Weihnachtsmärchenwald. Verschiedene Autoren. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Verschiedene Autoren
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754924617
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Braun, so hieß die Mutter der Kinder, war eine arme Witwe, die sich und ihre Kinder mühsam mit Nähen und Waschen ernährte. Einst hatte sie bessere Tage gesehen, als ihr Mann noch lebte. Er war ein fleißiger, tüchtiger Zimmermann gewesen. Sie hatten ihr gutes Auskommen gehabt, und die Not war ihnen fern geblieben. Seit zwei Jahren war er tot. Plötzlich war er gestorben. Gesund und munter war er des Morgens an die Arbeit gegangen und mittags, als die Frau ihm das Essen bringen wollte, kam sie gerade dazu, wie er eben vom Gerüst des neuen Gebäudes, bei dem er beschäftigt war, drei Stock hoch heruntergestürzt war. Er blickte die jammernde Frau noch einmal an und schloß darauf die Augen für immer. Nun stand sie allein, und die ganze Sorge für ihre zwei kleinen Kinder lag auf ihren Schultern. Es fanden sich damals mitleidige Leute, die, als sie von dem Unglück hörten, ihr anboten, für ihre Kinder sorgen zu wollen. Ein reicher, kinderloser Fleischer wollte sogar den kleinen, hübschen krausköpfigen Knaben annehmen, aber, – und dazu konnte sich die Mutter nicht entschließen, – sie sollte sich gänzlich von ihm lossagen und nie wieder um den Knaben kümmern. – „Ich behalte meine Kinder,“ sagte sie fest, „der liebe Gott wird mit helfen, daß ich sie gut und tüchtig groß bringe.“

      An Fleiß fehlte es ihr nicht. Von früh bis spät nähte oder wusch sie und brachte sich und die Kinder kümmerlich durch. Da wurde sie krank. Drei Wochen mußte sie fest im Bette liegen und konnte nichts verdienen. Das war eine traurige Zeit. Die ärgste Not trat an sie heran. Sparen hatte sie nicht können und so mußte denn, wenn die Kinder nicht Hunger leiden sollten, jedes Stück, das irgendwie in dem kleinen Hausstande entbehrt werden konnte, verkauft werden.

      Ein Nähtisch, ein Geschenk ihrer früheren Herrschaft, machte den Anfang. Sie trennte sich schwer von ihm, aber es mußte sein; dann folgten einige Stück Betten, – und endlich blieb nichts zurück, als die wenigen Habseligkeiten, die noch im Stübchen standen. – Langsam erholte sich die arme Frau endlich, aber mit dem Verdienen wollte es noch immer nicht recht vorwärts, die alten Kräfte konnten bei der spärlichen Kost nicht wiederkehren.

      Es war ihr recht traurig zumute heute abend, sie dachte an das nahe Weihnachtsfest. Sonst hatte sie den Kindern noch eine Kleinigkeit bescheren können, diesmal war sie nicht imstande, nur ein paar Äpfel oder Nüsse zu kaufen. Was half es ihr, daß sie bis tief in die Nacht hinein nähte. Der Rock, an dem sie arbeitete, brachte ihr doch nur wenige Groschen ein. Sie seufzte tief auf und unwillkürlich tropften Tränen auf ihre Arbeit.

      Lenchen, die am Tische stand und die Tassen wusch, blickte die Mutter an und nahm sie herzlich in den Arm.

      „Du darfst nicht weinen, Mutterchen,“ sagte sie. „Du weißt doch, daß der Herr Doktor zu dir sagte, du würdest dir die Augen verderben mit allem Weinen.“ „Der Herr Doktor hat gut reden, Kind, er weiß nicht, was Not und Elend heißt! – Wir haben keine Kohlen mehr und kein Geld, andere zu kaufen. Jeden Pfennig muß ich für die Miete zurücklegen, sie ist noch lange nicht zusammen.“

      „Ah, das ist gar nicht schlimm,“ tröstete Lenchen, „bis Neujahr kannst du noch viel Geld verdienen. Von der Köchin drüben bekommst du Geld für die weißen Schürzen, und wenn wir diesen Rock bei der Frau Bäckermeister abliefern, gibt's wieder einen Haufen Geld.“

      Die Mutter mußte unwillkürlich lächeln bei Lenchens kindlichem Tröste. „Du lieber Gott,“ sagte sie, „das bringt nicht viel, reicht nicht zur Miete aus, und wenn wir uns auch noch so knapp behelfen. Für euch, ihr armen Kinder, gibt es in diesem Jahre kein Weihnachtsfest.“

      „Darüber mach dir keine Sorgen, Mutterchen! Siehst du, als du im Herbst so todkrank dalagst, da habe ich immer zum lieben Gott gebetet, er möge dich nur wieder gesund machen, ich wollte auch nichts, nichts weiter von ihm wünschen. Nun bist du wieder gesund, und ich bin so vergnügt und fröhlich darüber, daß ich gar keine Weihnachtsfreude weiter haben will.“

      Es sah auch wirklich so fröhlich aus, das kleine Lenchen, die großen blauen Augen blickten die Mutter so glücklich an, daß diese für eine kurze Zeit ihr Elend vergaß.

