IXXI. Doug Mechthild. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Doug Mechthild
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753195421
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lachten und Spaß hatten. Das alles schob ich auf den Streit, den er meiner Meinung nach mit Murat gehabt hatte. Dass all das schon ein Anzeichen für seine Veränderung war, wusste ich da noch nicht.

      Ich erfuhr es erst, als ich an diesem Montag in sein Zimmer ging.

      Andy stand eigentlich auf Hip-Hop und Rap, aber als ich vor seiner Tür stand, hörte ich so komisches Zeug … klagendes Gejammer. Irgendwie gruselig. Seine Tür war auch anders, sie sah nackt aus. Alle Poster waren verschwunden. Man sah noch Reste vom Klebeband.

      Ich ging rein. Andy sprang von seinem Bürostuhl hoch und funkelte mich wütend an. Dann erkannte er mich.

      „Oh, du bist es“, murmelte er und pausierte das Video, das er sich ansah.

      „Ja. Ich.“ Mein Herz klopfte wie wild. Andy sah unentschlossen auf den Boden. Ich hatte in seinen Augen kein Strahlen gesehen, so wie früher. Er kam nicht zu mir, um mich zu begrüßen, nahm mich nicht in den Arm. Dann blickte er auf, und ich erschrak. Da war keine Liebe mehr in seinen Augen, aber dieser „wie sage ich es ihr am besten“ Ausdruck in seinem Gesicht.

      Wenn man bereits in einer Beziehung war, in der der andere Schluss gemacht hat, dann hat man dieses Gesicht schon einmal gesehen. Aber bei Torsten damals war es im Grunde nichts Ernstes gewesen. Wir haben ein paar Wochen zusammen verbracht und waren kein echtes Paar gewesen. Es war nicht schlimm, als er erst herumdruckste und dann sagte, er habe eine andere Frau kennengelernt und es wäre vorbei zwischen uns beiden.

      Aber Andy und ich waren nun schon seit Jahren zusammen. Wir hatten eine richtige Beziehung und sparten auf unsere erste gemeinsame Wohnung. Wir kannten uns durch und durch. Ich hatte schon oft die Nacht mit ihm in diesem Zimmer in seinem schmalen Bett verbracht. Am nächsten Tag hatte ich mit Martina und Steffi am Frühstückstisch gesessen. Er war ein Teil von mir und ich ein Teil von ihm.

      Hatte ich jedenfalls gedacht. Er saß an seinem schmuddeligen Schreibtisch.

      Leere Gläser standen darauf, aber keine Bierflaschen mehr. Und das war es, was mir dann zum ersten Mal richtig auffiel. Andy ohne Bier - das gab es einfach nicht.

      Mir wurde da endlich klar, dass ein Fremder vor mir saß.

      „Du hast dich nicht gemeldet, weil Schluss ist, oder?“, fragte ich. Er nickte, und in mir wurde alles kalt und taub.

      „Hättest du mir das nicht wenigstens sagen können?“, fragte ich. Meine Hand umklammerte noch immer die Türklinke, vielleicht wäre ich sonst gefallen.

      Mein Andy ... Es konnte doch nicht wahr sein! Wir liebten uns doch!

      Er zuckte nur mit den Schultern. Ich spürte, dass ich störte. Ich war ihm nicht einmal wichtig genug, dass er ordentlich Schluss mit mir machte. Das Gejaule auf dem Bildschirm zählte, ich nicht. Der Typ in dem Video hatte eine lange schwarze Kutte an, trug eine hohe, spitz zulaufende Kopfbedeckung. Da fiel es mir endgültig wie Schuppen vor die Augen.

      „Du bist zu irgendetwas übergetreten, stimmt’s? Deswegen die Musik, das Gemecker wegen meiner Klamotten. Und jetzt bin ich dir nicht mehr gut genug!“

      „Du und ich ... das war nicht richtig.“

      „Wieso denn nicht?“

      „Aus Beziehungen entstehen nun einmal Kinder. Und unser Planet kann keine weiteren Kinder mehr ertragen.“

      „Hä? Aber wir verhüten doch?“

      „Kein Verhütungsmittel ist ganz sicher.“

      „Ja, aber ... wir haben doch sogar vom Heiraten gesprochen.“

      „Das möchte ich nicht mehr.“

      „Aber ...“

      „Du und ich sind zu unterschiedlich. Ich möchte die Erde retten, du nur Ressourcen verschwenden“, erklärte er. „Partys in stromverschwendenden Diskotheken, Alkohol, immer neue Klamotten, Fast Food … du denkst nicht über die Zukunft nach.“

      „Das … das stimmt doch gar nicht, ich verschwende doch nichts ...“, murmelte ich perplex. Verglichen mit meinen Freundinnen hatte ich kaum Klamotten gekauft, und auf einmal verschwendete ich Ressourcen?

