„Mit diesem bunten Berliner Stempel lebe ich so gut wie ein Paradiesvogel nur könnte.“
„Kannst du dir auch vorstellen, Anton eine PC-Nachhilfe zu geben? Vermutlich profitiert er mental von deiner Routine, und findet danach hinaus zur Katastrophe im Garten.“
„Ups!“, ruft Anton. „Usa, ich neige mein Haupt in den Staub vor deinen Schuhen, du gebietest über hohen Starrsinn und doch schaukelt dein Pferdchen.“ Für Leo fügt er an, ebenso zynisch:
„Arm wäre ich ohne dich. Flirten wir also am PC. Fein!“
„Und freundlich, längs eurer Rollen.“ Usa lächelt gelassen.
„Murkse Leo nicht ab für ihren kreativen Reichtum, oder ihre uralten Fangarme. Sie wählt das Richtige für ihre Sicherheit.“
„Bei Sicherheit fällt mir das im Sportstudio mit Gewichten trainierende junge Gemüse ein, das weiß nichts von Arthrose im Ellbogen.“ Leo hört am Gestöhne in der Runde am Kamin, was sie angerichtet hat. Sie schwenkt auf ein anderes Gebiet um. „Diese Pannen an uns, besiegt demnächst die Stammzellenzüchtung!“
„Ein Ansatz von allgemeinem Interesse, doch der verpufft!“, blafft Maik Leo an. „Jeder schiebt das Altern in Würde von sich ab, keiner freut sich auf den Rollator. Zuversicht, prima Laune und Weitermachen sind die besten Pillen, meine ich, und frage mich schon, wie Schmetterlinge enden! Kurzlebigkeit und Falten nur, sind die uns gemein? Trockene Runzeln kommen sowieso, die sind das selige Ende an der Sprossenleiter zum Himmel.“
„Du und deine Endgedanken zur alten Fassade“, rügt ihn Lian ernsthaft, bedenklich an der Nase reibend. „Lass ab vom Kummer. Ich verstehe, zum Zweck ihrer Nachkommen tickt auch die Uhr der Schmetterlinge und läuft ab im Paarungsflug, nachdem sie ihren Nektar tranken. Wir trinken unser Lebenselixier noch eine ganze Weile! In mir existiert keine Zeit in meiner Seele Funken. Wie ewig frisch, altern die nicht, werden niemals alt sein.“
Lian hebt ihre Hand von der Nase, dreht den Kopf zum Tisch. Zu Margarita, deren krasse Miene sie ignoriert und ihr winkt.
„Dir töpfere ich, analog Usas Schmetterlinge, einen Stempel für deine Duftseifen. Findest du Zeit, dein Hobby zu pflegen?“
„Zeigt sich ein Luftloch, gehe ich mit dir einig.“
„Ups! Das war knapp.“
Antons Augenbrauen zucken theatralisch hoch auf die Stirn. Seine Stimme färbt er gelassen ein und bedeutungsschwer, weil Maiks Haar zwar wirr steht, doch nicht vom Raufen. Es passierte akut auch nichts mehr. Doch das zuvor Geschehene schmort noch.
„Im Sonnenschein schwärmen Falter, und ähneln uns, auch wir mögen für die vorerst letzte Etappe Wärme. Angenehm wäre dabei auch nachbarschaftliche Gegenliebe - die fehlt im Paradies. Die
hiesigen Bananenfalter imitieren zur Abschreckung ihrer Feinde Raubtieraugen an den Flügeln. Ansonsten fällt mir nur ein, euch um Ideen zu bitten, wegen der Rotzlümmel in der Nachbarschaft!“
Der Versuch war es wert, wegen dem Nest scharrender Ratten. Ungenügend antwortet das Schweigen unbewegter Körper. Die Bitte erwürgt das schöne Weiche ihrer gealterten Gesichter. In Anton springt ein Getriebe an in Richtung der Nachfrage, so brauchbar wie ein leiser Motor. Abfahren vermag er nicht, soeben passiert mehr. Leo atmet tiefer, deutet heftig zum Wandbild.
„Dies Flattern hält uns unsere zwickenden Sechziger präsent und das zelebrieren wir am Beginn des neuen gemeinsamen Jahres. Usas Patchwork stellt es als ein Spiel auf: Siege für Wünsche.“
Vor ihrem Bildwerk wedeln Usas Arme nun auf- und abwärts in raschen Zickzacklinien vor den Schmetterlingen, zeichnen, malen Symbole davor. Andächtig wird ihr Treiben beobachtet.
Lian deutet Usas Wippschwünge als Sternbild, dem sie einen Auftrag zuteilt, es bündelt in einer Grafik. Und erinnert, sie sah solch ein Siegel schon auf uralten Amuletten.
