„Dafür werden Sie bezahlen.“
„Aber nicht mehr in Euro.“
Verwirrt starrte Steiger in die Nacht. Drei Sekunden brauchte er, bis der Groschen fiel.
„Mir egal in welcher Währung.“
„Robert da bist du ja.“ Der Innenminister hatte die Geduld verloren und sich auf die Suche nach Steiger begeben und endlich war er fündig geworden.
„Ich bin sofort bei dir.“ Steiger löste sich vom Geländer „Ich höre von Ihnen“, sagte er leise.
„So wird es sein.“
Von Carstheim spürte den feindseligen Blick des Innenministers in seinem Rücken. Er strafte ihn mit Nichtbeachtung und bewegte sich gemächlich in den unter der Terrasse gelegenen Park. Das Gespräch war gut verlaufen und dass der Innenminister sie erwischt hatte, war geradezu perfekt. Unsicherheit und Misstrauen innerhalb der deutschen Politik war das, was die Sezession brauchte. Von Carstheim umrundete die Skulptur eines in Granit gehauenen Löwen. Die Terrasse lag vor ihm und er konnte den Innenminister sehen, wie der auf Steiger einsprach. Steiger antwortete einsilbig, was den Innenminister dazu bewog, einen bösen Blick in den Park zu werfen.
„Ich muss Schluss machen.“
„Was.“ Von Carstheim durchforstete die Nacht, um die Frau zu finden, die zu der Stimme gehörte, die ein kalter Windhauch zu ihm geweht hatte.
Er konnte sie aber nicht finden. „Hallo“, sagte er in die Dunkelheit.
„Ich werde das Hotel weiterempfehlen. Wo begegnet man schon einem Milliardär, dessen Hobby Ländernopoly ist.“
„Würden Sie bitte aus dem Dunkeln hervortreten, damit ich mich vorstellen kann? Ich muss mich meinem Stand entsprechend an die Etikette halten“, sagte von Carstheim mit derselben Ironie wie die Frau.
„Wie unhöflich von mir.“
Von einer Konifere lösten sich nun schulterlange, dunkle, leicht gelockte Haare, die ein schmales Gesicht umgaben. Die Frau trug eine Brille und erweckte einen ehrgeizigen Eindruck. Von Carstheim deutete eine Verbeugung an.
„Gestatten, Freiherr Adrian Benedikt von Carstheim.“
„Dana Engelhard, Bürgerin und Staatssekretärin des Bundes“, stellte Dana sich ihrerseits vor.
„Das könnte bedeuten, dass Sie nicht besonders gut auf mich zu sprechen sind, was ich sehr schade fände. Ich bin es aber gewohnt, dass man mich wegen meiner Herkunft schneidet.“
„Noch kann ich nicht sagen, ob ich Sie nicht leiden mag.“
„Das nenne ich Demokratie.“ Von Carstheim fühlte sich gut unterhalten. Die junge Politikerin war nicht ohne Reiz und er vermutete eine unterdrückte Leidenschaft in ihr.
„Wie wäre es mit einem kleinen Spaziergang, damit ich Ihnen die Regeln des Ländernopoly erklären kann. Ein kompliziertes und vor allem teures Spiel.“
„Können wir machen. Wenn ich aber beschließe, dass ich Sie nicht leiden kann, gehen wir getrennte Wege.“ Auch Dana konnte der außergewöhnlichen Situation nicht widerstehen.
„Nur fair und um es Ihnen leicht zu machen, mich zu mögen, könnte ich damit beginnen ihnen zu erzählen, wie meine Familie an den Adelstitel gekommen ist. Das zieht immer.“
„Fangen Sie an. Geschichte ist mein Steckenpferd.“
Wie von beiden erhofft, ergab in der Folgezeit ein Wort das andere.
Allerdings vermieden von Carstheim und Dana es, das Thema Sezession in den Mund zu nehmen. Die Situation war die zweier Katzen, die um den heißen Brei schlichen. Jede wollte als erste an den Napf, sich aber nicht die Schnauze verbrennen.
„Ich muss zurück zur Party, man vermisst mich sicher schon“, beendete von Carstheim das intellektuelle Versteckspiel. Gleichwohl wollte er in naher Zukunft für eine Fortsetzung des Gesprächs sorgen.
„Darf ich noch eine Frage stellen? Warum die Volksabstimmung?“ Sanft legte Dana ihre Hand auf seinen Arm.
