Weihnachtsmärchenwald. Verschiedene Autoren. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Verschiedene Autoren
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754924617
Скачать книгу
küßte die Lippen, die zu den Augen gehörten, und drückte das blühende Gesicht zwischen seine Hände.

      „Ei, Herzchen,“ sagte Trotty, „was gibt’s? Ich habe dich heute nicht erwartet, Meg.“

      „Auch ich habe nicht aufs Kommen gerechnet, Vater,“ rief das Mädchen, indem es lächelnd nickte. „Aber da bin ich – und obendrein nicht allein; nicht allein!“

      „Wie? du willst doch nicht sagen,“ bemerkte Trotty, neugierig nach einem bedeckten Korbe blickend, den sie in ihrer Hand „daß du ...“

      „Riech daran, lieber Vater,“ versetzte Meg. „Riech einmal!“

      Trotty war eben im Begriff, hastig den Deckel abzuheben, als das Mädchen scherzend mit der Hand dazwischenfuhr.

      „Nein, nein, nein,“ erwiderte Meg fröhlich wie ein Kind. „So geschwind gehts nicht. Ich will nur den Deckelrand ein klein winzig bißchen aufheben,“ fügte sie bei, indem sie ganz sachte ihr Vorhaben ausführte und dabei so leise sprach, als fürchte sie, im Innern des Korbes gehört zu werden. „So. Also, was ists?“

      Toby schnüffelte ein klein wenig an dem Rande des Korbes und rief entzückt:

      „Ei, ’s ist heiß!“

      „’s ist brennend heiß,“ versetzte Meg. „Ha ha ha! ’s ist siedend heiß.“

      „Ha ha ha!“ brüllte Toby mit einem Luftsprung. „’s ist siedend heiß.“

      „Aber was ist es, Vater?“ fragte Meg. „Vorwärts! Du hast es noch nicht erraten. Und du mußt erraten, was es ist. Ich kann nicht daran denken, es herauszunehmen, bis du es erraten hast. Aber laß dir Zeit! Warte eine Minute! Ich will ein bißchen mehr von dem Deckel zurückschieben. Jetzt rate!“

      Meg war wirklich in Angst, er könnte vielleicht zu rasch das Richtige raten, und wich deshalb ein wenig zurück, während sie ihm den Korb hinhielt, indem sie zugleich ihre hübschen Schultern in die Höhe zog und das Ohr mit der Hand zuhielt als könne sie in dieser Weise das richtige Wort von Tobys Lippen fernhalten. Dabei ließ sie immer ein sanftes Lachen hören.

      Toby hatte mittlerweile die Hände auf seine Knie gelegt, seine Nase zu dem Korb niedergebeugt und sog nun den Duft außerhalb des Deckels tief ein. Während dieser angenehmen Beschäftigung verbreitete sich sein Grinsen immer mehr über das welke Gesicht, als atme er pures Lachgas.

      „Ah, das riecht prächtig,“ sagte Toby. „Ist es nicht – es werden doch keine Schweinswürste sein?“

      „Nein, nein, nein!“ rief Meg entzückt. „Etwas ganz andres!“

      „Nein,“ fuhr Toby nach einem abermaligen Schnüffeln fort, „es ist – es ist zarter als Schweinswürste. Es riecht ausgezeichnet und mit jedem Augenblick besser. Der Geruch ist zu stark für Kalbsfüße – nicht wahr?“

      Meg war außer sich vor Freude. Er hätte nicht weiter vom Ziele abschießen können als mit Kalbsfüßen – Schweinswürste ausgenommen.

      „Leber?“ sagte Toby zu sich selber. „Nein. Der Geruch hat eine Milde, die sich an der Leber nicht findet. Ferkelfüßchen? Nein. Er ist zu stark für Ferkelfüße. Auch fehlt ihm der Beigeschmack der Hahnenköpfe. Und ich weiß, Würste sinds auch nicht. Ich will dir sagen, was drinnen ist – Kalbsgekröse!“

      „Nein, nein,“ erwiderte Meg, vor Entzücken aufjubelnd. „Nicht erraten!“

      „Ei, woran denke ich auch!“ entgegnete Toby, plötzlich eine so aufrechte Stellung einnehmend, als ihm möglich war. „Ich werde zuletzt noch meinen eignen Namen vergessen. ’s sind Kuttelflecke!“

      Und Kuttelflecke waren es auch. Und Meg beteuerte in strahlender Freude, er werde in einer weitern halben Minute sagen, es seien die besten Kuttelflecke, die jemals gedünstet wurden.

