Weihnachtsmärchenwald. Verschiedene Autoren. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Verschiedene Autoren
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754924617
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blieb dabei, es gehöre ihm und er habe es aus seiner Sparbüchse genommen.

      „Schneider,“ wandte sich der Wachtmeister an den anwesenden Schutzmann, „holen Sie doch sofort den Vater dieses Schlingels hierher. – Hast du gelogen, wird es dir schlecht bekommen.“

      Der Schutzmann entfernte sich sofort, und August machte einen furchtbaren Lärm. Er sprang vor Angst förmlich in die Höhe, ballte die Hände und biß hinein. „Ich will alles gestehen,“ schrie er, „nur holen Sie nicht meinen Vater. Er schlägt mich tot, wenn er mich hier sieht. Schenken Sie es mir nur dieses einzige Mal und lassen Sie mich frei, – ich will ja in meinem Leben nicht wieder stehlen!“

      In seiner Angst gestand er alles. Ja sogar, daß er den leeren Geldbeutel einem Mädchen, das vor ihm stand, in die Tasche gesteckt hatte, verschwieg er nicht.

      „Wie sah das Mädchen aus?“ fragte der Wachtmeister, den mit einem Male ein freudiger Gedanke durchzuckte. Das wußte August nicht zu sagen, nur hatte er sich gemerkt, daß es eine rote Kapuze trug und einen Weihnachtsbaum in der Hand hielt.

      „Du lieber Gott, du bringst doch alles an den Tag!“ konnte Frau Stein sich nicht enthalten laut auszurufen. Dabei standen ihr die hellen Tränen in den Augen.

      „Ja, es kommt alles an den Tag,“ wiederholte der Wachtmeister, „und wenn es auch noch so schlau angefangen ist. – Spare dein Bitten,“ fuhr er August, der himmelhoch bat, er möge ihn laufen lassen, ehe sein Vater komme, zornig an. „Für dich ist die härteste Strafe nicht zuviel, du bist nicht allein leichtsinnig, du bist auch boshaft. Weißt du, was du angerichtet hast, du abscheulicher Bösewicht? Ein armes, unschuldiges Kind hast du in falschen Verdacht gebracht durch deinen nichtsnutzigen Streich.“

      „Ich habe mir nichts dabei gedacht,“ heulte August, „es sollte nur ein Scherz sein.“

      „Nun kannst du für deinen Scherz büßen, denn vierzehn Tage Gefängnis bekommst du, darauf kannst du dich verlassen. Und wenn dein Vater dir noch dazu eine tüchtige Tracht Prügel aufzählt, so hast du sie verdient. Nun aber sei still und laß das Brüllen sein, sonst lasse ich dich schon jetzt einstecken!“

      In diesem Augenblicke kehrte der Schutzmann mit dem Vater zurück. August wollte sich vor ihm verstecken, er duckte sich hinter den Wachtmeister, dann sogar hinter Frau Stein, die aber machte keine Umstände mit ihm, sie zog ihn hervor und führte ihn dem Vater zu, der packte ihn fest und sah ihn drohend an.

      „Komm,“ sagte er, als er alles gehört hatte, und seine Lippen zitterten vor Zorn und Aufregung, denn er war ein ordentlicher und braver Handwerker, – „jetzt habe ich kein Mitleid mehr mit dir! Herr Wachtmeister,“ wandte er sich an diesen, „der Junge ist ein Taugenichts, es ist nicht der erste Bubenstreich, den er ausgeführt hat. Stecken Sie ihn ins Gefängnis, machen Sie mit ihm, was Sie wollen – ich lasse ihn gleich hier, ich kann den Spitzbuben nicht länger im Hause behalten.“

      Aber er mußte ihn mit sich nehmen, auf der Polizei konnten sie ihn nicht behalten. Tüchtige Hiebe hat er zu Hause erhalten, auch bei Wasser und Brot hat ihn der Vater eingesteckt, was späterhin noch mit ihm geschah, das will ich euch am Schlusse dieser kleinen Erzählung berichten.

      Frau Stein war so lange geblieben, bis August von seinem Vater fortgebracht wurde, dann trat sie zu dem Wachtmeister und ließ sich die Wohnung von Frau Braun sagen. „Ich will sogleich hingehen,“ sagte sie, „und der armen Frau die gute Nachricht bringen, – wie wird sie sich freuen! Und das kleine Mädchen erst, es sah so unglücklich und verweint aus!“ “Ja,“ sagte er, „tun Sie das schnell, liebe Frau – und hier – hier,“ fuhr er fort und suchte in der Tasche, „nehmen Sie das und geben es dem armen Kinde. Viel kann ich nicht verschenken, ich habe selbst fünf Kinder.“ – Er reichte hierbei Frau Stein ein Markstück.

