Sie erzählten und erzählten, entdeckten, dass sie beide klassische Musik mochten, am liebsten Mozart, und gern lasen.
„Im Winter mutiere ich zum Bücherwurm“, bemerkte sie mit einem Lächeln.
„Hast du einen Lieblingsschriftsteller?“, fragte er.
„Ich bin nicht festgelegt. Wenn es sich um gute Prosa handelt, bin ich dabei. Zurzeit lese ich einiges von Mario Vargas Llosa. Das hängt mit meiner Reise nach Peru zusammen. Kennst du Das böse Mädchen, Das Paradies ist anderswo oder Tod in den Anden?“
„Das Paradies ist anderswo habe ich mehr als einmal gelesen; was für ein Stoff und was für ein Schreibstil!“
Sie schaute auf ihre Uhr. „Wir könnten noch ein paar Schritte durch den Park gehen. Es ist Frühling.“
„Oh ja.“ Er bezahlte die Rechnung und gab Herrn Ferdinand ein nicht zu knappes Trinkgeld.
Sie bedankte sich und schickte ihr strahlendes Lächeln in seine Augen.
Er lächelte zurück, erhob sich und reichte ihr eine Hand. Vor dem Café legte er seinen Arm um ihre Taille und sagte: „Ich mag dich.“
Als sie antwortete: „Ich mag dich auch“, zog er sie zu sich und küsste sie zart auf den Mund. So nah bei ihr, nahm er wieder ihren aufregenden Duft wahr. „Was ist das für ein Parfüm, das so gut riecht?“
„Eternity, von Calvin Klein.“
„Ich finde, es passt zu dir“, sagte er.
„Danke, ich freue mich, dass du diesen Duft magst.“
Sie schlenderten vorbei an den in voller Pracht stehenden Tulpen und den schon verblühten Narzissen, küssten sich wieder, knabberten und saugten an ihren Lippen. Es war perfekt: Die Sonne schien, eine Amsel sang, und Johann Arm in Arm mit Susanne.
Als sie sich ihrem Auto, einem silberfarbenen Peugeot 206, näherten, fragte sie: „Wann können wir uns wieder sehen?“
„Leider nicht vor nächstem Samstag. Wir haben während der ganzen Woche eine Delegation aus Kenia in der Firma, für die muss ich mich auch abends frei halten. Die wollen unseren Wasserfilter in Ostafrika vertreiben.“
„Gut, dann bis nächsten Samstag. Wieder um drei Uhr in unserem Café?“, fragte sie.
„Ja. Du wirst mir fehlen.“
Noch eine Umarmung, noch ein Kuss, dann stieg sie in ihr Auto und fuhr los. Er winkte ihr nach, bis sie in einer Kurve verschwand.
Am Montagabend zeigte Johann den kenianischen Gästen seine Stadt, ein Städtchen, das in vergangenen Jahrhunderten durch seine Lage an einer Handelsstraße zu Wohlstand gekommen war. Die alte, zu groß erscheinende Kirche, mehrere Patrizierhäuser mit gepflegten Innenhöfen, ein erhaltenes Stadttor (das sich nach Osten öffnende) und eine Häuserzeile aus dem siebzehnten Jahrhundert belegten die frühe Größe.
Aber noch mehr als die sorgfältig renovierten Bauwerke, die stolz aus der Geschichte strahlten, weckte eine Erscheinung am Himmel das Interesse seiner Gäste. Das Flugobjekt versetzte sie regelrecht in Ekstase.
„Look, look, look“, rief einer und zeigte mit der Hand auf einen Zeppelin, der am Himmel schwebte. Nun starrten auch die beiden anderen nach oben und staunten. „Strange“, sagte einer, und „beautiful“ ein anderer. Mit beautiful meinte er vermutlich die Blumen, die auf die Zeppelinhaut gemalt waren. Der Schriftzug Mainau machte deutlich, dass dieses Luftschiff Reklame für die Blumeninsel Mainau machte.
Johann sagte ihnen, er sei genauso überrascht gewesen wie sie, als er zum ersten Mal einen Zeppelin am Himmel gesehen habe. Das sei eine Besonderheit dieser Region. Über die Jahre hätten sich die Leute, die hier lebten, an die fliegende Zigarre gewöhnt, weil sie fast jeden Tag über sie hinweg treibe. Zeppeline würden hier in der Nähe, in Friedrichshafen, gebaut und mit Helium, einem Edelgas, das viel leichter ist als Luft, befüllt.
