Der Sohn des Deutschländers. Felizia Wolf. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Felizia Wolf
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748591658
Скачать книгу
merken zu lassen, wie gut sie ihren ‘neuen’ Patrón schon seit Jahren kannte. Verstehst du, mein lieber Freund, sie hat perfekt Theater gespielt, wenn Rosemarie in der Nähe war. Sie war dann das nette bescheidene Dienstmädchen und sonst gar nichts. Und Rosemarie hatte keine Ahnung davon, was zwischen den beiden gelaufen war, solange Anton noch zu Hause wohnte. Und warum sollten wir es ihr sagen, keiner hat doch im Traum daran gedacht, mein lieber Bruder könnte die grenzenlose Dummheit besitzen, in seinem eigenen Haus...

      Na, jedenfalls hat Luisa damals ganz schnell mitbekommen, dass ihre neue Chefin, Doña Rosemarie, immer am Mittwochnachmittag zum Nähkreis ins Dorf ging. Das war so eine Art regelmäβiges Treffen junger Frauen, die gemeinsam genäht oder gestickt oder sonst irgendwelchen Handarbeiten gemacht haben. In erster Linie ging es natürlich darum, unter Freundinnen den neuesten Tratsch von Independencia auf den aktuellen Stand zu bringen. Also, und was hat die schlaue Luisa gemacht? Am Mittwoch hat sie ihre Hausarbeiten in Windeseile erledigt und sich dann um den Hausherren gekümmert! Denn Anton, dieser Idiot, hat dafür gesorgt, dass er – rein zufällig – gerade am Mittwochnachmittag früher nach Hause kommen konnte als sonst.“

      Deisenhofer schüttelte missbilligend den Kopf und tat so, als würde er sich vehement vom Verhalten seines Bruders distanzieren. Jedoch sagten weder Christa noch Arthurs Vater etwas, deshalb redete er weiter und machte dabei nicht den Eindruck, als wäre ihm das Thema unangenehm.

      „Weißt du, lieber Freund, Anton hatte Luisa früher, als Junggeselle, nie irgendwelche Versprechungen gemacht. Trotzdem war sie erst einmal ganz schrecklich enttäuscht gewesen, als sie erfahren hatte, dass Anton eine Alemana heiraten würde. Ihr Selbstbewusstsein mag damals eine leichte Erschütterung erfahren haben, ha ha ha. Aber, das sag ich dir: Durch das praktische Arrangement zwischen Rosemarie und unserer Mutter wurde das Seelchen der lieben Luisa schon sehr bald nach der Hochzeit wieder geheilt. Sie hatte ganz schnell begriffen, dass der junge Herr noch immer ganz in ihrer Hand war, seit sie mittwochs schnell die nötigste Arbeit erledigte, um ihn dann nach allen Regeln der Kunst zu verwöhnen, sobald seine Ehefrau auβer Haus war. Anton hatte ihr sehr wohl eingeschärft, dass seine Frau nichts mitbekommen dürfte. Oh ja, mein Lieber, ich weiβ, wovon ich spreche: Er hat mir erzählt, dass er Luisa in aller Deutlichkeit ans Herz gelegt hatte, dass sie augenblicklich die Bühne verlassen müsste, sollte Rosemarie auch nur den leisesten Verdacht schöpfen. Denn eines war dem Dummkopf klar: Seine Frau würde es nicht einfach so hinnehmen, dass er ein Techtelmechtel mit der Putzfrau hatte. Und die Aussicht, zurück in ihre Palmenhütte zu müssen, war bestimmt nicht reizvoll für Luisa. Sie hat also die Klappe gehalten und vor Rosemarie das brave und züchtige Hausmädchen gespielt.“

      Deisenhofer lächelte und schwieg einige Sekunden. Dann sagte er nachdenklich: „Nun ja, Hausmädchen? Mädchen konnte man sie ja inzwischen weiβ Gott nicht mehr nennen! Zu dem Zeitpunkt muss sie schlieβlich schon drei- oder vierundzwanzig Jahre alt gewesen sein. Egal. Auf alle Fälle hat sie Antons Wohnung immer in einem tadellosen Zustand gehalten, auch wenn sie einige Arbeitsstunden nicht wirklich mit Hausarbeit verbracht hat. Ja, ha ha ha, und stell dir vor: Sie hat es sich nicht nehmen lassen, am Mittwoch immer so lange dazubleiben, bis Rosemarie wieder nach Hause kam! Mit engelsgleicher Unschuldsmiene hat sie ihre Patrona erwartet! Das muss man sich mal vorstellen: Erst hat sie mit dem Hausherren weiβ der Kuckuck was getrieben, dann hat sie ihre Chefin empfangen, gefragt, ob es noch irgendetwas zu tun gäbe und sich höflich verabschiedet, bevor sie zu Fuβ wieder zurück ins Haus meiner Eltern gegangen ist.“

      Die geheuchelte Entrüstung in Deisenhofers Gesicht wirkte nicht besonders glaubwürdig, fand Arthurs Vater. Er sagte nur „hmm“, obwohl er merkte, dass Deisenhofer einen wortreicheren Kommentar erwartet hatte. Aber was sollte er schon dazu sagen? Es lag ihm nicht, andere zu verurteilen. Schon gar nicht, solange er nicht die Version der anderen Seite kannte. Er schaute verstohlen zu Christa Deisenhofer hinüber und konnte unschwer erkennen, dass sie wütend auf ihren Mann war. Nur zu verständlich, dachte Arthurs Vater, immerhin erzählt er mir hier im Weinrausch Familiengeheimnisse, die mich nichts angehen.

