Sonne satt. Roma Hansen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roma Hansen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738039245
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Horden auflaufender Familien, mitsamt behüteter Kinder und ihren umhegten, wertgeschätzten Alten.“

      „Es sind Bessergestellte. Andere verwahrlosen, halten ihre Kinder mit Schlägen zum Betteln an.“

      „Katastrophal!“ Maiks Ton schraubt sich hoch, er merkt es, und schöpft Luft, einen Moment innehaltend. Brasst steckt ihm im Hals. „Jörg, mieses Verhalten zeugt davon, kein wirksameres Instrument zu kennen. Sind die Kleinen ins Dunkle weggesperrt, haben sie keine sichtbaren Verletzungen durch tägliches Leid. Doch was wird bei aus denen? Sie leben ein Schattendasein, sie vegetieren unter praller Sonne.“

      Trocken schluckt Maik, um seinen anbrandenden Zorn und sein Einfühlungsvermögens unten zu halten. Vor ihm klart unerwartet zumindest die Wolkendecke auf, und scheucht, Schlag auf Fall im launischen Frühling, in einem kräftigen Windsog wogende Wolken über den Himmel. Derweil versteckt sich die Sonne noch abnormal im hohen Dunst, vermag kaum ihr Licht hindurch zu schicken.

      Sie wärmt und hat Kraft, ihre Temperatur steigt, redet Maik sich gut zu in der Absicht, ihm würden dann seine Atemzüge die stets hohe Luftfeuchtigkeit wie Balsam in die Lungen pumpen.

      Den Hader mit der Himmelsmacht abschüttelnd und ebenso nach Linderung seiner Entrüstung über die Nachbarn suchend, schwenkt Maiks Blick über das Tal zur anderen Seite, haftet sich an das bauliche Treiben bei einem Wasserreservoir. Dort bannt ihn ein Kollern. Dessen Hall dringt über die Ferne näher.

      Maik blinzelt durch seine hell bewimperten Lider zu den die Lasten wegwerfenden, fliehenden Arbeitern. Erdbraune, aus dem Nichts kommende Wassermassen fluten ihr halbfertiges Mauerwerk. Bodenlos sich überstürzend, umspült diese Woge aus blitzartig aufgewühltem Erdmatsch dort auch einen Mast. Und nach und nach neigt der sich, und mit ihm sacken in etwa zehn Meter Höhe die Überlandkabel tiefer. In all dem Gewoge, der in ihrer Schwere schwingenden Kabellast, bricht eine bröckelnde Erdwand aus der Basis der Mastverankerung und kippt den Pfosten im Winkel gegen Ein Uhr dem Hang zu.

      „Der fällt um!“, stößt Maik aus und greift spontan an Jörgs Jacke. „Quer dem Steilhang schwingen Kabelleitungen, auch das unserer Quintas von dem Rutsch. Die Arbeiter dort müssen doch, offenen Auges wie wir, das nahende Fiasko ahnen!“

      Seine Erwartung erfüllt sich, auf Zwei Uhr zeigt der Mast. Endlich rühren sich die Drei an der Baustelle. Winzig wirken die sich selber mit Stangen Sichernden, die mit irgendwelchem Gerät den Mast verkeilen, den Sturz beenden. Dennoch beobachten Maik und Jörg, wenig fern der Zisterne züngelt eine Brache mit regenschwerer Erde zur nächsten, den Hang stützenden Terrasse.

      „Hält die?“

      Jörg erschaudert, ihm wird klamm. Er befreit Maiks Arm von seiner Jacke. Seinen Blick heftet er an die fernen Männer. Sie flüchten zu einer meterbreit entfernten Gruppe grün belaubter Lorbeerbäume. Die grauen Stämme gräbt der sich den Weg bahnende Schwall hüfthoch ein, spritzt vorbei an den Festgeklammerten, reißt statt ihrer eine orangefarbene Papageienstaude um.

      „Was für eine Wucht!“, japst Jörg, mit einem Kick zynischen Humors. „Abwarten und Tee trinken, würden Engländer sagen, die nicht dort drüben in der Haut der Betroffenen stecken!“

      Seine Situationskomik vergeht ihm. Die Schlammlawine prallt vor die Mauerkrone der tiefen Terrasse. Geröll und braune Brühe stürzen ins nächste Terrain, schlagen ein riesiges Loch in die Wand eines Hauses. Darin wirbeln Stühle schlammbespritzt auf. Ein schwarzer Hund sucht zappelnd sich zu retten. Vergeblich, der Schlamm füllt das Loch, flach wie ein Teig, bis zur Kante. Von oberhalb stürzt mehr herab, eine grausige Lawine schwappt. Das sehen auch die drei Gestalten an den Bäumen, und verharren.

