„Keine Sorge Layra trägt ihn stets bei sich. Sie nimmt ihre Aufgabe als Hohepriesterin sehr ernst“, meinte Krischan und lächelte mir zu.
Ich nickte kurz und beobachtete aus dem Augenwinkel, wie Tchai in Richtung meines Zimmers ging, um sich hoffentlich etwas überzuziehen. Es tat mir im Herzen weh Krischan zu belügen, aber es war nur zu seinem Besten.
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Das restliche Frühstück verlief schweigend und nur kurze Zeit später stand ich mit meiner gepackten Tasche vor der Hütte.
Es war Zeit aufzubrechen. Mit gemischten Gefühlen wandte ich mich Krischan zu. Wir mussten uns verabschieden.
„Mach dir keine Sorgen Layra. Die Reise zum Turm der Drachen wird dir gefallen. Du wirst viel Neues sehen und erleben. Du musst irgendwann deinen rechten Platz als Hohepriesterin einnehmen“, meinte er zuversichtlich.
„Es fällt mir nicht leicht dich zu verlassen Krischan“, meinte ich leise.
„Ich weiß, doch wir werden uns wiedersehen.“
Er umarmte mich und küsste mich auf die Stirn.
„Pass auf dich und Saii-ron auf Liebes.“
Mit diesen Worten entließ mich Krischan aus seinen Armen und ich ging mit schweren Herzen zu meinen Reisebegleitern. Shinn und Dawn saßen bereits auf ihren Pferden. Jasahra verstaute noch ihre Tasche sicher am Sattel. Neben ihr wartete Tchai mit meinem Pferd am Zügel. Es war eine dunkelbraune Stute und ihre hellere Mähne glänzte im Morgenlicht wie reine Seide. Dawn hatte die Pferde bei einem Bauern in der näheren Umgebung untergestellt, um sich anfangs nicht zu verraten und heute in den frühen Morgenstunden wieder hergebracht.
Jasahra hörte mich näher kommen und musterte mich mit einem abschätzigen Blick.
„Ich hoffe, du willst nicht so auf das Pferd steigen. Mit deiner Kleidung und den Haaren fällst du schon meilenweit im Voraus auf. Hat Dawn dir nicht gesagt das du deine Haare schneiden sollst?“
„Ich besitze keine tauglichere Reisekleidung, es muss wohl genügen. Und meine Haare bleiben so wie sie sind!“, entgegnete ich giftig.
„Nun, wenn du sie nicht kürzen möchtest, kann ich es gerne für dich übernehmen“, zischte sie.
„Wage es und deine Hand ist ab“, entgegnete ich und umgriff warnend meinen Schwertknauf.
Unser kleiner Streit blieb nicht unentdeckt, denn Dawn lenkte sein Pferd neben Jasahras und auch Tchai rückte näher an mich heran.
„Dawn erkläre es unserer Hohenpriesterin“, fauchte Jasahra.
„Sie hat nicht ganz Unrecht Layra. Auf dieser Reise werden uns viele Gefahren begegnen. Es gibt jede Menge Leute die Saii-ron und dich in die Finger bekommen möchten. Dein Aussehen alleine verrät dich schon. Dein langes Haar, deine Augen. Deine Kleidung wird staubig und dreckig, doch deine Augen werden immer in diesem bernsteinfarbenen Licht strahlen. Halte auf der Reise, wenn wir Fremden begegnen, deinen Blick gesenkt. Was deine Haare betrifft …“
„Ich werde sie nicht abschneiden“, fuhr ich Dawn dazwischen.
Dawns Gesicht verfinsterte sich, doch bevor er etwas erwidern konnte trat Tchai hinter mich und löste meinen Zopf mit einer einzigen Handbewegung.
„Habt etwas Nachsicht mit ihr. Layra war bis jetzt noch nie auf einer längeren Reise und kennt die damit verbundenen Gefahren nicht“.
„Trotz alledem muss sie unseren Anweisungen folgen, denn sonst können wir ihre Sicherheit nicht garantieren.“
Dawn zog am Zügel seines Pferdes und trieb es zu Krischan um wahrscheinlich ein paar letzte Worte mit ihm zu wechseln.
Jasahra stieg mit einem leisen Lachen in ihren Sattel und folgte ihm. Ich seufzte leise.
„Er hat Recht Prinzesschen, du bist wie die Sonne an einem Gewitterhimmel. Du selbst merkst es vielleicht nicht, aber dich umgibt eine Aura der Reinheit. Es gibt viele die danach trachten die Hohepriesterin in ihre Finger zu bekommen“.