      Sie nahm es und sah den Mann erstaunt und gerührt an. Daß auch die Polizei ein mitleidiges Herz haben konnte, – das hatte sie noch nie gehört. „Sie sind ein braver Mann,“ sagte sie und drückte ihm die Hand – „Gott wird es Ihnen an Ihren Kindern lohnen!“

      Und nun lief sie, so schnell sie ihre alten Füße tragen konnten, fort. Erst aber trat sie auf einige Augenblicke in ihre kleine Wohnung, die am Wege lag, zündete schnell die kleine Lampe an und packte ein Körbchen voll mit allerhand Lebensmitteln. Etwas Speck und Wurst, Eier, Äpfel und Nüsse tat sie hinein, und zuletzt holte sie noch ein halbes Pfund Schokolade aus dem Schranke und legte sie oben auf. Sie hatte diese selbst erst geschenkt erhalten und bis zu einer besondern Gelegenheit aufgehoben, – nun war die Gelegenheit da – konnte sie wohl eine bessere finden?

      Mit ihrem Körbchen am Arme machte sie sich auf den Weg und kam gerade an bei Frau Braun, wie Karoline mit dem Eis und der Arznei die Treppe hinaufging. Sie folgte derselben, und als sie eben in die Tür treten wollte, fragte Frau Stein: „Wohnt hier die Witwe Braun?“

      Karoline bejahte, und so trat sie mit ihr zugleich in das kleine Stübchen ein. Wie erschrak sie aber, als sie Lenchen todkrank im Bette fand. Als sie ihre frohe Botschaft Frau Braun mitteilte, brach diese in lautes Weinen aus und barg ihr Gesicht in Lenchens Kissen.

      „Mein armes, armes Kind,“ schluchzte sie, „hört nichts davon! – Wer weiß, ob es nicht den Tod von all dem Schreck und Jammer hat!“

      Frau Stein sah mitleidig auf das fiebernde Kind und auch sie dachte still bei sich: „Das wird den Morgen nicht erleben.“

      Das laute Weinen der Mutter hatte Karlchen aufgeweckt. Bis dahin hatte er fest geschlafen, daß er nicht einmal aufgewacht war, als Frau Braun ihn aus dem Bette nahm, in das sie Lenchen legte, um ihn auf ein kümmerliches Lager am Fußboden zu betten. Erstaunt blickte er sich um und tief ganz ängstlich: „Mutter, wo bin ich denn?“

      Frau Stein nahm den Kleinen hoch und setzte ihn auf ihren Schoß. Verwundert sah er auf die fremde Frau und machte Miene, zu weinen; als sie indes ihren Korb öffnete und ihm einen schönen, roten Apfel in das Händchen steckte, klärte sich sein Gesicht auf, und als sie auch die andern Äpfel hervorholte und sie nebst den übrigen mitgebrachten Sachen auf den Tisch legte, da schwand auch sein letztes Mißtrauen gegen sie, er zeigte der Mutter den schönen Apfel und rief: „Mutter, du sollst nicht weinen, wir haben viele, viele Äpfel und Nüsse!“

      Frau Stein war auch arm, aber sie kam sich reich vor gegen die Armut, die sich hier vorfand. Sie hatte doch ihr behagliches Stübchen, mit einem Sofa sogar, hier kam es ihr vor wie in einer Bodenkammer, so kalt und zugig, der kleine, prächtige Junge hatte gar kein Bett. Das Lager am Fußboden bestand aus nichts weiter als einem alten Rocke der Mutter, einem kleinen Kopfkissen und einem fadenscheinigen Umschlagtuche, auf dem er lag.

      Als sie den Kleinen niederlegte, nahm sie sich vor, am andern Tag ein Stück aus ihrem Bette zu bringen, sie behielt immer noch ein reichliches und schönes Lager. Der Knabe klagte nicht einmal, daß er zu hart lag. Mit seinem Apfel in der Hand legte er sich still und artig nieder und in wenigen Augenblicken schlief er sanft und süß, als ob er ein Prinz sei und auf Eiderdaunen ruhte. –

      Karoline und Frau Stein entfernten sich und ließen Frau Braun allein bei ihrem kranken Kinde. Die Nacht verging ihr in Todesangst, jeden Augenblick glaubte sie, daß das Kind sterben werde. Sie machte Umschläge und gab fleißig Arznei, aber es trat keine Besserung ein. Gegen Morgen verfiel Lenchen in einen unruhigen Schlummer.

      Als der Morgen zu dämmern anfing, war auch Karoline wieder da und brachte einen großen Korb mitgeschleppt. Holz und Kohlen packte sie aus, eine Tüte mit Kaffee holte sie hervor, Semmeln und Brot legte sie daneben, sogar ein Töpfchen Milch hatte sie nicht vergessen. Schnell machte sie Feuer an, bald war es warm, und ein großer Topf mit Kaffee stand fertig gekocht da.

      „Aber Karoline,“ redete Frau Braun, die mit Erstaunen zugesehen hatte, sie an, „was machen Sie? Holz und Kohlen und so viel andre Sachen bringen Sie mir und Sie wissen doch, daß ich nicht einmal Geld habe, die Apotheke zu bezahlen. Ich kann nicht bei Ihnen borgen, ach, ich weiß ja nicht, ob ich es je wiedergeben kann.“

      „Borgen?“ – Karoline rief es ordentlich entrüstet aus. – „Unser Fräulein