Sonne satt. Roma Hansen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roma Hansen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738039245
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vom Jahrhundertregen, wie vor zehn Jahren!“ Sie wiegt den Kopf, sieht bedeutungsschwer Jörg an. „Teils freuen sie sich, teils müssen sie in den Terrassenfeldern aufräumen. Es sind zu wenige noch rüstig genug, oder abkömmlich.“

      Jörg schlürft etwas des Gebräus, stellt die Tasse ab. Über seinen Hals wischend, krächzt er: „Der Rum heizt ein.“

      „Dumme Redensart. Nachher wird dir um so kälter sein, und das spürst du nicht. Alkohol schwächt das Immunsystem.“

      Maik kaut betont an seinem letzten Teeschluck.

      Maria nickt, mit strahlendem Augenaufschlag dunkelbraun und einladend. Sie deutet auf schlanke Glasflaschen und erklärt:

      „Bei nassem Wetter trinkt eine Menge Tee mit Honig aus dem Berg! Davon trinken alle Madeirer, ob jung oder alt. Nehmt eine Flasche zu zwanzig Euro mit!“

      Ihre Aufforderung wehrt Maik ab, kerbt den Mund ein, zieht eine Schulter im naturweißen Pullover mit Zopfmuster höher. Vom Überziehen wohl hängengeblieben, steht ihm das graue Haar wirr um Ohren und Hinterkopf. Seine tief blauen Augen, umgeben von blonden Wimpern, deuten keine Kaufabsicht an.

      Jörg schüttelt deutlicher den Kopf, auf dem der Lichtreflex aus dem Portal sich an seiner Glatze spiegelt. Jörg zieht seine buschigen Brauen über die Augen. Deren Braun erkennt Maria kaum mehr, als er sie ruckartig dem Geschehen draußen zuwendet. Ein Kleinbus hält. Die Seitentür wird mit hohlem Schieben geöffnet, zerteilt die blaue Außenbeschriftung der Agentur. Vier Wanderer wanken in die Bar.

      „Ah, Ausflügler!“, freut sich Maria und positioniert sich.

      „Wird eng“, raunt Jörg Maik zu. „Kommst du mit?“

      „Ich höre den Wettergeschädigten nicht zu“, entgegnet Maik steif, betontes Entsetzen im Gesicht.

      Jörg gestikuliert wegwerfend, trinkt seinen Kaffee in einem Schluck aus. Er schließt die Jacke, fummelt einen Euro hervor. „Ate logo, Maria!“ Er enteilt mit einem überlauten Räuspern.

      Maik wirft Maria einen mitfühlenden Blick zu, den sie weder zur Kenntnis nimmt noch benötigt Ihre Intension fliegt voran wie ihre Blicke, und ihre Tüchtigkeit einer fremdenfreundlichen Wirtin. Maik wendet sich zum Gehen.

      Unterwegs auf den Serpentinen des zu ihren Häusern in Hanglage führenden Asphaltweges, an dem Jörg seinen roten Jeep steuert, unterhalten sie sich ausschweifend.

      „Nachts hörte ich auch Donnerschläge“, berichtet Maik aus durchwachten Stunden. „Das war nur Wind. Ich erlebte bisher im Vorjahr ein einziges Gewitter.“

      Jörg hört aus Maiks Stimme nur seinen zur Genüge bekannten Verdruss, behält den Dachschaden berechtigter Weise im Sinn.

      „Ja, genau! In Angst abwartende Leute wissen, überall beten die Menschen unter den Dächern um Geduld. Keiner hält das aus.“

      „Hier verrammeln die Einheimischen die Fenster, steigen mit scharfen Getränken ins Bett. Wohl auch Maria mit ihrem Rum, sie ängstigst sich nicht um ihr Haus, stürmt es ununterbrochen. Der Wind kommt derzeit zum Glück von Südost, und wärmt die Luft an. Noch mehr Feuchte wäre schlecht für mein Rheuma. So schnell der Orkan kam, so soll er meinetwegen abhauen.“

      Jörg kraust die Nase, kurz nur erregt ihn ein Protest.

      „Sollte er! Meine werte Mona nimmt sonst in den Hotels viel zu viele überteuerte Wohlfühlanwendungen.“

      „Besser so versorgt, als tagelang an den Flughäfen frieren, wo kurzfristig Flüge gestrichen werden, erinnere die deutschen Nachrichten. Vor dem Schneechaos Flüchtende klappen vor Frust zusammen. Dies Jahr sind die Fernreisenden angeschmiert!“

      „Wie im Tollhaus geht es drüben zu, das Streusalz reicht in den Innenstädten längst nicht mehr gegen das Winterwetter. Ob das bis zur letzten Hinterkammer aller Oberstübchen vordringen wird? Auswandern hilft, und bleiben!“

      Maik reibt mit einer Hand seinen Nacken, erinnert etwas.

