Augen wie Gras und Meer. M.T.W. Mayer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: M.T.W. Mayer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738036176
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Tanz mit mir und auf deinen Lippen zeigt sich endlich wieder ein Lächeln“, versprach die junge Gauklerin. Doch Aret beachtete sie nicht weiter und nahm wieder einen Schluck aus seinem tönernen Becher. Zinaidas Augen weiteten sich vor Empörung, sicherlich hatte sie noch nie ein Mann derart behandelt. Doch bevor sie etwas sagen konnte, taumelte der angetrunkene Manuél in ihre Richtung.

      „Traumhafte Zinaida, Engel meiner Träume, schenke mir einen Tanz und erlöse mich von meinen Qualen!“ Milia hatte ihn vorher kaum sprechen hören, seinem Dialekt nach schien er von der iberischen Halbinsel zu kommen. Seine Schmeicheleien schienen Zinaida zu besänftigen. Als er an sie herankam, flüsterte er ihr wohl noch weitere ins Ohr, sodass sie freudig mit ihm um das Lagerfeuer tanzte. Aret beobachtete die Beiden abschätzig.

      Die junge Atlanterin fühlte sich immer unwohler. Am liebsten wäre sie in die Kutsche gestiegen, um von all diesen fremden Menschen entfernt zu sein. Ein jeder könnte entdecken, wer sie war und damit wäre dessen und ihr Tod besiegelt, da war sie sich sicher. Doch Aret machte keinerlei Anstalt, das Fest vorzeitig zu verlassen. Auch Ebos anfängliche Nervosität legte sich langsam und er betrachtete das Geschehen um ihn herum mit zunehmender Neugier.

      Nach einiger Zeit ohne Zwischenfälle begann sich auch Milia langsam etwas zu beruhigen. Offensichtlich schenkte ihr niemand große Beachtung, und im Gegensatz zu ihrem bisherigen Leben war sie froh darum. Doch dann trat Eero, der Kartograph mit dem rötlichen Bart, an sie heran und verneigte sich kurz.

      „Darf ich darauf hoffen, dass die junge Dame mir einen Tanz gewährt?“

      Milia erstarrte. Auch Ebo und Aret waren augenblicklich angespannt.

      „Ich weiß, ich weiß. Vermutlich seid Ihr weniger … ausgelassene Tänze gewohnt, aber ich bin mir sicher-“

      „Nein“, unterbrach Aret den Mann scharf. „Sie tanzt nicht.“

      Eero blickte ihn kurz erschrocken an, dann umspielte wieder ein Lächeln seine Lippen.

      „Keine Sorge, ich bringe sie unbeschadet zurück.“

      Aret sprach nun langsam und drohend. „Sie wird nicht tanzen.“

      Milias Hände wurden schweißnass. Er sollte endlich verschwinden! Sah er denn nicht, in welche Gefahr er sie und sich damit brachte?

      Eero blickte Aret einige Zeit schweigend an, dann schüttelte er kaum merklich den Kopf. „Nun gut. Aber ich hoffe doch sehr, dass dein Beschützerinstinkt nicht zu weit geht.“ Mit diesen Worten ging er. Aret schien wütend darüber, derart vertraut von Eero angesprochen worden zu sein. Doch er blieb sitzen. Milia atmete erleichtert aus. Hoffentlich würde er sich ihr nicht erneut nähern.

      In der darauffolgenden Nacht wachte Milia immer wieder auf. Albträume quälten sie. Schwer atmend schrak sie dann hoch, nur um sich dann zu zwingen, ihren Herzschlag zu beruhigen bis sie wieder einschlafen konnte.

      Doch mitten in der Nacht war Aret plötzlich weg.

      Milia war noch nie aufgefallen, dass er sie nachts alleine mit Ebo ließ. Doch ein Schlafplatz neben ihr war leer. Nachtschwarz hob und senkte sich Ebos Brust auf der anderen Seite, er schlief tief und fest.

      Da tauchte ein waghalsiger Gedanke in Milia auf. Ihr Herz begann wild vor Aufregung zu pochen. Wenn sie leise genug war, würde Ebo nicht aufwachen. Und Aret war womöglich weit weg, die Möglichkeit, sie würde sein Verschwinden bemerken, gar nicht beachtend.

      Sie konnte fliehen.

      Kapitel 5

      Ihr Atem rasselte. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals zuvor so schnell gelaufen zu sein. Doch wenn sie erst in der Stadt war, in der Sicherheit der Gassen, konnten Aret und Ebo sie nicht mehr finden. Sie musste nur Unterschlupf finden, notfalls in einem Tempel. Das Wichtigste war, schnell von den Feldern vor der Stadt zu kommen, denn hier lenkte nichts von ihr ab. Der Mond und die Sterne am wolkenlosen Himmel erhellten die Umgebung zu sehr, ihre Silhouette musste von weitem zu erkennen sein.

