Anele - Der Winter ist kalt in Afrika. Marian Liebknecht. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marian Liebknecht
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847634409
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Idee, wollte ich auch schon lange. Afrika, Sahara, Bürgerkrieg, jede Menge Aids, klingt verlockend. Aber jetzt einmal im ernst, ist an dem Ganzen was dran, oder willst du mich heute nur verarschen?“ fragte Julia.

      „Im Grunde stimmt’s. Die Idee mit Afrika habe ich erst seit gestern und sie ist noch recht vage.“ Philipp erzählte Julia von der Veranstaltung, die er gestern besucht und was für einen Eindruck sie auf ihn gemacht hatte. Als er fertig war, sah er sofort, dass Julia ihn voll und ganz verstanden hatte.

      „Und ist es dir wirklich ernst damit?“ fragte sie schließlich. „Glaubst du, es hält an, oder es ist nur so eine Idee, von der du zwar schnell begeistert bist, aber nach ein oder zwei Wochen sieht alles wieder ganz anders aus?“

      „Ich bin sicher, dass es keine vorübergehende Idee ist. Außerdem wird sich in der Bank nichts ändern. Ich kann höchstens Wetten darüber abschließen, wie lange es dauert, bis sie mir geradeheraus sagen, dass sie mich los sein wollen. Nein, vorübergehend ist diese Situation sicher nicht. Aber was hältst du davon?“ Philipp sah Julia erwartungsvoll an.

      „Ich weiß nicht, eigentlich hätte ich gedacht, ich kenne dich so gut, um zu wissen, dass du dich auf so etwas nie einlassen würdest. Aber jetzt, als du davon gesprochen hast, warst du so überzeugt, dass diese Idee das Richtige für dich wäre, dass ich dir da nichts raten möchte. Du solltest jedenfalls nichts überstürzen und in dich hineinhören. Wenn ich dich richtig verstanden habe, musst du ohnehin erst das ganze Drumherum klären. Mach das einmal, aber wenn du Bedenken bekommst, dann lass dir die Möglichkeit offen, dich anders zu entscheiden. Wenn ich es mir richtig überlege, wär‘s gar nicht so schlecht, jemanden in Afrika zu haben. Wir könnten dich ja dann besuchen kommen und dort billig Abenteuerurlaub machen.“ Plötzlich stutzte Julia, weil sie etwas vergessen zu haben schien und sagte dann: „Aber was ist mit Babsi? Willst du dich so mir nichts dir nichts von ihr trennen, was war eigentlich zwischen euch los?“

      „Letztes Mal, als wir uns gesehen haben, habe ich ihr von meinen Problemen in der Bank erzählt und sie hatte dafür überhaupt kein Verständnis, mehr noch, ich habe das Gefühl gehabt, wir haben nichts mehr gemeinsam. Und ich habe bemerkt, dass es ihr genauso gegangen ist. Außerdem kann’s kein Zufall sein, dass sie seither nicht mehr angerufen hat. Aber wenigstens die Sache mit Babsi werde ich heute klären. Über eines bin ich mir sicher, mitmachen würde sie dabei nie, aber das kann ich wahrscheinlich auch nicht verlangen.“

      „Und was ist, wenn du mit ihr Schluss machst und dann klappt das Ganze mit Afrika gar nicht? Dann bist du doch irgendwie der Lackierte, oder?“, fragte Julia.

      „Du wirst lachen, das hab‘ ich mir auch schon gedacht, aber vielleicht gehört das zu so einer Idee. Man muss Brücken abbrechen, ohne sicher zu sein, welche neuen Wege sich am Ende eröffnen. Außerdem, in meiner Beziehung zu Babsi ist so oder so der Wurm drin, egal ob aus meinen Afrika-Ideen was wird oder nicht“, sagte Philipp und war wieder einmal überrascht, was für ähnliche Gedanken er und seine Tochter hatten.

      „Aber wir reden dauernd von mir. Erzähl ein bisschen von dir! Was macht Walter?“, fragte er unvermittelt.

      „Ist dir die Konversation nicht mehr angenehm oder warum schwenkst du ab? Aber, danke, es geht recht gut. Walter geht’s auch sehr gut. Ach ja, das wird dich vielleicht interessieren. Er hat mir einen Heiratsantrag gemacht.“

      „Wie bitte?“ Philipp traute seinen Ohren nicht. Er benötigte ein paar Augenblicke, bis er etwas sagen konnte. „Im Ernst? Das glaube ich nicht. Was soll das für einen Sinn haben, ihr kennt euch doch noch nicht so lange. Und, was hast du ihm gesagt?“

      „Ah, das ist wirklich herzerwärmend, wie sehr du dich über diese Mitteilung freust. Mein Glück liegt dir ja anscheinend sehr am Herzen. Und – nur zu deiner Information – immerhin wohnen wir seit einem Jahr zusammen“, erwiderte Julia mit einer Entrüstung, an der nicht alles echt war.

