GENAU INS GLÜCK - Oder knapp daneben. Bernhard Bohnke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bernhard Bohnke
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847668398
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dir"?

      - Du kannst mit Positiv-Denken die kosmische Urkraft anzapfen. Du kannst praktisch das Weltall für dich arbeiten lassen.

      - Ja arbeitet denn für dich das ganze All?

      - Nein, so weit bin ich noch nicht. Aber die Milchstraße ist mein.

      - Gut, Helmut, das wäre es für heute. Wenn ich Fragen habe, rufe ich noch mal bei dir an.

      - Natürlich. Übrigens bekomme ich demnächst eine neue Telefon-Nummer.

      - Wieso? Ziehst du um?

      - Nein, aber zweimal die 13 in 44 13 13 verursacht zu viel negative Ströme. Bald habe ich die Nummer 44 25 25, 25 ist nämlich meine Glückszahl. Die Änderung kostet zwar eine Stange Geld, doch das rentiert sich bestimmt.

      2 SORGE DICH NICHT - LESE

      Der nächste Tag war ein Samstag, Frühlingsanfang. Glänzend blauer Himmel, ein laues Lüftchen, und die Vögel zwitscherten wie die Fischer-Chöre. Stefan hatte für all das kaum ein Auge oder Ohr. Stattdessen eilte er schon am Morgen zu einer großen Buchhandlung, aber nicht zu seiner gewohnten, denn etwas peinlich war ihm die Sache doch. "Buchhandel Harmonia" las er auf dem Schild über dem Eingang und stolperte herein.

      "Ich suche Bücher über Positives Denken, haben Sie etwas darüber da?"

      Die Buchhändlerin lächelte nachsichtig. "Bitte kommen Sie doch einmal mit. Hier, wie Sie sehen, haben wir etwas da." Sie betonte das "Etwas". Fassungslos stand Stefan vor einem riesigen Regal, gut zehn Reihen mit Büchern, jede fast eineinhalb Meter breit.

       "Suchen Sie ein bestimmtes Buch?" Stefan kramte seine Liste hervor und nannte die Titel. "Also, die ‚Superkraft’, die ‚Allmacht’ und der ‚Tiger’ sind vorrätig, die anderen Titel könnte ich Ihnen bis morgen besorgen."

      Zielsicher griff sie die genannten drei Bücher aus dem Regal. "Aber schauen Sie doch selbst einmal nach, vielleicht finden Sie ja einen Ersatz für ‚Du bist der Größte’."

      Es schien Stefan, als mache sie sich ein bisschen über ihn lustig, und so nickte er hastig und wandte seinen Blick dem Riesenregal zu. In der Tat: Alternativen gab es da genug. Stirnrunzelnd las Stefan Titel um Titel, in denen es allen von Superlativen nur so wimmelte. Schließlich entschied er sich noch für "Ich tue, was ich will: Mind-Power" und "Die unendliche Megastärke des Megabewusstseins". Das klang unüberbietbar, dafür konnte er sogar auf den "Besitz des Kosmos" verzichten. Gerne hätte er noch "Ultra Sex durch Ultra-Gedanken" mitgenommen, aber das traute er sich nicht, dafür musste er zunächst das Buch "Ich tue, was ich will" studieren.

      Als die Kasse 89,30 Euro ausdruckte, schreckte Stefan zusammen, positiv zu werden, war ihm zwar lieb, aber so teuer? Dennoch, nein gerade darum ging er noch einmal zum Megaregal zurück und holte sich "Denke positiv und werde stinkreich". Die zusätzlichen 17,90 Euro würden sich - sicherlich oder wahrscheinlich oder möglicherweise oder wenigstens eventuell - schnell bezahlt machen.

      Als er sich verabschiedete, guckte ihn die Verkäuferin halb aufmunternd, halb mitleidig an, jedenfalls kam es ihm so vor. Schnell verließ Stefan den Laden, froh diesen ersten Schritt überstanden zu haben.

      Kaum zu Hause angelangt, türmte er seine Schätze vor sich auf und begann zu blättern, mal in diesem Buch und mal in jenem. Aber schon nach kurzem stellte sich ein Gefühl der Verwirrung ein. Anscheinend gab es nicht eine Lehre vom Positiven Denken, sondern viele, die sich durchaus widersprachen.

      Welche Kraft sollte denn durch das Positive Denken aktiviert werden? Einmal wurden die Gedanken selbst als Kraft bezeichnet, dann wurde von der Kraft des Unterbewusstseins oder aber des Überbewusstseins gesprochen, andererseits war auch von kosmischer oder gar göttlicher Kraft zu lesen. Und ging es überhaupt in erster Linie um das Denken? Stefan las nämlich auch von Wille und Vorstellung. Positives Wollen - oder positives Vorstellen an statt Positivem Denken. Nun, ich werde mich nicht beirren lassen, beschloss er. Wozu habe ich schließlich die verschiedenen Bücher? Ich werde mir aus jedem das Beste heraussuchen!