      „Anton meinte kürzlich, die Erde brauche nun mehr Beachtung und Anpassung an sie. Er hält sporadischen Kontakt zu Freunden seines Indianercamp, die teils weltenergetisch arbeiten und von künftigen Katastrophen faseln. Sonneneruptionen würden Stürme auslösen und nicht nur das. Vermehrt sei mit Dürren zu rechnen, Überschwemmungen und Vulkanausbrüchen, und mit Aschewolken, die ganze Kontinente bedecken. Verflixt bedrohlich das Ganze.“

      „Davon hörte ich noch nichts, nur von den Verschiebungen an kontinentalen Erdplatten, die Madeira nicht treffen. Mir reicht schon das Wetter der fliegenden Gartenstühle! Alles nicht Niet- und Nagelfeste segelt bergwärts hinunter.“

      Jörg schlägt sich abrupt kurz auf den Mund. Weil er zuvor etwas aufgesessen ist, von dem seine Mona oft genug fasele. Dem Einhalt gebietend, äußert er entschlossen:

      „Wir kamen für den Lebensabend und zum Glück mit reichlich körperlicher Anpassungsfähigkeit an das Wetter.“ Durch die von Tropfen bedeckte Frontscheibe sieht er hinaus. „Klar lieben wir die Natur. Regen genauso wie Sonne, bestrahlt sie alles Schöne, wenn auch sparsam. Schönes beachte ich, es weckt neue Ideen.“

      Soeben verlässt sein Jeep den Asphaltbelag und fährt an den Schotter, der zu den Anwesen am Berg führt. Der Orkan stimmt zu und hat ein Einsehen. Es tröpfelt nur leicht, als sie ihr Ziel erreichen, eine gepflasterte Einfahrt.

      Erleichtert steigt Jörg aus, und weist mit einem Daumen zum Dach. Daran spuckt und gluckst die Wasserrinne. Bedächtig nickt Maik zu diesem Geräusch, schaut unterdessen aber im Tal auf die sich gegen den Horizont auflösenden Regenschleier. Dann eilt er hinter Jörg über die Stufen in den Hanggarten, um von oberhalb des in Terrassen befestigten Areals ans Dach der dem ehemaligen Grundriss entsprechend erbauten Quinta zu sehen.

      „Fass dir die Handwerker, die es deckten! Ramponiert sieht das aus, ohne Silikon zwischen den Firstziegeln, gegen den Sog im Hurrikan unangebracht. Schlamperei!“

      Jörg drückt sein Kinn in den Kragen der Regenjacke.

      „Unverwechselbare Mucken hatten die Bauleute. Einen Stil im Umgang miteinander, bei dem mein Frühstücksei im Magen rumpelte wie deren klumpiger Beton im Mischer, hörte ich ihr Gebrüll.“

      Maik sieht fort, im gegenüberliegenden Gelände zetert eine Frau mit Kopftuch. Sie sperrt zwei Jungen in den der Hütte nahe liegenden Felsenkeller, stemmt obendrein einen Stecken vor den Außenriegel. Perplex, als ob ihn ein Pferd trete, obgleich nur selten auf der Hochebene geritten wird, weist Maik hinüber.

      „Von dem Geschrei kriege ich Hals! Sie schikaniert Kinder.“

      „Ja, weiß ich vom Fernglas, als ich nach Seeadlern ssh, die mich vor allen zweihundertfünfzig Vogelarten interessieren. Sie fliegen im Tal, wird es über dem Meer kälter. Meistens kreisen nur Bussardpaare über dem ökologisch intakten Tal.“ Jörg zieht seine buschigen Brauen hoch auf die Stirn, sein Blick funkelt unheilvoll braun. „Den Sohn der Frau kenne ich aus der Bauzeit. Kommt er abends heim, lässt er die Jungs heraus. Zustände! Nach dem Bauen hier, taumelte er bis in die Nacht mit seinem Spezi durch die Hügel. Von mir befragt, faselte er, im Suff sei ihm der erlöste Christus viel näher als bei klarem Verstand.“

      „Puh! Wie hast du reagiert?“

      Maik tänzelt etwas auf seinen steifen Beinen auf der Stelle herum. Hingegen sein Blick klebt noch am Nachbargelände.

      „Auf religiöse Fantasterei? War einfach, herauszubekommen, ob sein Spezi das auch so sehe. Er meinte, der habe nur Fische im Kopf, lade im Morgengrauen am Merkado der City fangfrische Ware ein. Am Ende der Verkaufstour sei Saufen dran. Hast dessen plärrenden Lautsprecher am Kühlwagen sicher schon gehört.“

      „Ein entrückter Fanatiker und ein Fischverkäufer betätigen sich als erste Trinker vor dem Herrn? Merkwürdiges Gespann.“

      Magisch angezogen schaut Maik hinüber und macht am steilen, niedrig bewachsenen Hang zuoberst ein Feld Zuckerrohr aus.

      „In dem Feld am Hügel lagen die und leerten