      „Wie anders wir hier leben!“, wispert Jörg, in Kompensation der Hilflosigkeit, wäre auch seine Quinta derartiger Zerstörung ausgeliefert. „Deren Lebenskultur impliziert die Anpassung an Gefahren, wir verpassten das bislang, wir beginnen mit unserer Integration bei Null.“ Schon tritt vor sein geistiges Auge der Levadakanal oberhalb der Hanglage, und ihm keimt die Vermutung nicht davonzukommen, wäre der übervoll.

      „Maik, ich meine, die Verwaltung müsste mehr Levandheiros an die Levadas der Berge senden, und die tausende Kilometer auf Wolkenbrüche konzipieren, nicht nur das Quellwasser auffangen.“

      Mit dem Handrücken über seine Stirn wischend, räuspert Maik sich zittrig, weist dann in ausladender Geste in den Berg hoch. Davon aber greift Jörg blitzschnell an Maiks Pullover.

      „Solchen Schaden ahnt doch keiner! Warum sprachen wir nicht früher darüber? Wachsame Raubvögel liebe ich über alle Maßen, aber penne selber vor der Gefahr, die mir, zusätzlich zum Dach droht. Die dort drüben lassen sich von Verwandten helfen. Aber wir sehen sicherheitshalber nach der Levada, ja? Was die andere Seite umriss, kann schon oberhalb aufgehalten worden sein.“

      In Jörgs Miene und an seiner Stimme den Grad seiner Ängste deutend, will Maik ihn beruhigen.

      „Die Erde vor unseren Mauern hält seit Urzeiten. Nur wo die Äcker bewässert werden, gibt sie nach, und Niederschlag bricht sie auf. Dennoch willst du in den Berg? Die Idee empfinde ich als weitaus mehr schmerzhafte Fortsetzung. Meinem Rheuma gemäß überfordere ich mich nicht, stechende Schmerzen nagen an allen Gelenken. Verlangst du das? Wir übernehmen uns wohlmöglich und haben keinen Spaß, sieh dir die Sonne an!“

      Jörg rückt von ihm ab, und blickt an den Boden auf dem er steht. Der dämpft nicht sein Bangsein vor der Nacht. Sein Blick fliegt über sein beschädigtes Dach, und in den fernen Himmel.

      „Du hast Nerven! Bist abgebrüht durch ein sonnenverwöhntes Jahr!“, protestiert Jörg, verstummt für nur einen Moment. „Wo steckt dein Mitleid mit denen im Haus, vor Minuten verschüttet? Schau zu den Gestalten am Wasserspeicher. Vergeht ihr Schreck, brauchen sie Hilfe, um den Kladderadatsch auszuschaufeln.“

      „Nur junge mutieren zu Helden! Ich halte meine Grenze!“, verteidigt sich Maik vehement.

      Jörg gähnt - und nochmals, verwundert gen Himmel.

      „Der hellt auf? Ich gehe, Sonne berauscht zu neuen Taten! Komm, ziere dich nicht und klage mir nicht die Ohren voll.“

      Die Sonne bricht durch, als sie mit Schaufeln ausgestattet zur Levada gehen. Vorbei an sturmgeschädigten Pinien und frisch glänzenden Lorbeerbäumen führt der Schotterweg. Munter fischen sie die im Modder der Levada begrabenen Äste und Pflanzenteile heraus, und sehen am trüben Wasserspiegel auch die von Südost anstürmenden Wolken, und die verbleibende Zeit bis zum Regen.

      „Meine Rheumasicherung springt an, Jörg“, wimmert Maik nach geraumer Weile, gestützt am Schaufelstiel auf den gereinigten Abschnitt sehend. „Reicht für die Nacht, sei zufrieden.“

      Bestätigend nickt Jörg, spült dann beider Geräte, schultert sie tropfnass. Bergab stapft er dem Freund voraus. Vor seiner Quinta gestikuliert er einladend.

      Maik klopft mit einem schlammfleckigen Pulloverärmel, sich kraftlos verabschiedend, an Jörgs Arm.

      „Sitze ich erst, komme ich schlecht wieder auf die Beine. Ich hinke mit dem Rest meines Elans abwärts. Ate logo!“

      3

      Auf der Parkzone vor der Quinta fehlt noch Lians Kombi vor der mit Maracuja berankten Palisade. Der Jeep parkt, hinten rechts ist das Rad sauberer als das vore, bemerkt Maik. Röhrend fährt der PKW von Veras Mitfahrgelegenheit vor. Maik enteilt so gut es geht voraus, wendet sich schließlich um.

      Vera, noch in ihre dunkelblaue, und schreigrün paspelierte Hoteluniform gekleidet, die ihre grüngrau changierenden Augen bestens betonen, steigt aus und kommt auf Maik zu. Sie runzelt ihre schmalen aschblonden Brauen, legt ihre Linke ans Kurzhaar ihres Oberkopfes.

      „Wie siehst du denn aus! Rasch hinein, die Treppe hoch!“

      Hinter den Rankenschlingen, die im April die hängenden rosa Knospen öffnen und den Bananen ähnliche Fruchtschoten treiben, liegt die Außentreppe. Maik zieht sich am Handlauf hinauf.

      Im