Dämon III. Alfred Broi. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Broi
Издательство: Bookwire
Серия: Dämon
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742795526
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im ersten Moment nur zu erahnen, denn Horror hatte sich gerade ein ziemlich großes Fleischbällchen in Tomatensauce in den Mund gestopft und kaute herzhaft darauf herum. „…wenn das hier nur die Zwischenwelt ist, möchte ich echt wissen, wie das erst im Himmel werden wird!“

      „Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass du da jemals hinkommen wirst, oder?“ Heaven schaute ihn über die Tafel hinweg direkt an, doch ihr Blick verriet sofort, dass sie ihn nur ärgern wollte. Schon im nächsten Moment hatte auch sie ihre Augen geschlossen und ein leises, wollüstiges Stöhnen entfuhr ihr, als sie sich eine Gabel voll von dem griechischen Salat mit Schafskäse, Paprika und Oliven in den Mund steckte.

      „Im Himmel?“ Razor hatte ein kleines Stück Rinderfilet auf eine Gabel gespießt und betrachtete es in einer Mischung aus Ehrfurcht und Misstrauen. „Da ist die Auswahl auch nicht größer!“ Sein Tonfall war eher gelangweilt und gefrustet, deshalb hielten die anderen in ihren Bewegungen inne und starrten ihn verwundert an. Razor steckte sich das Filet in den Mund und kaute langsam darauf herum. Dann brummte er und plötzlich war ein sanftes Lächeln auf seinen Lippen zu erkennen. „Allerdings…!“ fügte er hinzu und kaute jetzt genüsslich. „…gibt es da bestimmt ein paar halbnackte Playboy-Bunnys, die dir die Teller reichen!“ Er grinste breit.

      „Playboy-Bunnys?“ rief Heaven und verzog das Gesicht. „Pah! Und was mache ich?“

      „Werde lesbisch!“ meinte Horror sofort ungerührt.

      „Von wegen!“ erwiderte die junge Frau. „Ich suche mir einen knackigen, jungen Dreamboy...!“ Ihr Gesicht hellte sich sichtbar auf. „Und während ihr euch hier eure Bäuche vollschlagt…!“ Ein breites Grinsen erschien auf ihren Lippen. „…vögele ich mir den Verstand aus dem Leib!“ Und bei diesem Gedanken strahlte sie förmlich.

      Silvia ging stumm neben ihrem Großvater auf der anderen Seite der unsichtbaren Bahre her. Ihre linke Hand lag auf ihr und hatte Christophers linke Hand umschlossen. Ihr Daumen rieb beständig und sanft über seinen Handrücken. Sie tat das auch, um ihre eigene Nervosität zu unterdrücken. Zwar war Christophers Hand noch immer weich und beweglich, doch spürte sie eine deutliche Kälte in ihr. Natürlich versuchte sie ihrem Großvater zu vertrauen, doch eigentlich war dieser Mann ja vor einem Jahr in New York gestorben und wer vermochte schon zu sagen, ob und wie viel von diesem einst so wunderbaren Mann noch in dieser Person steckte, die jetzt neben ihr ging – mochte sie ihm auch aufs Haar genau gleichen?

      Silvia vermied es, Christopher anzuschauen, denn sie konnte den Anblick der schmalen Wunde, die direkt über seinem Herzen klaffte, nicht ertragen. Obwohl der Blutfluss längst verebbt war, war seine Jacke getränkt damit und ein großer, dunkler Fleck zeugte von der Verletzung, die ihm das Leben gekostet hatte.

      Selbstverständlich machte sie sich auch große Vorwürfe, denn schließlich war Christopher nur wegen ihr in eine Situation geraten, die er nicht mehr kontrollieren konnte. Wenn sie nicht alles vergessen hätte, was ihr je lieb und teuer gewesen war, wäre all das nicht passiert. Wenn sie nicht mit Razor geschlafen hätte, hätte Christopher es auch nicht sehen können und darüber nicht so geschockt und verletzt reagiert, dass er vollkommen schutzlos nach draußen gelaufen wäre, wo er auf die Übermacht an Dämonen getroffen war, die ihn letztlich überwältigen und verschleppen konnten.

      Ja, all das wäre nicht passiert, wenn sie nicht schwach geworden wäre. Alles war einzig ihre Schuld und eigentlich hatte sie Christopher damit getötet und nicht ihr Großvater.

      Ein irrsinnig schmerzhafter Stich durchzuckte sie.

      Gott, sie hatte all das doch nie und nimmer gewollt. Und es war doch auch nur ein kurzer Moment der Schwäche gewesen. Jetzt wusste sie so klar, so deutlich und so unumstößlich, wie noch niemals zuvor in ihrem Leben, dass sie Christopher liebte und ganz sicher den Rest ihres Lebens mit ihm verbringen wollte.

