Siebenreich - Die letzten Scherben. Michael Kothe. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Kothe
Издательство: Bookwire
Серия: Siebenreich
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752909401
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sie angefangen, ihn auszufragen über sein altes Leben zu Hause, wie sie sich ausgedrückt hatte. Aber kaum hatte sie den Mund aufgemacht, hatte er ihr mit einem knappen »Darüber möchte ich nicht sprechen.« eine Abfuhr erteilt.

      »Naja, das kommt wohl vom einsamen Leben in der Wildnis. Aber wie bist du Orkjäger geworden? Und wie gefährlich ist das?« fragte sie sich nun. Menschen als Orkjäger, noch dazu Einzelgänger, das war etwas, was nicht zusammenpasste. Hatte er ihr doch vorhin die Orks als über mannsgroß, grobschlächtig, bärenstark und grausam beschrieben. Und immer traten sie in Gruppen auf.

      Und noch etwas fragte sie sich:

      »Willst du wirklich nur wissen, was einem das Leben in diesem Siebenreich beschert, oder fängst du an, dich für den Kerl zu interessieren?«

      Sie spürte einen Hauch, sah aus den Augenwinkeln eine Bewegung. Sie fuhr zusammen. Die Gefahr fiel ihr ein, von der er gesprochen hatte. Zitternd drehte sie sich um. Erleichtert atmete sie auf, als sie ihn erkannte. So vertieft war sie in ihren Fund gewesen, dass sie ihn nicht hatte kommen sehen. Der sandige Grund hatte zudem die Geräusche seiner Schritte verschluckt.

      Nun erwartete sie eine Gardinenpredigt.

      »Zu Recht«, meldete sich ihr Gewissen. Aber ihre Neugier obsiegte, und sie kam ihm zuvor.

      »Erzähl«, sprudelte es aus ihr heraus, »was sind das für Sachen? Ja, Rüstungen und Waffen, das sehe ich. Aber wie bist du darangekommen? Orks sind doch stärker als du. Wie viele wart ihr, als ihr mit ihnen gekämpft habt?«

      Die Waffen und Rüstungsteile mussten Teil der Beute sein, die er nach einem Kampf an sich genommen und mit seinen Kampfgefährten geteilt hatte. Aber wo waren die anderen Orkjäger? Und wo die übrigen Sachen? Kleidung, Gürtel, Schuhe? Schmuck, Geld?

      Er schloss den Mund wieder. Seinem Zorn hatte er Luft machen wollen, sie zur Rede stellen, weil sie in seinen Sachen herumgeschnüffelt hatte. Als sie nun mit schief gelegtem Kopf vor ihm stand, schluckte er seinen Ärger hinunter. Im Gegenteil, ihre Neugier trieb im ein breites Grinsen ins Gesicht.

      »Das erzähl ich dir alles nachher beim Essen. Die Luft ist rein. Wir machen uns jetzt erst mal frisch. Danach haben wir genug Zeit für deine Fragen.«

      Verwundert schüttelte er den Kopf darüber, dass ihr Entsetzen über diese raue Welt sich schon nach so kurzer Zeit mit Wissbegierde mischte und fast schon verdrängt wurde. Sie würde sich bald hier zurecht finden.

      3.

      Der Waldrand war nicht weit. Während Mike sich vorhin zwischen dem Buschwerk vorsichtig bewegt und vermieden hatte, aus dem Sichtschutz herauszutreten, gab er sich nun ungezwungen. Er ging aufrecht, und auch die Schleifspuren seines Schlittens kümmerten ihn nicht.

      Innerhalb des Laubwäldchens, von dem sie beim Betreten fast das gegenüberliegende Ende sehen konnte, schwenkte er gleich nach links.

      Während der ersten Schritte fröstelte Julia, im Wald war es kühler. Ihr Zittern verging, nachdem sie die Arme fest vor ihrer Brust verschränkt und zweimal die Schultern angespannt und wieder gelockert hatte. Die Steigung war gering. Ein Gurgeln und Sprudeln klang von dort herab. Sie beschleunigte ihren Schritt, überholte Mike sogar. Wenn sie ihm nicht gerade zuhörte, hatte sie sich immer hinter ihm gehalten, nur wenige Male zu ihm aufgeschlossen, um eine Frage zu stellen oder ihm eine Entdeckung mitzuteilen.

      Kaum hatte sie sich vor ihn gesetzt, hörte die Steigung auf. Sie betrat eine kleine Lichtung, dahinter ging es wieder bergauf. Es roch nach frischem Wasser. Von oben kam ihr ein Rinnsal entgegen, seicht und so schmal, dass sie hätte darüber steigen können. Das Plätschern rührte von Wirbeln her, verursacht von Wurzeln, die in die leichte Strömung hineinwuchsen. Neugierig lief sie schneller. Nach wenigen Schritten stand sie am Rand eines Teichs, der mit einem Durchmesser von vierzig, fünfzig Metern und mit seinem kristallklaren Wasser regelrecht zum Baden einlud. Vorerst ließ sie sich aber nur auf die Knie fallen und schöpfte mit beiden Händen Wasser.

