste Kraft, die existiert. Doch Sie vermögen diese Kraft anzuzapfen und für sich arbeiten zu lassen. So werden Sie zum 'Master of the Universe'."

      Stefan war beeindruckt. Doch er konnte sich noch immer nichts Genaueres unter der Kosmos-Kraft - vom Autor "KK" abgekürzt - vorstellen. Und von einem plötzlichen Faustischen Impuls ergriffen, wollte er jetzt wissen, was für eine Kraft das sei, die die Welt im Innersten zusammenhält. Vielleicht konnte sein 24-bändiges Lexikon, das er sich in einer schwachen Stunde von einem Vertreter hatte aufschwatzen lassen, hier weiter helfen. In der Tat: Er las, dass die Physik 4 fundamentale Kräfte kenne: 1) Schwerkraft, 2) Elektromagnetische Kraft, 3) Schwache Kraft, 4) Starke Kraft. Welche dieser 4 Kräfte könnte die gesuchte KK sein?

      Die Schwerkraft schien ihm zu schwerfällig für eine Kraft, die eilfertig ständig alle (seine) Wünsche erfüllen sollte. Und die elektromagnetische Kraft? Diese Kraft, die schon bei jeder stromdurchflossenen Drahtspule wirkte, war bestimmt zu banal. Außerdem erinnerte sie ihn unangenehm an stets misslungene Experimente im Physik-Unterricht. Die "schwache Kraft" kam natürlich nicht in Frage, der Name sagte schon alles. So setzte er seine ganze Hoffnung auf die "starke Kraft". Über die gab es zu lesen: "Man nennt sie auch Farbkraft. Sie verhindert, dass sich die Quarks in den Nukleonen zu weit voneinander entfernen. Diese Kraft wird durch sogenannte Gluonen übertragen, die zwischen den Quarks hin- und herfliegen und wie Klebstoff für ihr Zusammenhalten sorgen."

      Klebstoff? Stefan war betroffen - konnte die großartige KK nur eine Art kosmisches Uhu sein? Den Rest des Textes hatte er kaum verstanden. Und um sich vor weiteren Anstrengungen oder Enttäuschungen zu schützen, beschloss er lieber, dass es für ihn doch nicht so wichtig sei, das Wesen der KK zu begreifen - Hauptsache, sie funktionierte. Gerade wollte er das Lexikon schon zuschlagen, da las er den Satz: "Die Physiker vermuten, dass hinter den vier Kräften eine einheitliche Urkraft wirkt." Aha, wahrscheinlich war die gesuchte KK mit der unbekannten Urkraft identisch. Doch wie sollte es eigentlich gelingen, diese gewaltige Kraft für sich einzuspannen?

      Der Autor von "Der Kosmos gehört dir" hatte da keinerlei Bedenken. Denn die KK sei eine geistige Kraft, überhaupt sei der ganze materielle Kosmos aus Geist entstanden; er sei letztlich nichts anderes als ein unendlicher - positiver - Gedanke. Von daher könnten wir eben mit unserem menschlichen Geist, mit unserem Denken die KK beeinflussen.

      Was Stefan merkwürdig vorkam: Einerseits schwärmte der Autor von der ungeheuren Potenz und Intelligenz der kosmischen Kraft, andererseits schilderte er sie als servilen Geist "aus der Flasche", ja sprach sogar ungeniert von "Kosmos melken". War eine solche Lehre wirklich kosmisch oder nur komisch? Egal, sagte sich Stefan. Probieren geht bekanntlich über studieren. Jetzt wollte er versuchen, KK zu kontaktieren. Wie lautete die Anweisung? "Öffnen Sie sich für