Die Berührung ließ von Carstheim an seinen Vater denken. Dank seines Adelstitels hatte der einen enormen Erfolg bei Frauen und auch während der Ehe hatte er diesen ausgelebt. Die Scheidung war schmutzig und Sara, Friedrich und er hatten zu ihrer Mutter gehalten. Der Kontakt zu seinem Vater war fast gänzlich abgebrochen und aus der kindlichen Bewunderung wurde innerhalb kürzester Zeit tiefe Verachtung. Jahrelang herrschte Funkstille. Bei einem langweiligen Adelstreffen hatten sie sich aber zufällig getroffen. Sein Vater hatte ihn angesprochen und auf eine Frau gedeutet, die zum ältesten Adel Norwegens gehörte.
„Adrian, wenn eine Frau den ersten Körperkontakt mit dir aufnimmt, ist das ein sicheres Zeichen, dass du ihr gefällst. Von da ab musst du deine Karten nur noch ausspielen und du kannst mit ihr machen, was du willst. Denk daran, die Wohlerzogenen sind die Schlimmsten. Sie wollen ausbrechen.“
Schnurstracks war sein Vater zu der Norwegerin gelaufen.
Dana war schon so weit von Carstheim anzustoßen. Doch der Schleier der Vergangenheit löste sich von selbst.
„Wenn wir jetzt nicht eingreifen, ist es bald zu spät“, erklärte von Carstheim. „Wir haben bereits zu lange gewartet. Deutschland kann den nötigen Neuanfang nicht mehr schaffen. In der Bundesrepublik gibt es zu viele Interessengruppen. Die Berliner Politik will aber alle bedienen. Und es ist eine alte Weisheit, dass man nicht jedem Gott dienen kann. Der Druck des Weltmarktes steigt aber unaufhörlich. Die Herausforderungen, die uns im Kampf um den Wohlstand gestellt werden, sind extrem. Nur wer bereit ist, die eigene Trägheit zu überwinden, kann sich den neuen Gegebenheiten erfolgreich anpassen. Für den Süden Deutschlands bedeutet das, den schmalen Pfad der Unabhängigkeit zu betreten. Viele Länder der asiatischen Welt haben Deutschland bereits eingeholt, einige haben uns sogar überholt. Deswegen müssen wir unser Land für die neuen Anforderungen rüsten. Und das kann dem Süden einzig auf diese Weise gelingen.“
„Natürlich, Sie reißen sich schließlich die wirtschaftlich stärksten Bundesländer unter den Nagel“, warf Dana sarkastisch ein. Von Carstheim zauberte ein überlegenes Lächeln.
„Ich bin entzückt, dass es sich bei den drei Bundesländern um die Sahnestücke unseres Staates handelt. Normalerweise denken die Berliner doch, sie wären die Größten.“
Von Carstheim bemerkte, dass Dana sich seinem Charme nicht entziehen konnte.
Nebeneinander liefen sie auf die Terrasse des Hotels. Sara und Friedrich standen in einer Gruppe, zu der auch der Innenminister gehörte.
„Adrian, wir brauchen deine Hilfe. Sara und ich rätseln, wer in Deutschland zuletzt des Hochverrats angeklagt wurde. Der Herr Innenminister hat orakelt, dass es bald wieder so weit sein könnte“, rief Friedrich. Ihm und Sara war nicht entgangen, dass ihr Bruder verschwunden war und jetzt mit einer Frau auftauchte, mit der er sich augenscheinlich gut verstand.
„Spontan fällt mir von Stauffenberg ein. Im Nachhinein erklärte die Geschichte ihn aber zum Helden.“
„Jaja, der Adel unter sich“, erwiderte der Innenminister abfällig. Das spontane Aufeinandertreffen mit von Carstheim war ungewollt. Für ein direktes Duell mit ihm war es noch zu früh.
„Wie ich sehe, haben Sie Herrn von Carstheim bereits kennengelernt. Seien Sie vorsichtig, er könnte Sie arbeitslos machen“, sagte der Innenminister voller Hohn an Dana gerichtet.
„Das ist das Letzte, was ich will“, beeilte sich von Carstheim mit einer Antwort. „Im Gegenteil, ich möchte, dass die Politiker endlich beginnen, fürs Volk zu arbeiten. Sollte ich mich durchsetzen, werden sie nicht mehr in schicken Hotels feiern und Steuergelder verschwenden können. Doch das ist ein anderes Thema und ich muss mich jetzt verabschieden.“
„Reisende soll man nicht aufhalten.“
„Wenigstens