Fragen prasselten auf ihn ein: Wie groß? Wie hoch? Wie schnell? Wie viel Menschen an Bord? Johann war auf solche Fragen vorbereitet, denn er hörte sie immer wieder von seinen Gästen, auch von manchen aus Deutschland. Dieser Zeppelin sei fünfundsiebzig Meter lang, sagte er, und damit größer als das größte Passagierflugzeug. Er werde von einer Art Schiffsschraube am Heck angetrieben und erreiche eine Geschwindigkeit von ungefähr siebzig Kilometer pro Stunde. Die Rundflüge begännen am Hangar in Friedrichshafen. Von dort gehe es hoch auf dreihundert Meter und dann hinaus in nahe und ferne Regionen. An einem klaren Tag, wie heute, müsse der Blick von oben großartig sein.
Während sie sich unterhielten, waren sie langsam weiter gegangen und näherten sich jetzt dem Rebstock, einem alten badischen Restaurant, in dem man in angenehmer Umgebung gut essen konnte. Johann legte Wert darauf, seinen Geschäftspartnern auch menschlich nahe zu kommen, etwas über ihre Lebensumstände und ihren Charakter zu erfahren. Dies gelang am besten beim Essen und Trinken in entspannter Atmosphäre.
Als er mit drei Afrikanern das Lokal betrat, flog mancher Kopf in seine Richtung. Katharina, die Tochter des Hauses, schön gekleidet in einer badischen Tracht, kam lächelnd zu ihm, dem treuen Kunden und guten Bekannten, begrüßte ihn und seine Gäste und führte sie zu einem großen runden Tisch in einem Erker. Den Tisch hatte er am Vormittag von Mary reservieren lassen, denn ohne Vormerkung war es nahezu unmöglich im Rebstock, der auch am Montagabend voll besetzt war, Platz für vier Personen zu bekommen.
Astrid, Katharinas junge Gehilfin, brachte die Speisekarten. Jetzt, zur Spargelzeit, gab es im Rebstock eine über die Stadtgrenze hinaus gerühmte Spargelplatte mit weißem und grünem Spargel, Kartoffeln und Flädle (wie man dünne Eierpfannkuchen hier nennt), dazu gerauchten und gekochten Schinken und zwei verschiedene Saucen, Hollandaise und Bernaise. Auf die Frage, welches Gericht er ihnen empfehlen könne, beschrieb Johann seinen Gästen die Spargelplatte mit so viel Feuer, dass sie sofort zustimmten. Ihm lief schon das Wasser im Mund zusammen. Er winkte Katharina herbei und bestellte für alle vier die Spargelplatte und zum Trinken ein Flasche trockenen Riesling vom Bodensee und einen Krug stilles Wasser.
Gerade hatte Katharina die Bestellung aufgenommen und ging in Richtung Küche, da erfuhr Johann, dass einer seiner Gäste Moslem war. Er rief Katharina zurück, nannte ihr das Problem und fragte, was sie an Stelle von Schinken servieren könne. Sie schlug gegrillte Hähnchenbrust vor und erhielt vom Moslem ein freudiges “yes please.“
Der Zeppelin musste seine Geschäftspartner stark beeindruckt haben, denn sie waren mit ihm noch nicht fertig, wollten alles noch einmal hören. Ob er selbst einmal mit dem Luftschiff geflogen sei, fragte einer.
Nein, noch nicht, antwortete Johann, aber er wolle das bald nachholen. Er warte auf einen besonderen Anlass. Weil in der kleinen Gondel nur zwölf Passagiere Platz fänden, seien Flüge mit dem Zeppelin ziemlich teuer.
Katharina brachte Wein und Wasser, entkorkte den Riesling und goss Johann eine kleine Menge in sein Weinglas, damit er die Güte prüfen konnte. Johann ließ einen Schluck über Zunge und Gaumen rollen. Als er „fein“ sagte, schenkte sie ihm und den beiden dem Alkohol nicht abgeneigten Afrikanern Wein ein und dem Moslem Wasser.
Johann hob sein Glas und prostete den anderen zu, wünschte ihnen gute Gesundheit und Erfolg. Mit Freude gaben seine Gäste die guten Wünsche zurück. Darauf tranken alle einen Schluck. Das Gespräch wanderte vom Zeppelin zu Frauen und Kindern. Als er ihnen erzählte, dass er seit dem Tod seiner Frau vor drei Jahren allein mit seinen beiden Töchtern lebe, sahen sie ihn ungläubig an und fragten, ob es in Deutschland keine heiratswilligen Frauen gäbe. Doch, sagte Johann, er habe es auch schon mit mehreren versucht aber die Richtige noch nicht gefunden. Einer meinte, er habe eine unverheiratete Schwester, eine Lehrerin, die er ihm bei seinem nächsten Besuch in Kenia vorstellen wolle. Johann lächelte und sagte höflich, dass er die Schwester gerne kennenlernen würde.
Zu seinem Glück kam es zu keinen weiteren Vorschlägen, weil sich nun alle auf Katharina konzentrierten, die zusammen mit Astrid