Das Blutsiegel von Isfadah (Teil 2). Carola Schierz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Carola Schierz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742761743
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Tages wegzugehen, aber ich bin auch ziemlich neugierig auf das Leben draußen.“

      Fanida hörte ihr aufmerksam zu. Das Mädchen hatte wirklich eine beruhigende Wirkung auf sie. Plötzlich fühlte sie sich nicht mehr ganz so allein. Vertrauensvoll kuschelte sie sich an die Ältere und schlief schließlich ein.

      Sie träumte von ihrer Mutter, die in einem wunderschönen roten Kleid vor ihr stand und sie traurig, aber auch stolz anlächelte. „Fanida, meine Kleine. Ich bin bei dir, immerzu! Hab keine Angst. Alles wird gut. Habe Geduld! Du hast einen langen Weg vor dir und du wirst dabei nicht allein sein. Sie wird dich finden, wenn es an der Zeit ist. Ich liebe dich, meine Kleine. Verzeih mir, dass ich zu schwach war ...!“

      „Warte!“, rief Fanida ihr nach, als sich ihre Umrisse zu verzerren begannen. „Bleib da! Bitte!Wer wird mich finden?“ Doch ihr Ruf ging ins Leere und ihre Fragen blieben unbeantwortet.

      Kamir

      Er hatte einen anstrengenden Tag hinter sich und sehnte sich nach einem heißen Bad in den Thermen. Es gab in den Kellern des Schlosses mehrere davon, insgesamt vier. Eine war der königlichen Familie vorbehalten, eine den Frauen des Hofstaates, eine den Männern und eine den Offizieren. Kamir hätte durchaus die Therme der königlichen Familie nutzen können, zog es aber vor, sich unter die Offiziere zu mischen. Das brachte ihn den Männern näher und stellte nicht in den Vordergrund, dass er Farids Bruder war. Er hatte sich, trotz seines jungen Alters von inzwischen zweiundzwanzig Jahren, hohes Ansehen bei seiner Truppe verschafft. Das war als Verwandter des Königs nicht wirklich leicht gewesen. Zuerst waren die Männer fest überzeugt davon, dass er diese Stellung nur aus diesem Grunde bekommen hatte. Doch er belehrte sie schnell eines Besseren. Als er hörte, was hinter seinem Rücken gesprochen wurde, befahl er, dass die Truppe einen aus ihren Reihen bestimmen sollte, der gegen ihn im Zweikampf antreten musste. „Wenn euer Mann mich besiegt, werde ich den König bitten, meine Position mit diesem zu besetzten. Wenn ich gewinne, fordere ich von euch Treue und Gehorsam und dass ihr umgehend damit aufhört, wie alte Waschweiber hinter meinem Rücken zu lästern. Derartiges Verhalten ist eines Mitglieds meiner Truppe unwürdig. Nur Feiglinge reden hinter dem Rücken eines anderen Mannes. Und Feiglinge dulde ich in diesem Regiment nicht!“ Einige der Angesprochenen blickten beschämt nach unten. Anderen war anzusehen, dass sie sich Hoffnung darauf machten, für den Zweikampf erwählt und nach einem Sieg, an Kamirs Stelle, im Sattel des Anführers zu sitzen. „In zwei Stunden komme ich wieder und dann erwarte ich euren Auserwählten.“

      Als er zurückkehrte, standen die Männer in Zweierreihe um den Exerzierplatz herum. In deren Mitte erblickte er einen wahren Hünen von Mann. Er versuchte, seine Besorgnis beim Anblick dieses Muskelberges zu verbergen, und schritt mit erhobenem Kopf auf seinen Gegner zu. Der brachte sich wortlos in Kampfposition und das Kurzschwert vor sich in Bereitschaft. Kamir tat es ihm gleich. Er musterte sein Gegenüber. Er hatte langes dunkelblondes Haar und einen kurzgeschorenen Vollbart. Der Hüne war sicher ein paar Jahre älter als er selbst und einen halben Kopf größer. Und das, obwohl man auch Kamir nicht gerade als klein bezeichnen konnte. Er hatte aber gelernt, in jeder Situation seine Vorteile zu nutzen. Hier würden sie eindeutig in seiner Beweglichkeit und Geschwindigkeit liegen. Der Muskelberg würde ihn sicher an Kraft überbieten. Kamir zweifelte keinen Moment daran, dass er mit bloßer Faust einen Gaul ins Jenseits befördern konnte. Doch er selbst war viel wendiger und würde dem Gegner keine Chance lassen, ihn zu erwischen.

      Kurz entschlossen hatte Kamir das Schwert erhoben und den Kampf eröffnet. Als er den ersten Hieb des Riesen abwehrte, meinte er, dass ihm die Knochen in den Armen brechen müssten. Eine Weile schlugen sie aufeinander ein. Kamir tänzelte dabei geschickt um den Hünen herum, weshalb der des Öfteren ins Leere schlug. Das kostete ihn Kraft und forderte seinen Tribut.

