Leo befährt die Terrasse der Quinta und hupt, nichts rührt sich. Ihre angelieferte Tasche steht auf der Krüppelholzbank.
Vor dem Atelier am Kies bestreuten Vorplatz haltend, freut Leo sich an den Töpferwerken hinter der blanken Glasfront über dem halben Meter Bruchsteinmauer aus dunklem Basalt. Am Eingang reckt eine Kiwi am Spalier ihre Ranken über einem Holztrog mit skurrilen Wurzeln. Sechs Meter ferner liegt das Gästezimmer und davor die Glastür, aufgehend zu Vorplatz und Garten.
Erwartungsvoll wendet Leo sich dem vermeintlich prächtigen Garten zu, der Anblick öffnet ihr ungläubig den Mund. Sich aus der Lederjacke pellend und den Helm vom Kopf nehmend, sieht sie hinüber. Der Saum von gepflanzten Stauden - prachtvoll hüfthoch waren sie gewesen - zur Schneise gelichtet. Nichts wogt wie in der Erinnerung in nachmittäglicher Brise vor der unteren Mauer! Am Rauputz haftet auf der Länge eines Busses dunkle Matscherde, von Oberflächenwasser ausgewaschen, durchmengt von den Blättern entwurzelter Stauden. In breiten Rillen wurden Beete zerstört, ein winziges Stück erst krönt früher Salat.
Das Desaster tief beatmend, schnappt Leo gute Luft in sich, gesättigt von Düften derjenigen Büsche, die der braunen Masse wie Mahnmale standhielten. In einer von Maracujas berankten und aufgeschossenen Datura zwitschern winzige gelbe Vögel, denn der Wind weht süßer als anderswo von den Höhen herab. Das besteht, weiterhin tröstlich für ein Gefühl von Heimkommen. Das frische Grün der Fruchtbäume würde bald die sommerdunkle Farbe tragen, üppiger als an deutschen Bäumen.
Daheim steht ein Avocadobaum eingekübelt im Glashaus, nicht majestätisch sechs Meter hoch wie der dem Lorbeerbaum verwandte linkerhand. An den Enden der Zweige wachsen schon in den grünen Blütenständen winzige Knollen. Eine herbstliche Ernte dieser an langen Stielen hängenden violettbraunen Birnen erlebte Leo mit. Bestäubt von Insekten, die den Nektar der Rispen schätzen, und erwärmt von der Sonne wie heute, wächst ein guter Ertrag heran.
Nun versöhnt, legt Leo in den Unterstand auch das Chaos der Ankunftswahrnehmungen, und Jacke und Helm. Voraus zur Wohnküche geht sie, und öffnet die Sprossentür. Dabei, Leo weiß es genau, spiegeln sich die Lichtreflexe von der Tür an der Lederhose und betonen ihr Lächeln zu den eifrig Beschäftigen hinüber.
Eine darunter beugt soeben die Knie in schwarzer Pluderhose am offenen Backofen. Ein leckerer Dunst, von Fenchel, Knoblauch und Sellerie wallt heraus, auch an den weißen Bluse von Usa.
Leo geht in drei Schritten zu ihr, küsst ihr die Wange. Usa zieht lächelnd das Backblech heraus, stellt es am Tisch, an dem Lian noch hantiert, an den Korkuntersatz.
„Ola, du Liebe! Extra für dich gibt es Gemüseauflauf. Auf den Punkt, brodelt der Käse“, grüßt sie nur mit Worten Leo, die ihr folgt und dem Abstechen großer Quadrate zusieht. Krümel von den Händen reibend, nimmt Usa Platz und wedelt sich mit einem Blusenzipfel Kühlung zu. Und dies begleitet Lians feine Stimme.
„Mein Willkommen für dich, Leo! Ich dekoriere schnell noch die letzten im Hanggarten gepflückten Hibiskuskelche vor unsere sieben, nein sechs, aufgedeckten Wassergläser.“
Lian führt es aus, steckt eine gelbe Blüte hinter ein Ohr im halblangen graublonden Haar. Die belebt ihr schwarzes Tshirt und ihre wie ein nahender Sommertag leuchtenden blauen Augen.
Dann erst umarmt Lian warmherzig Leo.
Da die Kichernden nicht voneinander lassen, giggert Maik:
„Höchst betörender Besuch rückt für uns alle an!“
Er steht barfuß in roter Jeans und karierten Kurzarmhemd an der Arbeitsfläche. Einen Sauerteig walkt er für neue Brote.
