»Kann ich wohl!«, widersprach Vigor. Er überlegte, ob er sich als Of Shine ausgeben sollte. Aber er traute sich nicht, es wäre schließlich gelogen.
»Was willst du hier Bauerntölpel?« Heribert hatte sein Opfer gefunden.
»Halt die Klappe.« Vigor hatte nicht vor sich Ärgern zu lassen.
»Haltet Eure Klappe, Eminenz – heißt das«, erwiderte Heribert. »Und du musst dabei auf die Knie gehen.«
Viele der anderen Jungen lachten. Sie standen auf und versammelten sich im Kreis um die drei. Denn nun gab es wenigstens etwas zu sehen und ein handfester Streit, das war schon was, fast so gut wie ein Kampf. Aber der konnte ja noch werden.
»Vor dir gehe ich mein Leben nicht in die Knie.« Vigor sah ihn mit Verachtung an. Wieder einmal hatte er diese erhabene Entschlossenheit in den Augen, die Volker schon öfter bei seinem Freund entdeckt hatte. Dieses Feuer in Vigors Augen, welches ihm schon bei seiner ersten Begegnung mit dem kleinen Jungen aufgefallen war. Es gab Vigors Lausbubengesicht den Ausdruck von Intelligenz und Macht.
Heribert war damit sichtlich überfordert. Er gab Vigor einen Stoß vor die Brust. Vigor stieß reflexartig zurück.
»Lass deine Pfoten von mir«, drohte Heribert.
»Wäre besser«, erwiderte Vigor. »Sonst habe ich dein Damenpuder an den Fingern.«
Heribert zog seinen Umhang aus und legte seinen Stab darauf. »So, du willst kämpfen? Dann komm doch, feiger Bauer!«
Er sprach vom feigen Bauern. Dennoch wollte er kein magisches Duell mit dem Bauer versuchen. Heribert war bereits aufgefallen, dass sein Diopsid auf jeden Fall unter dem Edelstein lag, den dieser fremde Junge mit sich führte. Der klare Kristall könnte ein Quarz oder gar ein weißer Topas sein und da er die Vorkenntnisse von Vigor nicht kannte, wollte Heribert es nicht auf ein Duell ankommen lassen.
Vigor legte den Stab auf die Erde. Dann zog er sich kurz entschlossen den Umhang aus und streifte das Hemd über den Kopf. Dann baute er sich vor Heribert auf. Vigor war zwar klein und schmal, aber durchtrainiert und das bemerkte auch Heribert.
»Hier bin ich.«
Die beiden stießen sich erneut vor die Brust. Dann gingen sie zum Angriff über. Gerade als Vigor Heribert in den Schwitzkasten nahm, um ihn nieder zu ringen, tauchte plötzlich ein etwa dreißigjähriger Mann aus dem Nichts auf. Er packte Vigor und Heribert an einer Schulter und zog sie auseinander. Keiner der Jungen wusste wer er war. Doch der schlanke, braunhaarige Mann trug einen strengen Blick und ein goldgelbes Gewand, einen langen Mahagonistab mit einem gelben Moissanit im Treppenschliff an der Spitze. Er hielt sich nicht mit der eigenen Vorstellung auf. Wer er war, würden die Schüler bald genug erfahren. Stattdessen gab er Anweisungen. »Schluss mit der Rauferei! Schlag zwölf beginnen wir und ich erwarte ein ordentliches Erscheinungsbild.«
Dann verschwand er wieder.
»Da steht er unser Nackedei, wie unsere Bauern auf dem Felde«, stachelte Heribert. »Wahrscheinlich ist das sein einziges Hemd, also hat er Angst darum.«
Die umstehenden Schüler lachten wieder. Wer bitte schön besaß nur ein Hemd? Selbst ein Bauer hatte mehr davon, glaubten diese Jungen zumindest. Schließlich hatten sie Armut noch nie erlebt. Vigor erwiderte nichts, denn er wusste, dass Heribert zumindest zum Teil Recht hatte.
»Dieser Bauer verschmutzt unser Blut.«
Jetzt wurde es Volker zu bunt, der bislang unbeteiligt neben Vigor und Heribert stand. Er wandte sich Heribert zu und packte ihn am Kragen. Dann fuhr er mit ihm herum und riss den Jungen von den Füßen. Volker spannte den Oberarm an, beugte ihn und hob Heribert in die Luft.
»Wenn du nicht gleich die Klappe hältst, dann spuckst du den Rest des Tages Zähne mit jedem Wort.«
Heribert rührte sich nicht. Volker ließ ihn achtlos in den Dreck fallen. Heribert stand auf und ließ sich seinen Stab von einem Mitschüler reichen. Den Zauberstab richtete Heribert auf Volker und drückte dem deutlich größeren Jungen den Kristall gegen die Brust.