      „Welches Glück? Ihr könnt doch beide noch gar nicht richtig auf eigenen Beinen stehen! Hast du den Antrag vielleicht angenommen?“ Philipp hatte Walter, wie alle bisherigen Freunde Julias, nur als Durchgangsstadium angesehen. Die Tatsache, dass die beiden nun schon einige Zeit zusammen lebten, hatte daran nichts geändert, weshalb die Nachricht vom Heiratsantrag seine Gefühle eingermaßen außer Kontrolle geraten ließ. Sein verletzender Ton fiel ihm in diesem Moment gar nicht auf.

      „Woher willst du wissen, dass ich es nicht getan habe? Im Übrigen, was hast du eigentlich plötzlich gegen Walter, wir passen im Grunde sehr gut zusammen. Und wenn ich den Antrag nicht sofort angenommen habe, dann nur deshalb, weil es etwas zu schnell geht. Aber grundsätzlich kann ich ihn mir sehr gut als Ehegatten vorstellen. Und wenn du weiter so idiotisch daher redest, nehme ich den Antrag schon deshalb an, weil ich dir damit eins auswischen kann.“

      Im Grunde konnte sich Julia selbst nicht vorstellen, Walter zum jetzigen Zeitpunkt zu heiraten und war nicht weniger über den Antrag überrascht gewesen als Philipp über ihre jetzige Mitteilung. Obgleich sie Walter sehr mochte, war sie noch so jung, es gab so Vieles in ihrem Leben, für das sie arbeitete und das sie erreichen wollte, warum sollte sie gerade jetzt etwas so Entscheidendes in ihrer Beziehung verändern? Natürlich hätte sie das ihrem Vater gegenüber niemals zugegeben. Allerdings hielt ihre eigene Einstellung in dieser Frage die Aufregung über Philipps heftige Reaktion doch einigermaßen in Grenzen.

      Er aber hatte das Gefühl, etwas zu weit gegangen zu sein.

      „Ich weiß, er ist ja ein ganz netter Kerl, aber du selbst hast doch immer gesagt, dass du in den nächsten zehn Jahren auf keinen Fall heiraten willst. Ich sehe keinen Grund, warum du diesen Vorsatz aufgeben solltest.“ Nach einer Pause sagte er: „Ich mach‘ mir ein Frühstück. Willst du auch was essen?“

      „Was gibt’s denn?“

      „Was du willst. Eier, Weißbrot, Schinken, Käse. Ich stelle alles auf den Tisch.“

      Philipps Wohnung war mit ihren 65 Quadratmetern zwar nicht besonders groß, sie war aber sehr durchdacht eingeteilt. Von der Eingangstüre kam man in einen kleinen Windfang, der in einen garconniereartigen Wohn- und Küchenbereich mündete. Ein großer Esstisch in der Mitte ließ den Raum sehr gemütlich wirken. Die Kochnische war funktionell ausgestattet und mit Kühlschrank, Mikrowellenherd und einem kleinen Kochfeld genau auf die Bedürfnisse von Philipp ausgerichtet, der sich zu Hause nur Kleinigkeiten zubereitete und meistens irgendwohin ins Gasthaus essen ging. Von diesem zentralen Wohnbereich ging ein kleiner Gang weg, von dem aus man das Bad und das Schlafzimmer erreichte.

      „Weißt du was“, fiel Julia plötzlich ein, „ich mach‘ uns eine Eierspeise, das hast du in der Früh immer am liebsten gehabt, daran hat sich doch nichts geändert?“ Sie stellte eine Pfanne auf den Herd, gab etwas Butter hinein und verrührte vier Eier in einem Glas. „Übrigens, ich muss dir was sagen! Ob du’s hören willst, weiß ich nicht, aber ich sag’s dir trotzdem. Ich hab‘ letzte Woche Mama getroffen. Sie ist schon die längste Zeit wieder allein. Wir sind in ein Café gegangen und haben ziemlich lange geredet. Mit ihrem Freund hat es angeblich schon sehr bald nicht mehr richtig geklappt. Sie lässt dir übrigens schöne Grüße ausrichten und mitteilen, dass sie auch dich ganz gern wieder einmal sehen würde.“

      Julia blickte Philipp an, um zu sehen, wie er diese Nachricht aufnahm. Sie wusste, dass die Scheidung nach wie vor der wundeste Punkt in seinem Leben war.

      „Ist das dein Ernst, sie will mich sehen? Was heißt, sie will mich sehen? Sie hätte mich die letzten acht Jahre jeden Tag sehen können, wenn sie es gewollt hätte. Aber wenn sie glaubt, ich tue jetzt so, als sei nichts passiert, dann täuscht sie sich.“ Philipp wusste selbst, dass er die Scheidung und alles, was damit zusammenhing, nie richtig verarbeitet hatte und er war sich nicht sicher, ob ihm das je gelingen würde. Für ihn war Sarah, seine Ex-Frau, die Person, die sein Leben kaputt gemacht hatte. Deshalb konnte er auch nicht begreifen, dass sie nun glauben konnte, man könne das Geschehene einfach so wegwischen.

      „Du brauchst deshalb nicht gleich auszuflippen. Vielleicht sollte ich überhaupt nicht mehr kommen. Bei allem, was ich sage, drehst du gleich durch“, beschwerte sich Julia.

      „Du solltest einmal mitkriegen,