Weihnachtsmärchenwald. Verschiedene Autoren. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Verschiedene Autoren
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754924617
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Großen sagen, als sie kaum zwei Schritte gegangen waren.

      „Die Hälfte,“ tief August, „du bist wohl toll, Ludwig! Da, hier,“ sagte er und reichte ihm einige Stück, „das bekommst du, mehr gebe ich dir nicht.“

      „Was, mit diesen paar lumpigen Bissen willst du mich abfinden? So kommst du mir nicht fort! Die Hälfte her, oder ich haue dich durch!“

      August nahm einen Anlauf und wollte davonspringen. Kaum hatte er einige Schritte getan, so packte ihn Ludwig fest am Arm.

      „Warte du,“ schrie er wütend, „auskratzen willst du mir! Das sollst du büßen.“

      Rechts und links flogen die Ohrfeigen, August schlug wieder, aber, o weh! Dabei entfiel ihm sein Paket, das er unter dem Arme gehalten, und all die herrlichen Süßigkeiten kollerten in den Schnee.

      Aber auch die beiden Jungen lagen auf der Erde und rauften und balgten sich, wie es eben nur so ungezogene Straßenbuben tun können. Sie merkten auch gar nicht, wie sie sich auf dem Honigkuchen herumwälzten, wie Zuckerzigarren und Schokolade und noch viele andere Sachen im Schnee und Schmutz umkamen und verdarben.

      „Laß mich los!“ schrie August, als Ludwig ihn in den Haaren gepackt hatte, „laß mich los!“ dabei kratzte er ihm ins Gesicht, daß dieser vor Schmerz aufschrie.

      „Du Spitzbube willst mich kratzen? Du erbärmlicher Dieb, du!“ Dabei versetzte er August Stöße und Püffe nach Herzenslust. „Jetzt gehe ich zur Polizei und sage, daß du gestohlen hast! Warte, das soll dir schlecht bekommen!“

      Frau Stein hatte die Jungen nicht aus den Augen verloren. Sie hatte mit angehört, wie sie zankten, und als sie sich prügelten, war sie ruhig sitzengeblieben. Sie mochte sich nicht dazwischen mischen, die bösen Jungen wären am Ende imstande gewesen, frech gegen sie zu werden.

      Als Ludwig indes die letzten Worte rief, stand sie eilig auf und trat hinzu.

      „Wer ist der Dieb, wer hat gestohlen?“ fragte sie und faßte August fest am Arm“

      „Ich nicht, der da!“ sagte Ludwig, es wurde ihm aber plötzlich angst und bange und ohne sich zu besinnen, machte er sich schnell wie der Wind aus dem Staube.

      Frau Stein hielt August noch immer fest, und wie er sich auch bemühte, von ihr loszukommen, es gelang ihm nicht, sie hielt ihn fest, wie in einer Klammer.

      „Jetzt sagst du gleich, wo du das Goldstück her hast, das du eben der Honigkuchenfrau gabst,“ fragte sie. „Wirst du antworten?“

      August blickte Frau Stein zornig an und gab keine Antwort. Sie schüttelte ihn heftig und wiederholte ihre Frage.

      „Das geht Sie nichts an, alte Hexe!“ rief er endlich, „ich kann mein Geld herhaben, wo ich will!“

      „So? Das wollen wir einmal sehen, du abscheulicher Schlingel. Jetzt kommst du mit auf die Polizei, da wollen wir einmal sehen, ob du so frech bleiben wirst. – Geben Sie acht auf meine Bäume,“ rief sie im Fortgehen ihrer Nachbarin zu, „und wenn meine Schwestertochter kommt, soll sie warten, bis ich wiederkomme.“

      Als der Bösewicht merkte, daß es keine leere Drohung war und daß er wirklich fortgebracht werden sollte, legte et sich aufs Bitten.

      „Liebste, beste Frau,“ rief er ängstlich, „lassen Sie mich los! Ich habe ja wahrhaftig niemand etwas genommen,“ log er frech und fing an, jämmerlich zu weinen. „Das Geld habe ich aus meiner Sparbüchse genommen, meine Patin hat es mir zum Geburtstage geschenkt. Sie können es glauben.“

      Vielleicht hätte Frau Stein den Jungen laufen lassen, aber er sah so falsch und lügenhaft aus, und eine innere Stimme rief ihr zu: tue es nicht.