Eine Interpretation zum salomonischen Siegel erinnert Lian. Ein sphärischer Geist küsse symbolisch wach, wecke Kraft. Weise knüpfen zudem ein Mantra hinein, das in das Feld eines Wunsches ziele, die Last vor der Erfüllung abwerfe. Im Detail genau wird ein Herzenswunsch dem Alltag überantwortet, der harre nicht aus in der Leere, sondern in Dankbarkeit, es erreicht zu wissen.
Schon ribbelt Lian geistig am vorigen Jahr, an ihrer Kette aus Tonkügelchen, die sie zur WG spannte, nach einem Besuch der im Umbau befindlichen Quinta. Viele Ideen regte die Idylle der subtropischen Gartenlandschaft an. Inspirationen für Monumente keimten endlich wieder, erneuerten den Glaube an ihre Berufung.
„Ihr Lieben!“, nimmt Lian das Gespräch wieder auf, als Usas Arme hängen. „Unsere temporär flexible Interessengemeinschaft gab mir ein Versteck vor den kalten Sphären am Festland, eine Zuflucht für meine Künste, und das Synonym meines Namens. Mit geschärften Sinnen kann ich mich auf- und abwärts schlängeln, wie meine Hände an Tonklumpen. Das wird mir, stets beglückend, auch möglich sein, lehnt der Gehstock daneben. Und treiben die Rotzlümmel mit uns noch mehr Schabernack.“
Lians blauer Blick streift über Maik, der mit Leos Stiefeln zärtlich barfüßiges Streicheln tauscht, und hin zu Anton, noch magnetisiert von Usa. Über Antons Schoß greift sie hinweg auf Usas Sessel, rückt daran, und fragt, warmherzig klingend:
„Hast du Wohlbefinden gewedelt und mutig weitergesponnen?“
Usa setzt sich, ihr Sessel knarrt unter ihrem Gewicht.
„Gesundheit, und langen Atem mit den Nachbarn und für einen neuen Job, um darin zu siegen. Mein Werk gefällt dir also?“
Leos wache Miene bemerkt Lian, und hebt an, in Empathie mit Usa, um ihren vorherigen Schlusspunkt auszuführen: „Mein Humor war weg, als ich mit dem Gesicht voran im Dreck der Schulden meiner Galerie lag, in der Scheingeborgenheit der Geldwelt.“
Kurz huscht ihr Blick auf Anton, ihn lernte sie damals als Reisepartner über eine Kontaktbörse kennen.
„Ich fand Freunde, das war mein Sieg und deshalb verstehe ich jeden Wunsch nach guten Job- und, ja, anderen Aussichten.“ Ihre Stimme senkt sie. „Bitte, wechseln wir das Thema. Anton, erzähle etwas Neues vom Glück deiner rollenden Räder.“
Anton lächelt, beginnt bedächtig.
„Mit dem neuen Reifen fährt der Jeep wieder prima. Mir war nach der Nägelattacke wichtig, Fernando zu treffen. Er glaubt nicht, nur Böses wäre uns bestimmt. Ich traf ihn beim Stall im Berg. Sein Schwager schlachtete ein Schwein, Fernando mag gerne Kotelett.“ Zu Maik grinst er, der höchst interessiert lauscht.
„Schnaps gab es, der gehöre dazu wie heißes Wasser, meinte der Schwager, und sang mir vor, was er in der Lehre lernte: Bis das Schwein hat den Haken rein, muss getrunken sein. Und Fernando
kannte den Wursterspruch deutscher Hausschlachter. Kommt raus, was reinkommt, komme er da rein, wo er nie wieder raus komme.“
Maiks Sessel knarrt auf, und er in dem Part alten Lebens.
„Hm, leckere Grützwurst mit Graupen, und Mettwurst.“
Anton nickt bestätigend, räuspert sich dann.
„Eine blutige Angelegenheit waren die besudelten Sägen des heldenhaften Schwagers. Einen Schinken sagte uns Fernando zu.“
„Da du gut Bescheid weißt, könnte ich darüber einen Artikel fürs Inselmagazin verfassen, ein paar Euros verdienen.“
Usa hebt zaghaft ihr Kinn, doch fängt von Leo ein Aufzucken einer Braue ein, sie unterdrückt Ekel. Nicht so Anton.
„Ist möglich, Usa. Aber der Wurstgenuss sagt mir mehr zu.“ Er schnalzt mit der Zunge vor der Aufmerksamen. „Wie ich weiß“, beginnt er, „wird Wursten erlaubt, hängt das Schwein über Nacht ab, das er Veterinär dann stempelt. Danach wird die rohe Leber durchgedreht und im Glas eingekocht, um deren Keime abzutöten.“
„So hast du dich damals verköstigt, hier nicht