Sonne satt. Roma Hansen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roma Hansen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738039245
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mit dir los!“

      „War unvermeidbar“, wimmert Maik, bei einem matten blauen Blick. „Ich war mit Jörg im Berg. Mach bitte Tee, ich dusche.“

      Hernach lauscht Maik, im Bademantel auf der Bank sitzend in der gemeinsamen Teeküche oben, und kurz nach seinem berichten, Veras nahe gehender Katastrophenschilderung. Die lindert etwas seine Duschwärme und, für den Orkan der Nacht wurde vorgesorgt.

      „Der Hotelboss teilt seine Arbeiter mit den Hilfsdiensten. Seine Gäste haben es vergleichsweise gut, da der Bürgermeister aus den einsturzgefährdeten Häusern nun viele Dörfler vorhat zu evakuieren. Vorrangig aus einem Ort, den Gullys überschwemmen. Geröll tobt in dem überfließenden Bach, zuvor ein Rinnsal ins Meer, jetzt drückt eine Kloake durch die Türen, und unterhöhlt durchweg die Fundamente.“

      „Bisschen spät zu evakuieren, ist doch schon passiert! Ich hoffe nur, das war es vorerst, auch drüben am Hang.“

      „Doch ging die Unwetterbotschaft in die internationale Welt hinaus“, fährt Vera unbeirrt fort. „Nur eben nicht, dass der Gouverneur quasi den Notstand proklamierte. Die Reiseagenturen wissen es trotzdem und stornieren, was irgend geht, denn die lassen sich nicht mit einer azurblauen Hoffnung abspeisen. Die könnte teuer werden. Gewiss finde ich an der Rezeption morgen allerhand panische Emails.“

      So meint auch draußen eine Bö, saust über den Balkon in den Flur, belüftet Veras dunkelroten Hausanzug. Doch Vera weiß, ihr Dienst ist erst morgen fällig. Sie legt ihre bloßen Füße an die Bank. Kurz nur währt ihre beinahe Seelenruhe. In den Flur hinkt Anton in Latzhose, an der Schmiere klebt, und gestikuliert mit erdigen Fingern, peilt am Küchentisch Maik an aus weiten Augen.

      „Metertief grub die Flut vom Dach Rinnen in die Gartenerde. Alle meine Stauden sind futsch, alles Gemüse liegt im Matsch an der Oberkante der unteren Grenzmauer!“

      „Das konnte der Orkan knicken?“ Die Hände am Bauch, reckt Maik sich. „Eine Karre mit Gartenerde verdreckt dir die Sicht?“

      „Hörst du mir nicht zu? Das ist nicht mehr mein Garten!“

      „Bringe ihn auf den Stand von vorher, dann ist er es.“

      „Nur weiter, so du kannst!“ droht Anton. „Im Sitzen ist das leicht gesagt! Machst du es? Ein Wunder braucht der Matsch!“

      „Zwei Hände hast du!“, ereifert sich Vera, „Maik und Jörg säuberten die Levada im Berg, damit wir ruhig schlafen können!“

      Vera rückt schon die Füße unter den platzraubenden Tisch. Er steht nahe dem Dachfenster zum Hang und fern dem Fenster zur Balustrade, wo unten davor der Kräutergarten liegt, sorgsam von Anton angelegt. Sie hält inne, mag nicht sehen, was er beklagt. Ihm selber schaut Vera fest in die Augen.

      „Du willst ein Wunder? Dich haut der Matsch um? Brüll nicht wegen deinem Garten, darin wurden keine Menschen verletzt durch mächtige Überflutungen wie in den Bergdörfern rund um Funchal! Tiefliegende Cafes wurden grauenvoll verwüstet. Wo Bachläufe trocken waren, schwellen sie an bis in die Straßen. Sobald das aufhört, registriert das Umweltamt alle Schäden, auch auf den öffentlichen Plätzen und an privaten Gebäuden.“

      Ihr Blick huscht über seine Latzhose, aber die birgt nichts von Antons Feinsinnigkeit, die ihr jetzt lieber wäre.

      Mattigkeit legt sich um ihre Schultern, färbt ihre Stimme.

      „Todesfälle wurden gemeldet. Morgen beruhige ich die Sorgen der Hotelgäste um ihre schönste Zeit im Jahr, damit sie von den ernstlich Betroffenen nichts merken, denn das werden mir meine Kollegen aufladen. Würde dir diese Pflicht gefallen?“

      „Nein. Etwas des anderen sahen wir unterwegs“, brummelt er kleinlaut, und wankt mit gesenktem Kopf zur Tür. „Irgendwelche Maßnahmen nötig, uns vor weiterem zu schützen?“

      „Sei zuversichtlich“, berappelt Maik sich mit müder Stimme. „Nicht überall war es schlimm. Wir kamen glimpflicher als Vera schildert davon. Übergelaufenes sucht sich seine Wege.“

      „So plötzlich wie der Orkan kam, endet er“, sichert Vera in versierter Überzeugungskraft und aus ihrer jahrelang erprobten Freundlichkeit als Rezeptionistin zu, aber verschränkt die Arme vor der Brust in ihrem dunkelroten Hausanzug.

