Mordsschock!. Gaby Hoffmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gaby Hoffmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847656647
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die mir überrascht versicherten, die Frist laufe weiter.

      Stirnrunzelnd blätterte ich Krügers Unterlagen durch. Dort stand die Absage schwarz auf weiß!

      Morgen war die Politparty bei Ken Winter. Ich beschloss, Augen und Ohren offen zu halten und dort das Thema bei passender Gelegenheit anzusprechen.

      Kapitel 7

      Ich stellte meinen Kleiderschrank auf den Kopf. Nichts Passendes! Für Rosenhagens konservative Politiker waren meine Klamotten zu schrill.

      Piepsend kündigte mein Handy eine SMS an. Schlecht gelaunt, las ich sie, während ich weiter den Schrank durchwühlte. ‚Ist Rauchen im Schemilabor wircklich so schlim? Vic.‘

      ‚Elfjährige sollten überhaupt nicht rauchen, weder im Chemielabor noch sonst wo. Stattdessen müssen sie deutsche Grammatik pauken‘, schrieb ich ihr zurück. Ich hatte gehofft, dass Sophies korrektes Vorbild ein bisschen auf meine rotznäsige Schwester abfärben würde. Aber das war offensichtlich Fehlanzeige.

      ‚Bäh! Biest nicht besser als meine Lehrer‘, kam die Antwort prompt.

      Ich holte ein langes, pink-metallic schimmerndes Kleid, nach unten geschlitzt und oben durch zwei dünne Spaghetti-Träger gehalten, hervor. Strikt auf Figur gearbeitet. Ich drehte und wendete mich vor dem Spiegel. Als Jugendliche war ich unglücklich über meine knabenhafte Figur gewesen. Eine Bohnenstange ohne jede weibliche Ausbuchtung. Nur Tante Carlottas Versprechen „Pass mal auf, Nina, wenn du zwanzig bist, wirst du bestimmt so dick sein wie ich!“ tröstete mich damals ein wenig. Oh, wie hatte ich darauf gehofft und war mit zwanzig heilfroh, als diese Prophezeiung nicht eintraf.

      Ich streckte den Busen vor und schob jeweils eine zusammengefaltete Slipeinlage in den BH. Das pushte besser als jeder Wonderbra. Um den seriösen Touch zu wahren, ich ging ja im Dienst zur Party, drehte ich meine Haare zu einer Banane am Hinterkopf zusammen. Etwas Metallic-Lidschatten und metallic-glänzender Lippenstift, damit es nicht zu streng aussah. Der Clou waren meine metallic-lackierten Fußnägel, die in den hochhackigen Riemchensandaletten klasse zur Geltung kamen.

      Die frühe Maisonne strahlte mit aller Kraft vom wolkenlosen tiefblauen Himmel. Perfektes Wetter für ein Gartenfest. Ken Winter musste einen guten Draht zu Petrus haben. Ich kurbelte die Scheibe runter und genoss die samtene Frühlingsluft, die nach frisch gemähtem Gras und taubesetzten Blüten duftete.

      Ich bog in eine Straße ein, die bei ‚Monopoly‘ vermutlich die begehrte ‚Parkallee‘ oder ‚Schlossstraße‘ gewesen wäre. Donnerwetter! Ich pfiff durch die Zähne. Keines der Anwesen war von der Straße aus zu sehen. Imposante Torbögen, Mauern, Bäume und ellenlange Auffahrten versperrten die Sicht auf die Häuser. Ich prüfte die Adresse der Visitenkarte. Die Vielzahl parkender Autos verriet mir, dass die Party in vollem Gange war. Verschämt platzierte ich meinen Polo, der neben den Nobelkarossen etwas aus dem Rahmen fiel, hinter einer Wegbiegung, die in ein Waldstück mündete. Ich dachte kurz daran, wie Lila und ich uns früher Männer nach Automarken ausgesucht hatten, weil wir beispielsweise den Sommer unbedingt in einem schicken Cabriolet verbringen wollten. Hier wären wir fündig geworden!

      Ich stöckelte auf meinen hohen Riemchensandaletten eine der ellenlangen Auffahrten, die links und rechts von prächtigen rot und weiß blühenden Rhododendrenbüschen gesäumt wurde, entlang, bis ich vor einem weißen Haus im Landhausstil mit Erker und geschwungenem Glasvorbau stand. Ich folgte dem Lärm und stakste an der Seite vorbei in den Garten, wo die Gäste an Stehtischen unter schneeweißen Sonnenschirmen mit spitzen Fingern Häppchen verspeisten oder mit langstieligen Gläsern in der Hand zwischen Blumenrabatten und den alten Bäumen, die das parkähnliche Grundstück begrenzten, lustwandelten.

      Auf der Terrasse war ein riesiges Büfett aufgebaut, hinter dem ein Mann mit Kochmütze gerade Suppenteller füllte. Neben dem Büfett stand eine Möbelkollektion aus Teakholz. Hier tranken die älteren Leute ihre Weinschorle. Die Gerüche der alkoholischen Gärung vermischten sich mit Antipastadüften, Parfümwolken, Aftershaveschwaden, Selbstbräunerausdünstungen und dem sinnlichen Repertoire der Natur.