      Zufrieden stellte Kamir etwas später fest, dass sein Gegenüber immer schwächer wurde und langsam zu torkeln begann. Auch seine Kräfte ließen nach, doch er hatte noch ein paar Reserven. Als der Riese unvorsichtig wurde, stellte er ihm geschickt ein Bein und hielt dem am Boden liegenden Mann blitzschnell die Klinge an die Kehle. Dem blieb nichts anderes übrig, als sich zu ergeben.

      Von da an respektierten ihn die Männer ohne Wenn und Aber. Das alles war nun schon wieder ein paar Jahre her ...

      Kamir betrat gedankenverloren die Therme und stellte zu seiner Zufriedenheit fest, dass er allein war. Als er sich seiner Kleidung entledigt hatte, glitt er ins angenehme Nass und tauchte so lange unter, wie es ihm seine Lungen erlaubten. Dann durchbrach er mit einem hörbaren Aufatmen die Wasseroberfläche und warf das nasse Haar nach hinten. Als er aufsah, stand vor ihm eine nackte Schönheit, die er bisher im Schloss noch nie gesehen hatte.

      Voller Entsetzen sah sie ihn an und warf sich sofort ein Tuch um den makellosen Leib. „Was tut Ihr da?“, rief sie entsetzt.

      „Baden oder was meint Ihr?“, erwiderte er ungeniert und musterte sie eindringlich. Sie hatte langes glattes schwarzes Haar und beinahe ebenso schwarze mandelförmige Augen. Der kurze Moment, der ihm vergönnt gewesen war, um ihren Körper zu mustern, hatte gereicht, um ihm eine Erektion nie da gewesenen Ausmaßes zu verschaffen. Er bewegte sich zum Rand des Beckens, da er befürchtete, sie könne dies durch das klare Wasser hindurch bemerken.

      „Aber das ist das Bad für die Edelfrauen!“, zischte sie schockiert.

      „Ihr irrt Euch, meine Dame. Dieses befindet sich drei Türen weiter. Ich nehme an, Ihr seid neu bei Hofe?“ Herausfordernd blickte er zu ihr auf.

      „Ich bin gestern hier eingetroffen. Mein Vater ist vom König zum neuen Baumeister berufen worden.“ Sie blickte sich unsicher um und griff eilig nach dem Rest ihrer Sachen. „Ich glaube, das hier ist nicht der richtige Ort für eine Unterhaltung!“ Damit war sie verschwunden, noch ehe Kamir sie nach ihrem Namen fragen konnte. Doch die Informationen, die er hatte, reichten durchaus, um sie zu finden. Und er war sich sicher, dass er diese Augen überall wiedererkennen würde.

      Und er sollte recht behalten. Schon wenig später, beim Abendessen im großen Saal des Schlosses, sah er sie wieder. Der Tisch des Königs, der quer zu den drei langen Tischreihen auf einer Erhöhung an der Stirnseite stand, blieb heute leer. Er und Ismee behielten sich vor, je nach Belieben in ihren Gemächern oder gemeinsam mit dem Hofstaat zu speisen. Oft nutzte Farid jedoch die Gelegenheit, um ein paar Gespräche zu führen oder um Zerstreuung beim Hofklatsch zu finden. Dann ließ er im Laufe des Tages den Begünstigten eine Einladung an seinen Tisch zukommen. Die auf diese Weise geehrten Höflinge wandelten dann erhobenen Hauptes, unter den neidischen Blicken der anderen, an ihren Platz. Doch heute war diese Ehre keinem vergönnt.

      Kamir setzte sich zu seinem ersten Offizier. Dabei handelte es sich um denselben Hünen, der ihm in jenem legendären Zweikampf unterlegen gewesen war. Mittlerweile waren sie gute Freunde geworden.

      Lester, so war sein Name, bemerkte Kamirs umherschweifenden Blick. „Falls du mich suchst: Ich bin hier, vor dir!“, sagte er und winkte vor den Augen seines vorgesetzten Freundes herum.

      „Ich weiß!“, entgegnete Kamir, ohne seinen suchenden Blick zu unterbrechen. „Wer sollte dich Halbriesen auch übersehen. Ich glaube, das wäre nicht einmal möglich, wenn du dich hier vorsätzlich verstecken wolltest.“

      Lester verzog das Gesicht zu einem Grinsen und schüttelte nachsichtig den Kopf. „Wie heißt sie denn? - Es ist doch eine Frau, nach der du suchst, oder? Den Blick kenne ich mittlerweile. Du jagst wieder.“

      Kamir sah ihn vorwurfsvoll an. „Du tust ja so, als wäre kein Rock vor mir sicher!“

      „Zumindest keiner, dessen Inhalt dich interessiert!“ Lester wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Essen zu. Er hatte immer einen großen Appetit, was bei einem Mann von seiner Statur kein Wunder war. Dementsprechend gut gefüllt war auch sein Teller. Gerade, als er Kamir darauf hinweisen wollte, dass der endlich etwas essen solle, bemerkte er, dass sich der Gesichtsausdruck seines Freundes änderte. Die braunen Augen begannen zu leuchten und ein verführerisches Lächeln umspielte die makellosen Züge. Interessiert folgte Lester dessen Blick und fand den Grund für Kamirs Ausnahmezustand. Jaaa, das erklärte alles! Die Schönheit der jungen Dame, die