      „Nee, der dauert noch, Vera.“

      Anton umgreift die Türklinke, senkt den Kopf, und verzögert seinen Abgang. In Maik gärt ein Abschmettern.

      „Freude an Gartenarbeit endet nicht, weil Unwetter stören.“

      „Lebendiges“, fällt Vera ihm ins Wort, und schlägt in Maiks Kerbe, „erwartet eben ständig etwas wiederholte Zuwendung.“

      Vera misslingt, Anton aus seinem Missmut zu rütteln.

      „Wie abgeklärt!“, brüllt er ohne sich umzuwenden.

      In ihm rumort mehr, da raunt der kleine Anton besessen vom Alleingelassensein. Dies Uralte abdrängend, behält Anton seine Sinne beisammen und seinen Logo in der tristen Gegenwart.

      „Euch erschüttert nichts!“, schauft er lauter. „Ich soll es reinfressen, und magenkrank werden.“

      „Im Sonnenschein vergisst du alles.“

      Maik hat vor, ruhig an der Bank zu sitzen, Anton aber noch etwas auf den Weg mitzugeben.

      „Mach dich härter fürs Überleben als unser Gärtner. Sei ein Spieler und setze neu im Garten, Anton.“

      „Allein das, Maik“, hart sprüht er einen Blick hinter sich, „bewältige auch du! Von Nebenan schlug der Fremdenhass unserem Jeep einen Plattfuß! Das schüttere Haar raufe dir und bedenke, was du mit der Oma drüben anfängst!“

      Sich abwendend, will Anton nichts der Reaktionen auf diese Mitteilung sehen. Er stapft in der Windstille nach einer Bö die Außentreppe hinab, bis vor den Steingarten zaghaft sprießender Küchenkräuter und am Kies auf und ab. Er blinzelt zur einstigen Beetanlage, dem Wall vor der Mauer, den Dunstschleiern, in die hinein die Erde die aufgesogene Feuchtigkeit verdampft.

      Strapazen rumoren mit Mistgabeln im Gärtnerherz, Anton kann sich dessen kaum erwehren. Sein Gespür eilt voll Qual zurück in die Zeit der Beetanlage bei brütender Hitze. Die stach ihm zwar ins Gehirn, und das verabschiedete sein Funktionieren unter dem Hacken in der Erde. Aber damals erfassten alle Sinne die grüne frische Existenz, und daran ein Lechzen nach lebensspendendem Nass, und seiner Zuwendung. Es war ihm ein Hochgenuss gewesen inmitten des lebendigen Wachsens zu sein. Und nun - alles hin!

      Nach einer Weile knattert hinter Anton im Nähern Margaritas Moped, und fährt zum Unterstand neben dem Felsenkeller. Lahm in ihren Bewegungen steigt Margarita ab, und entnimmt dem Korb am Lenker den Rucksack aus braunem Leinen. Den bleichte die Sonne des vorherigen Jahres, doch noch kontrastiert es ihre betörend braunen großen Augen. Sich umwendend, öffnet sie die Jacke, und rekelt ihre Schultern. Und schon fuchteln Antons beide Arme zum vormals mit viel Schweiß gepflegten Land.

      „Sieht so auch der Hang an der Gärtnerei aus?“

      „Ola! Ich freue mich auch, dich zu sehen! Nicht ans krasse Wetter gewöhnt? In mir knistert, was den Tag lang ans Glasdach der Gärtnerei prasselte, und wo das viele Glas zu Bruch ging.“

      Im Nähern ringt Margarita um Geduld, greift in ihr kinnlang braunes Haar, beäugt an Antons Hose die Schmierfettkleckse und weiß ihre bis an die Knie nass. Sie lugt Antons Fingerzeig kurz nach; es tönt ihre Stimme nur tiefer ein.

      „Hände sah der Himmel vor für unsere Spucke, um allen Unrat wegzuschaffen. Nicht nur für Zartbesaitete, nicht nur für die sensiblen Körnchen in der Sanduhr, denen alles zu eng wird!“

      Antons Blick füllt sich traurig. Er hebt eine Hand, berührt für einen Moment Margaritas Wange, schaut dann tiefer abwärts. Ein Himmelssegen tröpfelt neuerlich an den Kies.

      „Trink mit mir Tee in meiner Küche, komm, Margarita.“

      Eingehakt, führt er sie hinein, und neben den Wasserkocher. Den füllt