      Nachdem Deisenhofer überzeugt war, dass der erwartete Ausruf der Entrüstung seitens seiner Zuhörer ausbleiben würde, erzählte er mit sensationsversprechendem Gesichtsausdruck weiter: „Und weiβt du, Luisa hatte zum Glück kapiert, dass die Arbeit im Haus meines Bruders auf der einen Seite ihre Anstellung bei meinen Eltern sicherte, auf der anderen Seite hat sie sicherlich ein kleines Extrageld für ihre ‘Extratätigkeiten’ eingeheimst, ha ha ha! Also kein Wunder, dass sie ihren Mund gehalten hat, nicht? Wenn es rausgekommen wäre, hätte sie schlieβlich ihre Siebensachen packen dürfen. Und dann? Was hätte sie denn zuhause in ihrem Dörfchen schon anfangen können! Ja sicher – irgendeiner hätte unsere kleine Luisa bestimmt geheiratet. Sie war immerhin ein gesundes, kräftiges Weibsbild, das ans Arbeiten gewöhnt war und bei ihrem Aussehen konnte sie mit ihren vierundzwanzig oder fünfundzwanzig noch so manche Achtzehnjährige in den Schatten stellen, das sag ich dir, mein lieber Freund! Selbst heute mit über dreiβig sieht das Weib ja noch verdammt gut aus, was, mein Freund?“

      Arthurs Vater musste schlucken. Christas Miene wurde immer eisiger, Deisenhofers Gesicht hingegen glühte vor Erzähleifer.

      „Ja, und das kleine Luder hat auch nichts gesagt, als sie feststellte, dass sie schwanger war! Sie...“

      „Julius!“, rief Christa Deisenhofer jetzt energisch dazwischen. „Es war ausgemacht, das wir darüber nicht sprechen! Wie kannst du...“

      „Jetzt reg’ dich nicht auf, meine Liebste. Von den Leuten im Ort kriegt ja keiner was mit, wenn ich unserem Freund erzähle, wer Luisa in Wirklichkeit ist. Früher oder später hätte er ja selbst gemerkt, warum sie in unserem Haus in der Stadt wohnt. Aber ich bin sicher, dass die Geheimnisse bei ihm gut aufgehoben sind, nicht wahr, mein lieber Freund?“

      Noch bevor Arthurs Vater irgendetwas entgegnen konnte, war Christa aufgesprungen und mit langen Schritten im Haus verschwunden. Die Terrassentür fiel mit lautem Knall zu.

      Deisenhofer schüttelte den Kopf und lachte leise. „Ach, diese Frauen!“, sagte er und verschluckte sich an einem Rülpser. Dann füllte er mehr Wein in beide Gläser.

      Arthurs Vater wusste, dass Christas Einwand berechtigt gewesen war und er das Gespräch eigentlich abbrechen sollte. Trotzdem blieb er sitzen und hoffte insgeheim, dass Deisenhofer den Erzählfaden wieder aufnehmen würde. Er musste nicht lange warten.

      Deisenhofer kniff für einen Moment die Augen zu, dann streckte er sich und seufzte ausgiebig. Er musste sich zusammenreiβen, um beim Reden nicht zu lallen. „Ja, mein Lieber, die Kleine war schwanger und keiner wusste was davon“. Dann kicherte er, hickste und fügte lachend hinzu: „Halt dich fest, sonst fällst du noch vom Stuhl: Wir wussten alle nichts von dem, was sich mittwochs im Haus meines Bruders abspielte. Wir hatten überhaupt keine Ahnung, sage ich dir. Wie sollten wir auch was mitkriegen – schlieβlich schien zwischen Anton und Rosemarie alles in bester Ordnung zu sein. Und Luisa hat so lange ihren hübschen Mund gehalten, bis sie es Anton gar nicht mehr zu erzählen brauchte, dass sie ein Kind erwartete! Ja, du hast richtig gehört: das raffinierte Frauenzimmer war schwanger und sie hat nicht einmal Anton was davon gesagt, bis er es selbst gesehen hat. Oh, und der war wütend!

      Vielleicht ist dir ja auch schon mal aufgefallen, dass Maria Celeste eine wesentlich hellere Hautfarbe hat als ihre kleinen Brüder? Ich sag dir, die Kleine wird auch mal eine Schönheit!“

      „Sie ist also...“, wollte Arthurs Vater fragen, aber Deisenhofer fiel ihm ins Wort: „Ja, stell dir vor: die kleine Maria Celeste ist Antons Tochter. Meine Nichte! Aber kein Mensch weiβ davon. Oh, Anton war wütend, als er von unserer lieben Luisa vor gemachte Tatsachen gestellt wurde! Sie war ja inzwischen fast zehn Jahre lang seine Geliebte gewesen! Und mittlerweile war er überzeugt davon, dass sie keine Kinder bekommen könnte. Zehn Jahre, verstehst du? Zehn Jahre lang war alles gut gegangen. Eine Bilderbuchgeliebte, sag ich dir! Kein Wort an niemanden, keine Forderungen, keine Vorhaltungen. Und dann das! Mein guter Bruder war am Boden zerstört, sag ich dir. Und da kam er dann natürlich zu mir gelaufen! Sein groβer Bruder musste ihm irgendwie aus der Patsche helfen. Ja, ja, so war es schon immer gewesen: Wenn er irgendetwas gründlich verbockt hatte, war der groβe Bruder plötzlich nicht mehr der ‘spieβige