      „Und so will ich jetzt gleich den Tisch decken, Vater,“ fuhr Meg fort, indem sie sich jubelnd mit dem Korbe beschäftigte; „denn ich habe die Kuttelflecke in einer Schüssel gebracht und die Schüssel in ein Taschentuch eingebunden. Wenn ich nun einmal stolz sein und es als Tischtuch ausbreiten will, so kann mich kein Gesetz hindern, es Tischtuch zu nennen. Nicht wahr, Vater?“

      „Nicht daß ich wüßte, meine Liebe,“ sagte Toby. „Aber sie erlassen alle Augenblicke ein oder das andre neue Gesetz.“

      „Und nach dem, was ich dir neulich aus der Zeitung vorlas, Vater, weißt du noch, was der Richter sagte, setzt man bei uns armen Leuten voraus, daß wir alle diese Gesetze kennen. Ha ha ! welch ein Irrtum! du meine Güte, sie halten uns für gewaltig gescheit.“

      „Ja, meine Liebe,“ rief Trotty, „und sie würden eine gewaltige Freude an einem von uns haben, wenn er sie alle wüßte. Er würde fett werden von der Arbeit, die er kriegte, dieser Mann, und er kriegte einen Stein im Brett bei all den vornehmen Leuten in seiner Nachbarschaft. Gewiß und wahrhaftig!“

      „Wer er auch sein möchte, er würde sein Mittagessen mit gutem Appetit verschmausen, wenn es so gut duftete wie dieses hier,“ sagte Meg fröhlich. „Beeile dich, Vater, denn da ist außerdem auch noch eine heiße Kartoffel und ein Seidel frisch abgezogenen Bieres in einer Flasche. Wo willst du essen, Vater? In der Nische oder auf den Stufen? Du mein Himmel, wie gut wirs haben — zwei Plätze zur Auswahl!“

      „Heute die Stufen, mein Kind,“ versetzte Trotty. „Bei trockenem Wetter sind die Stufen, bei nassem die Nische gut. Stufen sind immer bequemer, weil man dabei sitzen kann; aber wenns naß ist, kriegt man Rheumatismus.“

      „Hier also,“ sagte Meg, nachdem sie sich eine halbe Minute eifrig zu schaffen gemacht hatte und nun in die Hände klatschte; „hier ist es – alles bereit – und wie schön es aussieht! Komm, Vater, komm!“

      Seit Trotty entdeckt hatte, was in dem Körbchen war, stand er da und sah Meg an – sprach auch ab und zu – aber in einer zerstreuten Weise, welche bekundete, daß er, obschon sie allein seine Gedanken und Augen beschäftigte – nicht einmal die Kuttelflecke konnten ihn ihr untreu machen – nicht im entferntesten an sie dachte, wie sie in jenem Augenblicke war, sondern irgendein visionäres, undeutliches Bild oder ein Drama ihres künftigen Lebens vor sich hatte. Durch ihre heitere Aufforderung geweckt, unterdrückte er nun ein melancholisches Kopfschütteln, das ihn eben anwandelte, und trabte an ihre Seite. In demselben Augenblick, als er sich niederbeugte, um seinen Sitz einzunehmen, erklangen die Glocken.

      „Amen!“ sagte Trotty, seinen Hut abnehmend und nach denselben aufblickend.

      „Amen den Glocken, Vater?“ rief Meg.

      „Sie fielen ein wie ein Tischgebet, meine Liebe,“ sagte Trotty, indem er Platz nahm. „Ich bin überzeugt, sie würden ein gutes sprechen, wenn sie könnten, und sagen mir überhaupt manches Liebe.“

      „Die Glocken, Vater?“ lachte Meg, als sie die Schüssel niedersetzte und Messer und Gabel dazulegte. „Der Tausend!“

      „Sie scheinens zu tun, mein Herzchen,“ versetzte Trotty, indem er mit Eifer über seine Kuttelflecke herfiel. „Und worin liegt da der Unterschied? Wenn ich sie nur höre, was macht es aus, ob sie es wirklich sagen oder nicht? Gott behüte, mein Kind,“ fügte er bei, indem er mit der Gabel nach dem Turm deutete und unter dem Einfluß seines Mahles lebhafter wurde, „wie oft habe ich jene Glocken nicht sagen hören: ›Toby Veck, Toby Veck, sei guten Mutes! Toby! Toby Veck, Toby Veck, sei guten Mutes, Toby!‹ Millionenmal? Reicht nicht – ’s war öfter!“

      „Nun, das habe ich noch nie gehört!“ rief Meg.

      Dennoch war es schon oft und oft der Fall gewesen, denn es war Tobys unaufhörlicher Gesprächsgegenstand.

      „Wenn es recht schlecht geht,“ fuhr Trotty fort; „ich meine, wenn es recht schlecht geht – fast am schlechtesten, dann rufen sie: ’Toby Veck, Toby Veck, bald kommt Arbeit, Toby! Toby Veck, Toby Veck, bald kommt Arbeit, Toby!’“

      „Und sie kommt dann