Anele - Der Winter ist kalt in Afrika. Marian Liebknecht. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marian Liebknecht
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847634409
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wird sicher kein Hindernis sein“, sagte er schnell.

      „Ich hoffe, sie verstehen das, aber es ist uns wichtig, dass Leute, die eine Schulung beginnen, dann auch dabei bleiben. Ach ja, zur Schulung habe ich Ihnen noch gar nichts gesagt. Bei uns ist es so, dass wir die Ausbildungen nach Bedarf organisieren, wenn wir genug Bewerber zusammen haben. Sie lernen alles Notwendige, was Sie über das Land wissen müssen, also politische Verhältnisse, geographische Lage, Grundzüge der Landessprache, wobei in Swasiland ohnehin jeder Englisch spricht, und noch Einiges mehr. Ein wichtiger Teil der Schulung ist natürlich eine genaue Information über das gesamte Projekt. Zusätzlich machen Sie eine Kurzausbildung in Krankenpflege und Erste Hilfe. Insgesamt dauert der Kurs drei Monate, die Veranstaltungen finden an zwei Abenden in der Woche statt.“

      Die Flut an Informationen war für Philipp ein bisschen viel auf einmal. Dr. Schuster ließ sich deshalb aber nicht aus der Ruhe bringen.

      „Wann die nächste Staffel beginnt, kann ich jetzt noch nicht genau sagen, aber da wir bereits vier Leute beisammen haben und vier bis fünf für einen Kurs reichen, werden wir sicher in den nächsten paar Wochen starten. Ist das für Sie möglich?“ wandte sich Dr. Schuster wieder an Philipp.

      „Ja, das wäre mir recht. Eigentlich würde ich gern möglichst bald anfangen“, stellte Philipp klar.

      „Jetzt wird es Sie natürlich interessieren, wie Ihr Dienstverhältnis aussieht, das Sie mit uns eingehen.“

      Philipp wunderte sich, dass er darüber noch überhaupt nicht nachgedacht hatte.

      „Wenn die Schulung erfolgreich verläuft, schließen wir standardmäßig Arbeitsverträge über drei Jahre. Diese Frist hat sich im Laufe der Zeit als die Sinnvollste herausgestellt, da doch sehr viele die Entwicklungshelfertätigkeit nicht ewig ausüben wollen. Auf der anderen Seite sind wir aber daran interessiert, die Leute für eine Mindestfrist an uns zu binden. Ein Abbruch der Tätigkeit vor Ablauf der Frist ist natürlich möglich, er ist aber mit finanziellen Nachteilen verbunden, wenn kein zwingender Grund ihn erfordert. Eine im Verhältnis zu den laufenden Bezügen relativ hohe Prämie kommt nämlich erst am Ende der drei Jahre zur Auszahlung, aber eben nur, wenn der Arbeitsvertrag nicht vorher beendet wurde.“

      „Wie sieht es aus mit Unterkunft und Verpflegung?“ fragte Philipp.

      „Das wird natürlich alles von uns im Rahmen des Arbeitsverhältnisses bereit gestellt. Sie werden sehen, die Unterkünfte sind – besonders für Afrika – nicht schlecht. Sie werden zwar nicht gerade im Hilton leben, aber es ist alles sauber und ausreichend ausgestattet. Ich weiß das, weil ich selbst gelegentlich unten bin, um mit den Projektmitarbeitern zu sprechen.“

      Dr. Schuster überlegte ein paar Sekunden, was noch wichtig wäre.

      „Eines noch: Sie werden als Entwicklungshelfer von uns entsandt und es kann jederzeit sein, dass Sie von einer Stelle zu einer anderen versetzt werden. Im Extremfall kann das sogar bedeuten, dass Sie in ein anderes Land wechseln. Das kommt allerdings selten vor. Ich hoffe, das ist kein Problem für Sie.“ Dr. Schuster blickte Philipp an, der verneinte.

      „Etwas wird Sie vielleicht noch interessieren, nämlich die Höhe Ihres Bezuges.“

      Dr. Schuster nannte Philipp einen Betrag, der zwar an seinen Verdienst in der Bank nicht herankam, aber doch über seinen schlimmsten Befürchtungen lag. Dort unten würde er ohnehin nicht viel brauchen, und die paar Hunderter, mit denen er Julia unterstützte, würden sich auch mit diesem Salär noch ausgehen.

      „Keine Sorge,“ sagte Philipp aufrichtig, „mehr habe ich mir – ehrlich gesagt – ohnehin nicht erwartet.“

      „Na gut.“ Dr. Schuster stand auf. „Fürs Erste wäre dann alles besprochen. Darf ich Sie noch bitten, draußen den Fragebogen auszufüllen, damit wir Ihre Daten haben. Wir werden uns dann bei Ihnen melden, sobald wir Genaues über die Schulung wissen.“

      Er reichte Philipp die Hand zum Zeichen, dass das Gespräch beendet war. Dieser nahm sich draußen noch den Fragebogen vor und beschloss danach, einen Kaffee trinken zu gehen, da es erst halb fünf war. Er wollte das eben beendete Gespräch noch einmal Revue passieren lassen und auch darüber nachdenken, was er Babsi sagen sollte, mit der er um sechs verabredet war.