      Relativ unproblematisch hatte sie sich aus der Kutsche schleichen können. Ebo hatte so tief geschlafen, das er nicht aufgewacht war. Die Hunde hatten nur kurz aufgeblickt, sie dann aber ignoriert. Aret war auch nirgends zu sehen gewesen. Das ganze Lager hatte still und ruhig dagelegen. Seitdem lief sie auf die Stadt zu.

      Milia hatte gedacht, das Lager wäre näher an der Stadtmauer gewesen, doch die Gaukler hatten weit außerhalb gerastet. Ihr Herz schlug wie wild und ihre Beine brannten von der ungewohnten Anstrengung, doch stehen bleiben kam nicht in Frage. Wenn sie erst in der Stadt war, in Sicherheit, würde sie versuchen, Kontakt zu ihrem Vater aufzunehmen. Dann wäre sie bald wieder bei ihrer Familie, daheim … wo auch immer das nach dem Untergang von Atlantis sein würde. Doch daran dachte Milia noch nicht, alles würde sich regeln und zum Guten wenden, wenn sie erst wieder bei ihrem Vater war. Er, Akis und Charis würden alles für sie regeln, ihr Leben würde wieder seinem vorbestimmten Pfad folgen. Sie musste nur rechtzeitig die Stadt erreichen.

      Plötzlich war da eine Gestalt vor ihr.

      Milia hatte ihn nicht rechtzeitig gesehen, es war, als wäre er direkt aus den Schatten der Nacht entstanden. Und bevor sie erkannte, wer vor ihr stand, stieß sie schon jäh gegen ihn und wäre gestürzt, hätte er sie nicht flink aufgefangen.

      Erschrocken blickte sie in sein Gesicht. Es war nicht Aret.

      Es war Eero.

      Milia war wie erstarrt. Sie wusste nicht, was sie nun tun sollte. Weiterlaufen? Aber wenn Aret herausfand, dass sie Eero in die Arme gelaufen war, würde er ihn bestimmt töten. Unsicher und schwer atmend stand sie vor ihm, unschlüssig, was sie sagen oder tun sollte.

      „Keine Angst.“ Seine Stimme war angenehm tief und ruhig. „Ich bin es nur, Eero.“

      Milia nickte. Sie musste weiter, musste weg von ihm. Sie war hier nicht sicher und er mit ihr auch nicht. Was wenn Aret sie bei ihm finden würde? Doch seltsamerweise blieb sie stehen.

      Das Mondlicht schimmerte auf seinem Gesicht. Neugierig musterte er sie. Erkannte er denn nicht, dass sie floh? Sah er nicht ihre geröteten Wangen, die Angst in ihren Augen, das wirre Haar?

      „Setzen Sie sich. Der Ausblick auf das Meer ist großartig.“ Er nahm auf dem Boden Platz und deutete neben sich. Er musste schon vorher hier gesessen sein, bevor sie gegen ihn gelaufen war. Als Milia sich nicht bewegte, fügte er lächelnd hinzu: „Hier passiert Ihnen nichts.“

      Seltsamerweise glaubte sie ihm. Irgendetwas an seiner Art, seiner Stimme, vielleicht auch seinen Augen ließ sie Vertrauen fassen. Langsam setzte sie sich neben Eero. Dieser blickte ruhig vor sich auf das Meer, in dem sich schwach der Mond und auch einige Sterne spiegelten. Ruhig lag es dar und hatte so gar keine Ähnlichkeit mit dem tosendem Unheil, das über Atlantis hereingebrochen war. Milias Atem beruhigte sich nach einiger Zeit.

      „Wie lange kennen Sie Ihre Mitreisenden schon“, fragte Eero nach einiger Zeit des Schweigens, ohne seinen Blick von dem Meer abzuwenden.

      Unsicher starrte Milia auf ihre Finger, die sie nervös ineinander verflocht. „Noch nicht so lange.“

      „Ja?“

      Sie zwang sich, ruhig auszuatmen. „Ebo schon etwas länger. Den Afrikaner.“

      Eero nickte leicht. „Ich liebe das Meer.“

      Überrascht von dem plötzlichen Themenwechsel blickte Milia zu ihm herüber.

      „Wieso?“ Nach den Erfahrungen der letzten Tage konnte sie nicht verstehen, wie jemand zu einer solchen Erkenntnis kommen konnte.

      „Nun ja … es schenkt Leben. Wussten Sie, dass man in Ägypten die Zeit danach einteilt, wann der Nil das Land überschwemmt und es somit fruchtbar macht?“ Das hatte Milia nicht gewusst. In Atlantis war es nicht üblich, sich mit fremden Kulturen zu befassen, wenn es nicht unbedingt nötig war. War doch ihre eigene die kultivierteste, gerechteste und beste von allen.

      Sie