Mit seinem Tässchen in Händen lehnt Anton sich zurück, und fordert Usa mit einem Kinnruck auf, zumindest ihren Jackenknopf in Ruhe zu lassen. Usa faltet und legt ihre Hände in den Schoß.
Hinabsehend, treten vor sie Bilder aus dem Hotel. Zum Glück wandert ein winziges Erinnerungteil zum ersten Treffen Antons an der Hotelbar. Vor dem ergreift sie die kleine Kanne, an der ihr Daumen längs dem noch warmen Metall streift.
„Anton, seit du kamst, seit damals änderte sich im Hotel so Vieles, und zerstörte meine jahrelangen Gewohnheiten. Leere und Ende aber, haben den Haken von Miete und Unterhalt.“
„Suchen wir demnächst gemeinsam, was uns die Tage füllt?“
Selbst Anton klingt seine Frage schwer von Usas Weh, seiner Mühe damit. Über sein linkes Ohr reibend, schießt ihm auf, Usa knistere in Hochspannung, nach der Zitterfahrt aus Funchal ihm darüber hinaus verständlich.
„Unser Überleben heute relativierte mir diesen Jobverlust, Anton. Angst mag guten Rat und einen Neuanfang initiieren, wenn ich mich ihrer entledige. Ein großes Wenn.“
Den Kaffeeschaum wischt Usa vom Inneren der Tasse mit einem Finger ab, steckt den in den Mund und kaut im Moment nicht nur an dem Aroma im Speichel. Schon klatscht sie theatralisch ihre Rechte an die Stirn, gestattet sich einen Blitz Sarkasmus, und entlädt ihn an Anton vorbei in die Küche.
„Stets zu oft, ließen sich im Hotel gelangweilte Touristen verwöhnen, und schätzten wenig, was ich ihnen bot. Nach einem mit Nörglern gefüllten Tag fühlte ich mich wie an einem anderen Stern, und musste mir meinen Kopf zurechtrücken. Aber ...“, Usa stützt die Hände am Tisch, steht agil auf, und überträgt Anton ihre Verwandlung in einem harten Ton, „bevor ich an einen Stern stürze, pack ich die Bioladenleckereien aus. Derentwegen, längs des Unglücks, wurde mein Kopf dem Casus knaxus geweitet.“
Antons dunkle Wimpern zucken kurz hoch, doch sofort auch in der Vorfreude auf die Hochgenüsse.
„Hm! Damit erscheint mir augenblicklich das Unvollendete in unser beider Entwicklung leichter. Essen setzt ein Gegengewicht ein, auch aufs Fehlen von Maik und Lian, die irgendwo sind.“
Der Störsender Telefon unterbricht seine Mutmaßung, weshalb die Quinta leer wäre. Er nimmt den Hörer und stöhnt auf bei der besorgten Frage zur Unwetterkatastrophe eines trauten Freundes in Deutschland. Er wimmelt die lästige Fliege ab, um sich der angerichteten Platte schwarzer Oliven und grüner Avocadohälften zuzuwenden und den marinierten Peperoni und würzigen Gürkchen.
Davon bedient sich auch Usa reichlich und nascht nicht nur ein winziges, mit Artischocken- und Basilikumpaste bestrichenes Pumpernickelscheibchen als ihre generelle Kompensation. Am Ende ihres paradiesischen Schmausen öffnet Usa eine Tüte Mangokekse, deren süßes Aroma sich in die Essigdüfte am Tisch mischt.
Einen fruchtzarten Bissen kauend, grollt sie: „Ich wate in der Abwasserkloake des Hotels in dem Gefühl, die mich beerbende Milchkaffeehäutige hat von meinem Therapiestil keinen Schimmer. Mir stellen sich die Nackenhaare auf, denke ich nur kurz an sie wie an meine Masseurin. Leicht gelingt das sonst keiner Frau!“
Sie vergewissert sich, ob noch genügend Kekse in der Tüte stecken. An einem davon kauend, äußert sie kalten Herzens:
„Mach ich zum Beispiel Abstriche fürs Eingewöhnen, bleibt die Neue trotzdem ein mürber Knochen! Mein täglich Brot ist ein Zeckenrüssel, der in meine Haut sägt.“
Mit in sich gewandtem Blick, denkt Usa an die Küste voller Hotels. Welches käme in Frage? Sie seufzt auf ob des Plans, der inkognito unterwegs ist. Trotzdem existiert er. Ihm entspringe Aktivität. Doch noch quält sie ihr Schicksalsruck.