      Gleich gegenüber vom D.C.-Büro gab es eine nette Konditorei. Er musterte kurz das Angebot im Schaufenster und spazierte schließlich hinein. Da es – wie um diese Zeit nicht anders zu erwarten – ziemlich voll war, benötigte er eine Weile, um einen freien Platz zu finden. Schließlich machte er es sich an einem kleinen Tisch bequem, bei dem die Gefahr gering war, dass sich jemand zu ihm setzte. Während er Ausschau nach einem Ober hielt, durchfuhr es ihn plötzlich, als hätte er eine 1.000-Volt-Leitung mit bloßen Händen angefasst. An einem der Nebentische sah er ein bekanntes Gesicht. Es war Sarah, seine Ex-Frau. Sie saß zwei Tische weiter und ordnete irgendwelche Unterlagen. Im selben Moment, als er sie gesehen hatte, begann sein Herz mit doppelter Geschwindigkeit zu schlagen. Er überlegte kurz, ob er versuchen sollte, unauffällig hinaus zu kommen. Aus einem Zusammentreffen mit Sarah konnte nichts Positives heraus kommen, da war er sich hundertprozentig sicher. Das hatte er auch Julia gestern gesagt. Aber im selben Moment, als er darüber nachdachte, hatte Sarah ihn auch schon gesehen und winkte freundlich herüber. Philipp verzog das Gesicht zu einem Lächeln, so unbeholfen und gekünstelt, dass es schien, als hätte er sich einen Mokkalöffel quer in den Mund geschoben. In seiner Panik wusste er nicht, was er tun sollte. Da Sarah aber bereits ihre Papiere zusammengepackt hatte und auf dem Weg zu seinem Tisch war, brauchte er sich darüber nicht mehr den Kopf zu zerbrechen.

      „Hallo, Philipp, so ein Zufall, wie lange haben wir uns schon nicht mehr gesehen. Darf ich mich zu dir setzen?“ Sarah sah so aus, wie er sie in Erinnerung hatte, vielleicht war sie etwas schmaler geworden, was ihrem fein gezeichneten Gesicht aber nur noch mehr Reiz verlieh. Philipp betrachtete ihre Sommersprossen und die kurz geschnittenen rotbraunen Haare. Seltsamer Weise hatte er für einen Moment das völlig unpassende Bedürfnis, mit seiner Hand durch ihr Haar und über ihre Wangen zu streichen, wie er es früher immer getan hatte.

      „Natürlich, setz dich doch, es ist wirklich lange her. Wie geht es dir, was machst du mit den vielen Papieren da?“

      Philipp vermied es, anzusprechen, dass Julia ihm von ihrem Zusammentreffen erzählt hatte. Er wollte dem Gespräch keine zu ausführlichen Themen geben und es lieber bei Belanglosigkeiten belassen.

      „Danke, es geht mir gut. Ach das, die Urkunden brauche ich für etwas Bestimmtes, das ich vorhabe, nichts Besonderes.“

      Philipp kannte Sarah, wie er vielleicht niemanden sonst auf der Welt kannte. Ihre leicht geröteten Ohren verrieten ihm, dass auch sie nervös war und ihre innere Unruhe überspielte.

      „Hat Julia dir erzählt, dass wir uns gerade erst getroffen haben?“, fragte sie, wartete aber seine Antwort nicht ab, „wir haben wieder einmal über alles reden können, was in der Zwischenzeit passiert ist. Das hat mir richtig gut getan. Und jetzt treffe ich dich hier, nicht einmal eine Woche später.“

      Irgendwie hatte Philipp das Gefühl, dass Sarah den Tränen nahe war.

      „Ja, das ist wirklich ein Zufall. Julia hat mir von eurem Zusammentreffen erzählt. Ich sehe sie jetzt auch nicht mehr so oft, höchstens alle ein, zwei Monate schneit sie bei mir herein, und dann erzählen wir uns die Neuigkeiten, die sich in der Zwischenzeit angesammelt haben. Am Sonntag ist sie wieder einmal vorbei gekommen“, erwiderte er.

      „Wir haben auch ausgemacht, dass wir uns in Zukunft regelmäßig sehen“, sagte Sarah, und die Mischung aus Nervosität und kindlicher Freude, mit der sie erzählte, dämpften Philipps Ablehnung, dieses seit der Scheidung nach und nach immer fester gewachsene Gefühl, das er mit Sarah verband, einfach um mit der für ihn anfangs unvorstellbaren Tatsache der Trennung leben zu können. Aber bei jedem Wort von ihr erkannte er, dass dies alles nur aufgesetzt, nur antrainiert war und, wenn er nicht aufpasste, jederzeit abhanden kommen konnte.

      „Nachdem sie dich fast zehn Jahre überhaupt nicht interessiert hat.“ Die Antwort von Philipp kam von selbst, ohne dass er es wollte. Vorwürfe hatte es vor Jahren mehr als genug gegeben, im Grunde