      Nachdem sie ihren Durst gestillt hatte und zusah, wie Mike den Tornister vom Schlitten schnallte und ihre Mahlzeit daraus hervorzog, kam ihr wieder zum Bewusstsein, dass sie vor dem Mittagessen noch etwas zu erledigen hatte: Körperpflege, soweit das in der Natur möglich war. Auch ihre Verdauung meldete sich wieder. Das Drängen hatte sie bis jetzt unterdrückt, nun aber wurde es unbequem. Sie druckste herum. Schweißperlen warteten unter ihrer Haut darauf hervorzubrechen.

      Er deutete ihren Zustand richtig.

      »Geh halt hinter die Büsche. Ich guck auch nicht. Papier gibt es keins, aber die Blätter hier sind zäh und faserig. Sie wachsen fast überall.«

      Er hielt ihr ein Bündel rötlich-grüner handgroßer Blätter hin. Nachdem sie sie ihm zögernd abgenommen hatte, pflückte er den Busch fast kahl. Die Blätter steckte er in eine Seitentasche seines Tornisters, dahin, wo er eben Brot, Fleisch und Käse entnommen hatte, nur tiefer.

      »Benutz´ die Oberseite, die mit den kleinen Borsten«, hörte sie noch. Sie vertraute darauf, dass er hielt, was er versprochen hatte, und ihr nicht folgte.

      Das nächste Hindernis stand bevor. Wie sollte sie ihm klar machen, dass sie allein sein wollte, wenn sie sich wusch? Die Erinnerung an die beiden Waschtröge in der Herberge war für sie der blanke Horror.

      Ihre Gefühle kümmerten ihn wohl überhaupt nicht! Er hatte sich entkleidet und stand bis über die Knie im Wasser, als sie aus den Ginsterbüschen hervor wieder an den Teich trat. Er drehte ihr den Rücken zu. Sie fand, er sei ganz gut gebaut für sein Alter. Offensichtlich führte sein Leben in der Wildnis dazu, dass er mehr Muskeln als Fett ansetzte. Da fiel ihr ein, dass sie ja überhaupt nicht wusste, wie alt er war, nur von seiner Haarfarbe hatte sie darauf geschlossen. Auf einmal interessierte es sie, sie würde ihn trotz seiner Abfuhr letzte Nacht fragen. Unwillkürlich griff sie sich ins Haar, kämmte es mit den Fingern und strich sich eine Strähne aus der Stirn.

      Am Morgen hatte sie beobachtet, dass Schamhaftigkeit bei der hiesigen Bevölkerung nicht gerade großgeschrieben wurde. Als er dann auch noch über die Schulter zurückschaute, als wolle er fragen, worauf sie denn noch warte, überwand sie ihre Scham und entkleidete sich bis auf ihre Leibwäsche. Aber die musste sie auch noch waschen. Als sie seine Unterhose entdeckte, die über einem Strauch hing, aus Leinen mit groben Stichen genäht und schon im Wasser durchgewalkt, zog sie sich ganz aus. Ihm den Rücken zugewandt, wusch sie ihre Wäsche und breitete sie über einem anderen Strauch in den reichlich durchs Blätterdach dringenden Sonnenstrahlen aus.

      Mittlerweile war er in brusttiefes Wasser vorgedrungen, hatte sich umgedreht und beobachtete sie.

      »Du siehst gut aus. Kannst so bleiben«, lachte er und winkte ihr zu, sie solle ins Wasser kommen.

      Als sie sich umdrehte und sich mit kleinen Schritten ins tiefere Wasser tastete, hielt sie trotz seines Kompliments die Arme über ihre Brüste und ihre Scham gepresst.

      Das Wasser war kalt. Ihm schien das nichts auszumachen, er hatte in kreisförmigen Bahnen zu schwimmen begonnen. Nun war es zu spät, sie hatte ihn nackt gesehen, er sie auch, also ging sie so weit zur Mitte des Teiches, bis ihr das Wasser bis über die Brust reichte. Die kurzen Zeitspannen, die er nicht zu ihr herüber sah, nutzte sie, um sich unter Wasser mit beiden Händen von Kopf bis Fuß abzuschrubben.

      Als sie sich sauber fühlte, suchte sie ihn. Wild schüttelte sie den Kopf, zog mit beiden Händen ihr triefend nasses Haar aus dem Gesicht, bis es über ihren Schultern lag.

      Kaum hatte sie ihre Frisur gerichtet, da kam es zu einer Begegnung halb über, halb unter Wasser. Er war tauchend zu ihr geschwommen und unmittelbar vor ihr aus dem Wasser geschnellt. Ihr Schrecken dauerte nur einen Lidschlag lang. Mit der flachen Hand hieb sie auf die kleinen Wellen und spritzte ihm das Wasser in die Augen. Sofort war eine neckische Wasserschlacht im Gang, und irgendwann berührten sich ihre Körper. Spontan umarmten sie sich und gingen Hand in Hand ans Ufer.

      Abrupt ließ sie ihn los und schlang die Arme um ihren Körper.

      Als er ihre Gänsehaut bemerkte, öffnete