      „Na,“ sagte sie, „das kannst du auf der Polizei alles sagen, und wenn es die Wahrheit ist, so werden sie dich schon wieder laufen lassen. Nun sträube dich aber nicht länger, komm ruhig mit. Wenn du ein reines Gewissen hast, brauchst du keine Furcht zu haben.“

      Er bat sie himmelhoch, es half ihm nichts, – dann schrie und tobte er aufs fürchterlichste – vergebens, zuletzt blieb er stehen und wollte keinen Schritt weiter tun; Frau Stein mußte alle Kräfte anwenden, um ihn von der Stelle zu ziehen. Zum guten Glück kam ein Schutzmann des Wegs daher, sie rief ihn herbei, ihr zu helfen. August schlug mit Händen und Füßen um sich, als er ihn ergreifen wollte. Der machte indes keine Umstände, erst gab er ihm einige tüchtige Hiebe, dann faßte er ihn fest und führte ihn fort.

      In dem Augenblick, als Frau Braun mit Lenchen das Wachlokal verlassen wollte, langte der Schutzmann mit August und Frau Stein an. Letztere erkannte sofort die unglückliche Mutter und trat rasch auf sie zu.

      „Ist das Ihre Kleine?“ fragte sie, indem sie dem immer noch aufschluchzenden Kinde unter das Kinn faßte und seinen Kopf emporhielt.

      „Laß dir einmal in das Gesicht sehen, Mädchen,“ fuhr sie freundlich fort, – „ja, wahrhaftig, ich irre mich nicht! Du warst heute gegen Abend mit einem langen, magern Herrn bei mir, der kaufte den Baum da,“ – sie zeigte lebhaft auf denselben hin, „und du solltest ihn nach Hause tragen, nicht wahr?“

      Lenchen nickte stumm und sah die Frau schüchtern an.

      „Du lieber Gott!“ rief dieselbe aus, „wie sieht das Mädchen aus!“ und mitleidig strich sie mit ihrer rauhen Hand des Kindes vom Weinen ausgeschwollenes Gesicht.

      Bei ihren Worten, die der Wachtmeister aufmerksam mit angehört hatte, schwand auch der letzte Zweifel in seinem Herzen. Die Tanne hatte sie nicht genommen, – das hörte er aus der Verkäuferin Munde, – nun aber der Geldbeutel! Von diesem Verdacht konnte er das Kind vorläufig nicht reinigen.

      „Sind Sie Ihrer Sache gewiß?“ fragte er Frau Stein.

      „Ich kann es beschwören,“ sagte sie mit Eifer.

      Nun schrieb er wieder alles auf, was sie ausführlich erzählte.

      „Sie können jetzt nach Hause gehen,“ wandte er sich an Frau Braun. „Sie werden über die andere Sache Bescheid in Ihrer Wohnung bekommen.“

      Sie tat, wie ihr geheißen und entfernte sich mit Lenchen an der Hand. Den Baum trug sie selbst, das Kind hätte denselben auch nicht mehr fortbringen können. Still ging es neben der Mutter her und alles, was es sah und hörte, war ihm wie ein Traum. Der Kopf brannte ihm wie Feuer und trotzdem mußte es sich unaufhörlich vor Frost schütteln.

      „Ich kann nicht weiter, Mutter,“ sagte es leise, „meine Beine sind so schwer.“

      „Gleich sind wir zu Hause, Kind,“ tröstete die Frau, „und dann legst du dich ins Bett. Du frierst wohl recht?“

      „Ich weiß nicht, – aber es dreht sich alles so im Kreise – halte mich, Mutter – Mutter!“

      Die letzten Worte hatte sie angstvoll herausgeschrien, und ehe noch Frau Braun zugreifen konnte, war sie zur Erde niedergefallen. Vergeblich bemühte sich die Frau, Lenchen aufzurichten, es war unmöglich. Starr und steif lag sie da, und mit den Augen sah sie die Mutter groß und fremd an.

      Mehrere Leute traten hinzu, neugierig schauten sie auf Lenchen, aber sie halfen nicht. Da kam ein Droschkenkutscher langsam dahergefahren, er hielt an, als er den Auflauf von Menschen sah und fragte, was es gäbe. „Ein krankes Kind!“ rief man ihm zu, – da stieg der mitleidige Mann herab von seinem Bocke und trug das Kind, ohne viel Worte zu machen, in den leeren Wagen, Frau Braun mußte natürlich auch mit hineinsteigen.

      „Die Tanne nehme ich auf den Bock!“ rief er der geängstigten Frau zu, „und nun, wohin geht es?“

      Sie nannte ihm Straße und Hausnummer, – in wenigen Minuten waren sie angelangt.

      Es war ein Glück, denn Lenchen war aus ihrer Starrheit erwacht und lag nun im heftigsten Fieber.

      Die Mutter trug sie mit Mühe die Treppen hinauf, entkleidete sie und legte sie ins Bett. Aber das Kind wollte nicht darin bleiben, immer wieder sprang es empor und