      „Du bist ein gutes Kind,“ sagte sie gerührt, und streichelte ihr dabei die frischen Wangen und das blonde Haar, „der Himmel wird uns ja einmal wieder bessere Zeiten schicken.“

      „Ei, freilich wird er das! Laß mich nur erst größer sein, dann helfe ich dir verdienen, dann sollst du auch alle Tage Fleisch essen und –“

      „Frau Braun, Frau Braun!“ tief in diesem Augenblicke draußen eine helle Stimme. „Leuchten Sie doch man ein bißchen, man bricht sich wahrhaftig sonst Hals und Bein auf Ihrer Treppe!“

      „Das ist die Köchin von Geheimrats,“ rief Lenchen. Die Mutter griff eilig zur Lampe und leuchtete zur Tür hinaus.

      „Gott sei Dank, daß ich nicht alle Tage solche Hühnerstiegen raufklettern muß,“ sagte die Köchin, indem sie ganz erschöpft auf einen Stuhl niedersank. „Warum ziehen Sie auch so hoch ins Himmelreich, Frau Braun? Man steigt sich ja die Schwindsucht an den Hals.“

      „Ich kann nicht viel Miete zahlen, und hier oben ist es billig, Karoline,“ erwiderte Frau Braun bescheiden.

      „Na, es war nicht böse gemeint, Sie wissen ja schon, ich bin ein bißchen rasch mit meinem Mundwerk. Also warum ich komme, will ich Ihnen sagen, bald hätte ich's wahrhaftig vergessen. Unser Herr Geheimrat will selbst auf den Weihnachtsmarkt gehen und den Christbaum einkaufen, und es soll jemand mit ihm gehen, der den Baum nach Hause trägt. Da dachte ich denn, Lenchen verdiene sich wohl gern ein paar Groschen. Kannst du's wohl machen?“ wandte sie sich fragend an das Kind.

      Lenchen strahlte vor Freude, eilig nahm sie ein Tuch um die Schulter, und wenn die Mutter ihr nicht noch eine alte rote Kapuze auf den Kopf gesetzt hätte, sie wäre ohne irgend etwas Warmes davongelaufen. Sie fröre ja gar nicht, sagte sie.

      „Na, nun komm man, Mädchen,“ sagte Karoline und freute sich über das flinke, kleine Ding, „der Herr Geheimrat wartet schon.“

      Frau Braun leuchtete wieder mit der Lampe hinaus, und Lenchen rief ihr im Fortgehen vergnügt hinauf: „Siehst du, Mütterchen, nun verdienen wir wieder Geld!“

      Der Herr Rat stand auch richtig schon bereit. In seinen warmen Pelz gehüllt, konnte kein Lüftchen seinen dürren Körper berühren. Den Pelzkragen hatte er in die Höhe geschlagen, so daß Lenchen kaum seine Nasenspitze erkennen konnte, die aber flößte ihr schon einen so hohen Respekt ein, daß sie ihr ›Guten Abend‹ ganz schüchtern und kaum hörbar hervorbrachte.

      Der Herr Rat achtete auch gar nicht auf ihren Gruß, sondern bedeutete ihr ganz kurz, daß sie ihm folgen möge.

      Unverdrossen folgte das Kind dem Herrn und machte noch einmal den weiten Weg, den es erst vor einer Stunde zurückgelegt hatte. Kälte und Frost empfand es nicht, was konnten sie ihm auch tun bei der Glückseligkeit, die die Kleine im Herzen trug.

      Geld verdienen! Wißt ihr wohl, meine kleinen Leserinnen, was das bedeutet? Nein, ihr habt keinen Begriff davon. Ihr habt eure Sparbüchse, und da hinein wird euch von den Eltern und Verwandten manch blankes Markstück getan. Ihr habt gar keine Mühe davon, darum fehlt euch aber auch die Freude daran. Seht einmal Lenchen an, wie glücklich sie die paar Groschen machen, die sie vielleicht erhalten wird!

      Allerhand Pläne ziehen ihr durch den Kopf, was sie dafür kaufen will, um der Mutter eine Freude zu machen. Karlchen sollte nicht leer ausgehen, und nun überlegte sie, was sie am liebsten ihm kaufe. Ein Pferdchen wünschte er sich sehr, aber er möchte auch gern ein Schäfchen haben. „Vielleicht kann ich ihm beides kaufen,“ dachte sie und ließ den Blick musternd über die ausgestellten Spielsachen einer Groschenbude gleiten.

      In ihren Betrachtungen wurde Lenchen unterbrochen, als der Herr Rat plötzlich bei einer alten Frau stehen blieb, die Tannenbäume feilbot. Die Kleine trat ihnen bescheiden näher und wartete, bis der Herr ihr einen mächtigen großen Baum reichte.

      „Wirst du ihn auch tragen können?“ fragte er. „Am Ende ist er dir doch zu schwer.“

      „O, bitte, nein, er ist mir gar nicht zu schwer!“ rief Lenchen und griff eiligst nach der Tanne. Sie hatte