»So, wer spuckt hier was?«
Volker stand stocksteif da. Er bemühte sich um eine ruhige Stimme. »Und was nun? Willst du mich damit durchbohren?«
»Entschuldige dich«, forderte Heribert. »Du hast mich beschmutzt.«
»Und wenn nicht?« Volker war immer der Meinung, dass man die Alternativen kennen sollte. Heribert versetzte Volker mit seinem Stab einen Stoß gegen die Brust.
»Dann verbrenne ich dein Hemd auf deiner Haut.«
»So«, mischte sich Vigor ein. »Wer ist nun der Feigling? Stark nur mit der Waffe in der Hand.«
Einige Schüler lachten. Heribert drehte den Kopf und musterte Vigor.
»Du bist der Nächste.«
Dies war der Moment, den Volker gebraucht hatte. Er packte den Stab mit beiden Händen und schob den Kristall auf die Seite. Dann zog er Heribert an dem Holz zu sich ran. Dieser stolperte überrascht einen Schritt nach vorne. Heribert fand sich Auge in Auge mit dem großen Volker. Ohne Vorwarnung hämmerte Volker seine Faust in Heriberts Magengrube. Der schlanke Junge beugte sich vornüber. Zwei weitere Fausthiebe platzierte Volker an der gleichen Stelle. Heribert ging zu Boden, noch ehe Volker erneut zuschlagen konnte. Er beugte sich hinunter und pickte Heribert an den Haaren. Mit einem Knie nagelte Volker das Kreuz seines Gegners am Boden fest. Volker zog Heriberts Kopf nach hinten hoch.
»Richte nochmal eine Waffe auf mich«, zischte er ihm laut ins Ohr, »und ich drehe dir den Hals um!«
Heribert am Boden wimmerte. Dies wurde nun einem anderen Jungen zu viel. Er war kräftig gebaut mit blondem Haar und sprang Volker auf den Rücken. Es war Viktor, den Vigor von der Hochzeit in der Bash-Central-City erkannte. Er riss Volker nach hinten und erwischte dabei Volkers Kragen. Es gab ein lautes ratschendes Geräusch, als das Hemd riss, denn Volker drehte sich rasch um, ohne sich um Viktors Griff zu kümmern. Die beiden Jungen begannen am Boden zu raufen und zu schlagen. Viktor war stark, doch Volker genauso unterlegen wie Günther es war. Volker saß oben auf und bearbeitete Viktor mit den Fäusten. Es war ein Gefühl, das dem Prinzen neu war. Dafür mischte sich Heribert ein. Er verpasste Volker einen Tritt in die Seite. Volker zuckte kurz und Viktor konnte dem Griff entkommen. Nun packte Vigor Heribert und rang ihn zu Boden. Volker fiel auf die Seite und Viktor stürzte sich auf den am Boden liegenden Volker. Der Ringkampf brach erneut aus. Währenddessen prügelte sich Vigor mit Heribert. Heribert war überrascht, dass ein anderer auch eher schmaler Junge soviel Körperkraft mitbrachte. Doch Vigor war durch das Waisenhaus und die Schmiede harte körperliche Arbeit gewohnt und hatte in den dünnen Muskeln doch ziemlich viel Kraft. Er nagelte Heribert am Boden fest. Im Hintergrund konnten sie eine große Uhr schlagen hören. Volker und Viktor kämpften unverdrossen weiter. Dabei griff Volker bewusst Viktors Hemd, zerrte es ihm von hinten über den Kopf. Irgendetwas riss dabei.
Während Vigor Heribert am Boden hielt, beobachtete er, wie die anderen Schüler, interessiert Volkers Kampfkunst. Durch das Hemd halb über dem Kopf sah Viktor nichts mehr. Er konnte auch seine Arme nur noch eingeschränkt bewegen. Volker, der noch immer unten lag, hielt Viktor mit seiner linken Hand nach vornüber gebeugt. Die rechte Faust hämmerte Volker in Viktors Seite. Der Schlag in die Niere brach Viktors Widerstand und Volker konnte ihn mühelos auf den Rücken drehen. Wobei er nun mit der Rückseite von Viktors Hemd dessen Gesicht verdeckte. Unbewusst zählte Vigor die Glockenschläge mit, es waren zwölf. Schließlich tauchte der Magier wieder auf.
»Was ist hier los?!«, schimpfte er. »Aufhören! Sofort!«
Die Jungen ließen voneinander ab. Volker, der wie ein Reiter auf Viktors Brust saß, richtete sich auf und ließ Viktor aufstehen. Beide waren schmutzig, mit eingerissenen Hemden. Vigor hatte Heribert losgelassen. Sie waren ebenfalls aufgestanden.
»Ich hatte befohlen die Kämpfe zu unterlassen.« Er deutete auf Volker und Viktor. »Und