      Irgendwo erklang im Hintergrund dezente Jazzmusik zur Untermalung, begleitet von dem Zirpkonzert der ersten Grillen in diesem Jahr und dem der Gäste. Summen, Raunen, Tuscheln, Zwitschern, Plaudern und Lachen in Basstönen bis hin zu höchsten Sopranstimmen erfüllten den Garten wie ein von unsichtbarer Hand dirigiertes Orchester. Wangenküsse knallten zur Begrüßung schnalzend durch die Luft. Schulterklopfen und ein achtlos dahingeworfenes „wie geht‘s?“ schallte zu mir rüber. Ehe die Antwort kam, zog der Frager weiter zur nächsten Gruppe und so fort ...

      Ich holte mir ein Glas mit Pfirsichbowle, um mich daran festzuhalten. Unschlüssig schaute ich mich nach einem bekannten Gesicht um.

      Ken Winter flog pfeilschnell in handgenähten Schuhen über den kurzgeschorenen Rasen auf mich zu. Der blau schimmernd Anzug – Seide? – betonte seine intensiven blauen Augen in dem gebräunten Gesicht. Der ganze Mann leuchtete von innen heraus. Kein Wunder: Wer seinen Gästen ein solches Ambiente bieten konnte, durfte strahlen. Mir drängte sich wieder der Vergleich mit dem perfekten Barbiemann auf.

      Er freute sich über meine Gegenwart. Zumindest gaukelte er es mir vor.

      Und ich glaubte es gerne.

      „Schön, Sie zu sehen! Darf ich Ihnen ein Glas Sekt bringen?“

      Er durfte.

      Ich kippte die Pfirsichbowle hinunter, spießte die alkoholgeschwängerten Früchte auf und vernaschte sie. Weich wie ein Wattebausch schmiegte sich ihr pelziges Fleisch an meinen Gaumen, und ich sog den süßen Saft heraus. Ups, zu schnell auf nüchternen Magen! Ich griff nach einem Sonnenschirmständer in der Nähe und packte den Stiel. Dann hangelte ich mich zu einem der Stehtische rüber. Ich holte tief Luft und klammerte mich an der Tischplatte fest. Als Ablenkungsmanöver ließ ich meine Blicke über die Gesellschaft schweifen.

      Blau schien in der Kleiderordnung die Pflichtfarbe zu sein. Zumindest für Frauen. Manche Männer flanierten auch in grauen oder schwarzen Anzügen umher. Wie eine Herde trabten sie unruhig über den Rasen, mischten sich mal mit dem und mal mit dem, wechselten von Gruppe zu Gruppe, als hätten sie Angst, etwas zu verpassen. Während sie sich unterhielten, flatterte ihr Blick bereits voraus.

      Die anwesende Damenwelt glich der Bordbesetzung einer Lufthansa-Boing. Ein dunkelblaues Kostüm, ab und zu durch ein neckisches Hermès-Halstuch aufgepeppt, perfektionierte den Stewardessen-Look.

      Eine aus dem ‚Club‘, offensichtlich ein emanzipiertes Exemplar so um die vierzig – sie trug die dunkelblaue Variante als Hosenanzug –, begrüßte mich: „Ich bin Sylvie Winter.“ Die Hausherrin war eine attraktive Erscheinung. Gepflegt, schlank, dezentes Make-up. Neidisch schielte ich auf ihre rotblonde üppige Haarpracht, modisch kurz geschnitten. „Wollen Sie sich nicht am Büfett bedienen?“, lud sie mich unverbindlich lächelnd ein.

      Mein Gleichgewichtssinn erholte sich langsam. Ich schnappte mir einen Teller und wählte mit Bedacht auf das enge Kleid eine bescheidene Auswahl Antipasti.

      Ken Winter drückte mir ein Sektglas in die andere Hand. Er folgte mir wie ein Schatten. Heute einen halben Kopf kleiner als ich wegen meiner hohen Hacken. Kichernd witzelte er über die Häppchen, leerte seinen Teller im Nu und naschte von meinen Antipasti. Er grabschte eine Olive von meinem Teller und starrte mir tief in die Augen, während er sie genüsslich verspeiste.

      Sein Verhalten verwirrte mich. Rasch trank ich das Glas Sekt in einem Zug aus.

      Kaum, dass ich das leere Glas abgestellt hatte, drückte mir Winter ein gefülltes in die Hand und prostete mir zu. Anschließend deutete er vielsagend auf meinen halbvollen Teller.

      „Ich esse langsam. Das ist gut für die Figur“, stammelte ich und dachte im nächsten Moment, dass das das Blödeste war, was ich je gesagt hatte.

      Ihn störte es nicht. Er lächelte mich lausbübisch an, wobei sich die kleinen Fältchen in dem gebräunten Gesicht zusammenzogen. „Aber in das Kleid geht noch eine Menge rein!“

      Normalerweise