Anton hört Maik plaudern, und beendet das Aufdecken zweier Schalen Wildkräuter und der überdimensionalen Salatschüssel in noch trüberer Laune. Keinen Deut ändert daran das würzige Aroma der Kräuter, die sich entfalten. Er winkt Leo zu dem Platz bei seinem, an den er sich setzt und mit tiefer Stimme raunt:
„Maik übt. Demnächst besucht ihn eine alte Freundin. Seit unser Domizil fertig ist, erinnert er sich, mit Frauen anders zu verkehren, das war zuvor unnötig.“
„So kurz angebunden, Anton? Auch ich bin dir eine Freundin, wenngleich nur zu Margarita in dicker alter Freundschaft.“
Leo mustert des Stämmigen weißes Knitterhemd, erfasst seine Stimmung. Die drückt sie bleiern an ihren Stuhl.
Maik nähert sich ihr und seinem Stammplatz in der Nische am Geschirrschrank, neigt sich zu Leos nun ernsthaftem Gesicht.
„Du kommst zum ersten WG-Jahrestag, grandios! Küss mich!“
„Aber lass die Teigfinger von meinem Hemd.“
Leo reibt ihre Wange auf Maiks Stoppeln. So entledigt ihres mulmigen Empfindens, steigt sie auf seine Heiterkeit ein, wiegt Maiks Arme sachte und innig in ihren Händen.
Bald nach seinem Händewaschen plumpst Maik an seinen Platz. Grinsend faltet er vor sich seine Hände, und lauscht Leo.
„Ja, übe! Ein Flirt kann so leicht gelingen wie Teigwalken. Du hast prächtige Anlagen, ausbaufähig in jedem Alter. Flirten könnte in eurer WG allerdings eine disharmonische Gratwanderung mit sich bringen, und die wäre keine wünschenswerte Lage. Gerne mehr dazu unter vier Augen.“
Sich umwendend betrachtet Leo die Kerben in Antons Gesicht, sein Reiben am linken Ohr. Den Überfall ungeordneter Gedanken. Sie öffnet die ihren einer Ahnung von seinem Desaster.
„Na, na, Freundschaft und Mögen sind immer bekömmlich, und helfen über manches störende Äußere hinweg, Anton.“
Anton hört heraus, sie meint den Gemüsegarten, dem er sich nicht widme. Kein Elan. Diese Zerstörung birgt mehr als er sich zumuten mag. Ein uraltes Grab, um das er in Kreisen schleicht.
Rasch senkt er die reibende Hand, zu Usa linsend. Auch ihr Gemüt baumelt am Rückzugsfaden. Zu engagiert, überreicht sie ihm seinen gefüllten Teller. Anton holt gedanklich aus für den Hinweis an Usa, zumindest sie dürfe sich verstanden fühlen.
„Ah ja. Offene Worte über gehätschelte Gewohnheiten geraten uns nicht mehr in den falschen Hals. Heute bereden wir nichts Konfliktreiches, bekömmlich soll das Vorgesetzte sein.“
Lian entzündet noch Leuchter an Sideboard und Tisch, bevor sie Antons Wink bekaut hat, und sich vor ihr Essen setzen kann.
Geruhsam, wenn auch mit gemischten Ambitionen, genießen die Versammelten Leos Wind von außerhalb ihrer Welt als Zugabe im Tagesanlass. Stunden verstreichen, dann duften die gebackenen Brote ihr süßliches Aroma in den Rauch brennender Kerzen.
5
Im Halbkreis ihrer halbhohen Korbsessel vor dem Kamin sitzend, streckt die Gruppe gemeinschaftlich ihre Füße zur Wärme. Wohlig satt, kommt nur knapp ein Gespräch in Gang.
Abends um acht Uhr knattert Margaritas Moped draußen auf.
„Dein Happen steht im Ofen, Salat am Tisch“, meint Leo, als Margarita unterm leisen Hauch eines „Hallo“ eintritt. „Du Arme, siehst ja ganz und gar ruhebedürftig aus.“
Maik deutet für sie ans Klemmbrett nahe dem Fenster.
„Es kam ein Brief für dich an. Einmal kein elektronischer.“
Erwartung schwebt durch den Raum, Margarita reagiert nicht, füllt zügig ihren Teller, setzt sich an den Tisch.
Ihre Abkehr irritiert Usa, sie windet sich im Sessel.
Der knarzt und wohl auch sie selber, rügt es Anton bei sich und bemerkt, zeitgleich dem Geräusch, noch nicht von Usa gehört zu haben, was Vera zu Hotelgast Carel wisse. Komme Vera vom Nachtdienst, schläft Usa und auch