„Ich werde aufpassen Tchai“.
Mit geübten Bewegung flocht mir Tchai einen verschlungenen Zopf, der meine Haare um die Hälfte kürzte. Als er fertig war, hauchte er mir einen Kuss in den Nacken und schob mich in Richtung meines wartenden Pferdes. Shinn näherte sich uns und ich musste zugeben, das er eine beeindruckende Erscheinung war.
Ich konnte den kleinen Hauch von Magie der ihn umgab wahrnehmen. Neben seinem Schwert hatte er sich noch einige Dolche, in den Schwertgurt und in die Stiefel gesteckt.
„Shinn!“
Tchais ernste Stimme ließ ihn kurz am Zügel ziehen und sein Pferd wieherte missbilligend auf. Die Blicke der Beiden begegneten sich für einen Moment. Sie schienen sich einig zu sein. Entschlossenheit und ein Versprechen.
„Du hast mein Wort Tchaikor. So lange sie an meiner Seite ist, wird ihr nichts zustoßen“, versprach er.
Etwas hatte sich zwischen ihnen verändert. Ich konnte nur nicht die richtigen Worte dafür finden. Tchai nickte ihm kurz zu und half mir dann in den Sattel. Es war ungewohnt auf dem Rücken eines Pferdes zu sitzen, doch ich hatte keine Bedenken das ich es nicht schaffen würde. Immerhin konnte ich auf einen Drachen reiten!
„Ich komme nach, sobald ich die Angelegenheit mit meinem Vater geregelt habe“, versprach mir Tchai.
Mein Hals schnürte sich mit einem Mal zu und ich griff unbewusst nach der Kette.
„Solange du sie nicht abnimmst, wird er dich auch nicht finden. Acht Jahre sind eine lange Zeit und deine Angst vor ihm ist vielleicht unbegründet“.
Ja vielleicht hatte Tchai Recht, aber irgendwie blieb das ungute Gefühl mal wieder. Wir verabschiedeten uns ein letztes Mal von Krischan und Tchai und brachen endgültig auf.
4
Wald. In den darauffolgenden Wochen war er das Einzige, das ich zusehen bekam. Die verschiedensten Grünschattierungen waren die einzige Abwechslung. Sobald die Sonne aufging brachen wir auf und rasteten erst in der Dämmerung.
Ich nahm meine Behauptung zurück, auf einem Pferd zu reiten sei nicht schlimmer als auf Tchaikors Rücken. Die ersten zwei Wochen war es die Hölle für mich. Meine Muskeln schmerzten bei jeder Bewegung und selbst als ich mich endlich zum Schlafen hinlegen konnte, spürte ich jede Kleinigkeit. Jasahras bissige Kommentare begleiteten mich genauso beharrlich. Nur Dawn wies sie ab und an zurecht. Ihre Laune schien stark davon abzuhängen, wie oft sie mit ihm alleine sein konnte. Shinn hingegen schwieg den Großteil der Zeit oder brachte mir etwas über das Land bei, durch das wir reisten.
Er erzählte mir heimische Legenden und berichtete von lang geschlagenen Schlachten an den Grenzgebieten. Ich liebte seine ruhige Stimme, wenn er erzählte. Er schien dabei in seine eigene Welt einzutauchen. Als ich ihn einmal fragte, woher er so viel wusste, verriet er mir, dass er nicht nur in der Lehre der Magie und der Kampfkunst, sondern auch in der Geschichte des Landes unterrichtet worden war.
Das Einzige worüber er mir nichts erzählte war von sich und Tchai.
Wir reisten direkt nach Norden. Die mir bekannte Hitze des Tages wich einer angenehmeren Wärme und auch die Nächte wurden kühler. Der Wald schien kein Ende zu nehmen und der Pfad vor uns schlängelte sich unaufhaltsam vorwärts. In all den Wochen begegneten wir nur sehr selten anderen Reisenden. Dawn versuchte so gut es ging die stärker bereisten Routen zu umgehen.
Trafen wir auf andere Leute so berichteten sie über die vermehrt ausbrechende Kämpfe rebellierender Aufständischer.
Das Land steuerte unaufhaltsam auf einen Krieg zu. Ich hoffte das meine Ankunft im Turm der Drachen alles wieder in die richtige Bahn lenken würde. Anfangs konnte ich meine Ängste noch mit Tchai durch unsere geistige Verbindung teilen. Ab dem Moment jedoch, als er das Reich seines Vaters betrat,