      „Du wirst das nicht verstehen, Jana. Wir haben zu verschiedene Ansichten und Ziele im Leben. Eine Frau, die mit einem Mann ins Bett springt, ist immer in Gefahr, dem Planeten Schaden zuzufügen. Nur weil du deinen Müll trennst, denkst du, du wärst fein raus und hättest deinen Teil beigetragen. Du bist eine Umweltverschmutzerin. Schon durch deine Geburt. Genau wie ich auch.“

      „Was ... wie ... sag mal, spinnst du jetzt total?“, rief ich, aber in mir schien alles zu zersplittern. Unser geplantes gemeinsames Leben, unsere schöne Zeit zusammen - vorbei. Einfach so.

      „Wenn ich nicht hergekommen wäre, hätte ich es nicht einmal erfahren, oder?“, fragte ich bitter. Wieder zuckte er nur die Schultern. Ich sah damals, dass ich es ihm nicht wert war, dass er mich für eine letzte Aussprache anrief oder bei mir vorbeikam. Das war irgendwie das Schlimmste. Er mochte mich überhaupt nicht mehr, respektierte mich nicht mehr als Person, als Mensch. Auch jetzt schwieg er nur, und ich spürte, dass er sich wünschte, ich würde gehen.

      „Du hast mich doch mal geliebt“, flüsterte ich erschüttert.

      „Aber nun liebe ich Gott. Den echten, einenden Gott“, sagte er leise und sah mich endlich richtig an. Sein Blick war fest, kalt und klar. Da gab es keinen Zweifel und auch kein Bedauern. Er hatte mit mir schon Samstagabend abgeschlossen und mir nichts davon gesagt. Es war der letzte Blick, den ich mit ihm tauschte. Er wandte sich wieder seinem Video zu und ließ es weiterlaufen. Er regte sich nicht, als ich sein Zimmer verließ und die Tür hinter mir zuzog.

      Wer, fragte ich mich, war dieser einende Gott, der zwei Liebende trennte?

      Der neue Andy

      „Jana ...? Nanu? Was ist denn?“ Martina fing Jana gerade noch an der Haustür ab. Sie war die Treppe heruntergestürzt, als sei der Leibhaftige hinter ihr her. Tränen liefen ihr über die Wangen, und ihr Gesichtsausdruck ließ Schlimmes ahnen.

      „Dein Sohn hat mit mir Schluss gemacht“, schluchzte sie.

      Martina riss die Augen weit auf. „Was? Einfach so? Aber ihr seid doch schon so lange zusammen! Wieso denn?“

      „Ich ... Er ...“

      „Komm mit in die Küche. Gila ist auch da.“

      Martina zog das arme Ding, das sie immer als ihre Schwiegertochter akzeptiert und sehr gemocht hatte, in die Küche und goss ihr einen Cognac ein.

      „Trink das.“

      „Ich bin mit dem Auto hier“, protestierte Jana und fischte in ihrer Handtasche nach einem Taschentuch.

      „Ich bringe dich nach Hause. In dem Zustand kannst du sowieso nicht fahren.“

      „Hier, ich habe mehr als genug«, sagte Gila düster und reichte Jana ein Taschentuch.

      „Jetzt erzähl mal. Was ist dem denn jetzt über die Leber gelaufen?“ Martina stellte eine Packung Kekse auf den Tisch. Gila griff sofort zu.

      „Er ... er gehört jetzt zu so einer Art Sekte und ich bin nicht mehr gut genug.“

      „Echt? Wieso hast du mir das nicht erzählt, Tina?“, fragte Gila aufgeregt.

      Martina hob verblüfft die Schultern.

      „Weil ich es selbst nicht wusste. Dass er Interesse daran hat, ja, das war mir klar. Aber dass er so richtig ... Das ist mir neu. Und jetzt denkt er, du bist nicht mehr die Richtige? Aber er liebt dich doch so!«

      Jana brach in neue Tränen aus. Gila streichelte ihr mitfühlend den Arm.

      „Er will keine Frau, die Sex hat“, schniefte Jana. Gila blinzelte irritiert.

      „Hä?“

      „Ich muss mal mit ihm reden“, meinte Martina