      Genau das und noch so vieles mehr würde sie ihm sagen, wenn sie doch nur die Gelegenheit dazu bekommen würde. Sie würde sich bei ihm entschuldigen, ihm alles erklären und der echte Schmerz, den sie verspürte und den er sehen würde, würde dazu führen, dass er erkannte, dass sie die Wahrheit sagte. Und dann würde die Liebe, die beide verband, dafür sorgen, dass alles wieder gut werden würde.

      Plötzlich hoffte Silvia mit der ganzen Kraft ihres Herzens, dass ihr Großvater sein Vorhaben wahrmachen und Christopher zurück ins Leben holen konnte. Sie hoffte es, sie bangte darum – sie betete stumm dafür.

      *

      „Wir sind da!“ sagte Francesco unvermittelt und stoppte die unsichtbare Bahre.

      „Wo?“ Silvia wurde förmlich aus ihren Gedanken gerissen. Sie schaute sich schnell um, doch noch immer war überall nur ein unendliches, konturloses Weiß zu sehen.

      „Hier!“ Der Alte nickte auf die Stelle, wo sie standen.

      „Was ist hier?“

      Francesco wartete, bis Silvia ihn ansah, dann lächelte er. „Leben!“

      Und wie auf Kommando war plötzlich ein Summen zu hören und aus dem unsichtbaren Boden schob sich eine dunkelblaue, blass glänzende Apparatur in die Höhe. Sie sah aus wie ein Roboterarm mit einem Gelenk, welches jedoch nicht wirklich zu erkennen war, da alles wie aus einem Guss wirkte. Am Ende befand sich – ebenfalls in einer homogenen Verbindung – eine Art Schiene von gut anderthalb Metern Länge und rund zwanzig Zentimetern Breite. Der Arm drehte sich so, dass sie etwa zehn Zentimeter unterhalb von Christophers Körper waagerecht zum Erliegen kam und dann lautlos und sehr langsam weiter in die Höhe gedrückt wurde, bis sie schließlich direkt unter der Wirbelsäule abstoppte. Ein leises Zischen ertönte und dann erzitterte Christophers Körper ganz leicht. Silvia erschrak und schaute nervös zu ihrem Großvater, doch der blickte nur mit einem Lächeln auf den leblosen Körper. Einige Sekunden geschah scheinbar nichts, dann aber drang ein milchiges, schwach pulsierendes Leuchten durch Christophers Brustkorb. Silvias Pulsschlag erhöhte sich, ihre Zuversicht stieg.

      Einen Augenblick später aber setzte ihr Herz für einen Schlag aus und sie wusste ganz sicher nicht mehr, was hier geschah.

      *

      Urplötzlich zuckte der Roboterarm, auf dem Christopher jetzt offensichtlich festgeschnallt war, nach hinten weg und schoss gleichzeitig in die Höhe. Dort, etwa drei Meter über ihnen leuchtete ein Rechteck in hellroter Farbe an der imaginären Decke auf. Der Roboterarm fuhr direkt darunter und verharrte, während eine dünne dunkelrote Linie wie bei einem Scanner über seinen Körper huschte. Als das erledigt war, ertönte eine Art Hupen, das Rechteck erlosch wieder und der Roboterarm zuckte zurück, jedoch nur, um zwischen Silvia und ihrem Großvater in die entgegengesetzte Richtung zu sausen. Die junge Frau war längst perplex, doch auch der Alte war total verblüfft und unsicher. Als der Arm wieder verharrte, war er in eine Art kleine Kammer eingefahren, die sich urplötzlich neben ihnen geöffnet haben musste. Christophers Körper lag waagerecht. Einen Augenblick später ertönte ein kurzes Fiepen, es flammte über ihm ein grelles weißes Licht auf, dann schien die Lichtquelle zu explodieren. Silvia fühlte sich sofort an das Blitzlicht einer alten Spiegelreflexkamera erinnert. Noch während das Licht verging, drehte sich der Roboterarm blitzschnell herum, sodass Christophers jetzt mit dem Gesicht nach unten an der Schiene klemmte. Sofort flammte ein weiteres grelles Licht auf, ein Fiepen, dann eine zweite Explosion.

      Während das Licht jetzt verging, fuhr der Roboterarm langsam wieder zurück zwischen Silvia und dem Alten, wobei er sich wieder herumdrehte, und verharrte dort.

      Silvia schaute auf Christopher, doch es war keine Veränderung an ihm zu erkennen. Angst kam in ihr auf und sie starrte ihren Großvater an, in dessen Gesicht sie jedoch nichts außer Verwirrung und gleichsamer Sorge erkennen konnte.

      Dann ertönte plötzlich eine ganze Vielzahl unterschiedlicher Geräusche gleichzeitig: Brummen, Rattern, Rumpeln, Rauschen, Ächzen, Poltern, Hupen, Knirschen und vieles mehr und alles so laut, dass es in den Ohren schmerzte. Silvia und der Alte fuhren zunächst erschrocken zusammen und blickten sich dann sorgenvoll um, doch die Quelle der Laute war nicht auszumachen,