„Ich räume den Tisch ab, hernach hoffentlich auch in meiner Ausrichtung eine Bahn frei. Die gnädige Zeit wird mir helfen.“
Bei ihrem Scharfblick nickt Anton, bei ihrem Räumen stellt er es ein, wie sein Mitgefühl. Usa lässt Krümel liegen, die ihm Leere erzeugen, ähnlich der nach der Unwetterkatastrophe, von nichts zu stoppen, mit keinem Dreh. Er findet auch jetzt keinen für den platten Reifen. Eher veranlasst ihn der krümelige Tisch zu dem profunden Klären seiner selbst als ein Krümel im großen Gefüge. Er vermag nicht ähnlich Usa kluge Schlüsse zu ziehen.
Unruhig linst er an die Tür, die Usa nach sich schließt.
Sagte Usa etwas, auf das er spitz sein könnte? Am Urgrund bei sich hatte ihn etwas erreicht ... Also Kräutertee trinken.
Am Teeduft schnuppert Anton und fahndet daran entlang. Alle Einsicht verkrümelt sich in die stillen oberen Räume der Quinta von zweien der abwesenden Mitbewohnerinnen, Margarita und Vera, wo das nicht anders sein kann. Doch das Pladdern draußen stört seine gedankliche Suche, beunruhigt ihn extrem damit, ob Lian und Maik zumindest trocken heimkehren werden.
2
„Ah, du bist hier, Maik!“, stellt ein Ausruf fest am Portal der Dorfbar.
Maik stellt seine Tasse mit Zitronenschalentee, von dem ein Schluck seine Kehle wärmt, ab und erblickt in Öljacke Jörg.
„Ja, doch“, grüßt Maik zurück, in schwankendem Ton, ob ihm die Begegnung gefällt.
Jörg öffnet schon seine Jacke. Zum Vorschein kommt kiwigrün ein Tshirt. Ein bauchiger Farbklecks, dem die Einheimischen in der Bar ausweichen, einen Kreis öffnen. Ihnen widmet Jörg, zur Theke unterwegs, ein Rundumlächeln. Zwar schauen die unbewegten Mienen ihn nicht an, beobachten aber genau. Deshalb hebt Maik eine Braue, und erklärt sich Jörg schließlich.
„Damit ich an die Luft komme, ließ Lian mich hier. Sie fuhr in die verkommenen Gärten in Achada da Cruz, erneuert im Regen ihre Inspirationen. Nimmst du auch einen Stärkungstee zu dir?“
Maik fragt wohl wissend um Jörgs Tendenz zu harten Tropfen. Er selbst bevorzugt aus Gewohnheit etwas natürlich Gewachsenes. Aber hier ist weder die Zeit noch der rechte Raum, sich durch den Kakao zu ziehen. Frotzeleien gab es monatelang, das erstarb aber baldigst in gegenseitiger nachbarschaftlicher Anerkennung.
„Bah, dünne Plörre!“, krächzt Jörg derb im Ton, Maiks Tasse abschätzig musternd. „Ersetzt das deine vom Orkan fortgewehten guten Geister?“
Kaum gesagt, hört Jörg, unter Füßescharren hinter sich, den Raum größer werden. Den Eingang belagern dunkle Jacken. Konträr seiner Absicht. Nur Maik kann er sich schrittweise nähern, doch schroff und alarmiert klingt seine Stimme weiterhin.
„Weißt du, Firstziegel fielen herab. Ich wollte unter den Dauertrinkern hier den Einen finden, der aufs Dach steigt.“
„Bei Sturm? Kalte Knochen kraxeln jetzt nicht über Leitern. Stoisch wie die Rinder, schalten sie ihre Oberstübchen ab.“
„Schaltet mir mein Geschäft ein“, giggert Barfrau Maria, am Tresen, in ihrer Steppweste aus Jeansstoff. Dem Gegenbild aller regendurchtränkten Beine im selben Material.
Maria deutet vor eine Flasche Zuckerrohrrum.
„Wie immer in den Kaffee, Jörg?“
Ihre deutsch gesprochene Frage klingt brüchig, in Resonanz wirtinnenkluger Unterscheidungsgabe für Neigungen. Jörg nickt, beobachtet ihr Eingießen in seine Tasse. Ratlos rührt er darin, sein Bedauern nicht abschüttelnd.
Die Rumflasche räumt Maria nicht weg. Sie greift zu Orangen und Zitronen, entsaftet einige nach und nach in eine Karaffe, quirlt Honig mit einem Holzstab hinein. Einen halben Liter Rum füllt sie ein, durchquirlt das spezielle Getränk des Aqua Dente und kredenzt es auf ein Holztablett.
Davon aufschauend, fragt Jörg, versöhnlich milde:
„Maik, du eventuell, siehst dir das Malheur am Dach an?“
„Im Regen? Da habe ich Besseres vor.“ Maik grinst Maria an. „Kehren mehr Reisende ferner Länder gemütlich