      Als erstes griff Stefan sich "Pack den Tiger in den Psychotank", da spürte man die Power so richtig. Wie er jedoch nach einigem Lesen feststellte, war die Hauptaussage des Autors: "Lass deine Gedanken lächeln." Das enttäuschte Stefan etwas: Den Tiger hatte er nicht gerade mit Lächeln in Verbindung gebracht, sondern mit powerfuller Selbstbehauptung. Und die Aufforderung zum "Keep smiling" war auch nicht gerade eine Novität ersten Ranges. Aber er durfte nicht so nörgelig sein, so würde er das Positiv-Sein nie lernen. Also las er weiter.

      Der Autor argumentierte: Wenn man positiv denkt, lächelt man. Aber auch das Umgekehrte gilt. Wenn man lächelt, denkt man positiv. Das - innere - Positive Denken ist zwar das Entscheidende, aber man kann es oft am besten über das - äußere - Lächeln lernen. Daher soll man üben zu lächeln, immer und immer wieder, am Anfang vor dem Spiegel.

      Stefan hatte zwar so seine Zweifel. Gab es nicht auch das eiskalte Lächeln oder das falsche Grinsen, die keineswegs positive Gedanken anzeigten? Andererseits schien diese Methode schön einfach, er wollte sie direkt ausprobieren. Entschlossen ging er zu dem großen Spiegel in der Garderobe, vor dem - mein Gott, ein Tag war das erst her - alles angefangen hatte. Das Tiger-Buch nahm er natürlich mit.

      "Ziehen Sie die Mundwinkel nach oben", lautete die Anweisung. Stefan versuchte es mit bestem Willen, aber seine Winkel schienen eine natürliche Tendenz nach unten zu haben, so als ob sie der Schwerkraft Tribut zollten. Zog er sie jedoch mit Anstrengung aufwärts, dann verzog sich zugleich sein ganzes Gesicht. Das Resultat war weniger ein Lächeln als vielmehr eine Entgleisung seiner Gesichtszüge. Und dabei mahnte der "Tiger": "immer schön locker und entspannt bleiben".

      Unverdrossen übte Stefan weiter. Doch dieses schräge Grienen entsprach noch immer nicht gerade dem, was man ein Lächeln nannte. Jedenfalls kein liebenswürdiges, gewinnendes. Allenfalls einem höhnisches Lächeln, falls es ein solches geben sollte.

       Trotzdem war Stefan nicht unzufrieden. Es war immerhin ein Anfang. Der Tag war mit seinen ersten Ausflügen ins Land des Lächelns erstaunlich schnell vergangen. Im Bett versuchte er, vor dem Einschlafen seine Mundwinkel in eine stabile Lächelposition zu bringen, vielleicht würden sie sich über Nacht in die neue Haltung einliegen.

      Um so größer war die Enttäuschung am nächsten Morgen. Die Mundwinkel schienen durch die gestrige Anstrengung völlig abgeschlafft, jedenfalls hingen sie tiefer runter als je zuvor. Ich sehe ja aus wie die Merkel, stöhnte Stefan auf. Kurz ging ihm durch den Kopf, ob er für ein Mund-Lifting zum Schönheitschirurgen gehen sollte, aber das wäre natürlich absurd.

      Dennoch, um zum Erfolg zu kommen, durfte er auch vor etwas drastischen Methoden nicht zurückschrecken. Denn wie schrieb der Tiger-Autor: "Wenn der Mund nach oben zeigt, dann zeigt auch der Geist nach oben." Heute war Sonntag, und er hatte nichts Besonderes vor, also war die Gelegenheit günstig. Er ging zum Schreibtisch und holte sich Tesafilm, breit und extra stark. Damit klebte er die störrischen Lippenwinkel nach oben. Nach einer Stunde war er so neugierig, dass er es nicht mehr aushielt. Schnell zog er die Klebstreifen ab und - welche Genugtuung! Die Mundwinkel hatten sich erhoben, strebten aufwärts.

      Nun war es an der Zeit, den zweiten Schritt des Tiger-Lächeln- Programms zu beginnen, und der hieß: "Zähne zeigen". Denn für ein überzeugendes, offenes Lächeln genügten keine erigierten Lippen, sondern man musste auch den Blick in das Innere des Mundes freigeben, zumindest den Blick auf die Zähne. Doch als Stefan erwartungsvoll vor dem Spiegel posierte, bekam er den Mund nicht auf. Von einer rätselhaften Scham ergriffen, zierte und genierte er sich, zu peinlich war ihm die eigene Zähnebschau. Was blieb da zu tun?

      Stefan beschloss, seinen Mund zu überlisten: Ich werde mir bzw. ihm einen Witz erzählen. Vielleicht muss ich bzw. er dann spontan lachen und öffnete sich auf diese Weise. Also los: "Ein Skelett geht zum Zahnarzt. Sagt der Zahnarzt: 'Ihre Zähne sind in Ordnung, aber Ihr Zahnfleisch … .''' Gespannt wartete Stefan auf eine Reaktion, aber nichts tat sich. Kein Lachen, seine Zähne wollten sich nicht zeigen. Vielleicht mochten sie keine Zahnarzt-

       witze. Oder sie kannten den schon.

      Als