Krischan neben mir strich sich beträchtlich über seinen Bart und warf mir einen kurzen Seitenblick zu.
„Nun Dawn ich weiß über eure Absichten Bescheid, denn ich habe Amirallia vor einigen Wochen über Layras Aufenthaltsort in Kenntnis gesetzt und mich mit ihr über die kommenden Verpflichtungen von Layra unterhalten.“
Ich keuchte bei Krischans Geständnis kurz auf und krallte meine Hand in das Holz des Stuhles, auf dem ich saß. Langsam griff ich nach meinem Becher und trank einen größeren Schluck. Der Wein brannte sich meine Kehle hinab und ich bemühte mich nicht erneut aufzukeuchen. Krischan bemerkte meine Bemühungen und legte mir sachte eine Hand auf mein Knie.
„Wie es aussieht, hat das Mädchen von deinen Plänen noch nichts gewusst“, meinte die Frau leicht amüsiert und hob mir lieblich lächelnd ihren Becher entgegen.
Über den Tisch hinweg funkelte ich sie böse an und hätte ihr am liebsten den Inhalt meines Bechers über geschüttet. Sie lachte glockenhell auf und lehnte sich mit verschränkten Armen auf ihrem Stuhl zurück.
„Jasahra lass es gut sein“, meinte Dawn und wandte sich dann mir zu.
„Wir freuen uns dich endlich kennen zu lernen Layra. Immerhin haben wir schon sehr lange auf dich gewartet. Wir waren in tiefster Sorge, als wir vom Tod deiner Mutter erfuhren, da wir nicht wussten, was mit dir geschehen war.“
Mir wurde mit einem Mal schlecht. Was wussten denn diese Fremden schon von meiner Mutter? Woher wollten sie wissen, dass sie tatsächlich tot war? Ich klammerte mich noch immer an die Hoffnung, dass sie irgendwie den fremden Reitern von damals entkommen war. Nach acht Jahren nahm mir Dawn meine Hoffnung mit nur einem einzigen Satz. Ich legte eine Hand über meinen rebellierenden Magen und erhob mich.
„Layra, geht es dir gut? Du siehst …“
Ich hob schnell meine Hand und erstickte Dawns wahrscheinlich gut gemeinte Worte, bevor sie über seine Lippen kamen.
„Ich muss nur kurz mal an die frische Luft. Ich glaube, mir bekommt der Wein nicht sonderlich.“
Mit diesen Worten entschuldigte ich mich, warf einen kurzen Blick zu Krischan der meine Lüge durchschaute und umrundete den Tisch um auf die Tür zuzugehen. Ich musste so schnell es ging weg von hier.
Meine Vergangenheit hatte mich eingeholt.
Als ich in die lauwarme Dunkelheit nach draußen trat, fiel mir das Atmen leichter. Ich sah mich kurz um, ob ich Tchai oder Shinn sah, aber von den Beiden fehlte jede Spur. Was auch immer die Zwei für eine Vorgeschichte hatten, ich würde sie nur zu gerne kennen.
Vorerst belasteten mich aber Dawn und Jasahras Absichten, weswegen sie hergekommen waren. Krischan hatte dem Kristallrat über mich berichtet. Warum nur? Saii-ron war bei mir, bei uns Dreien sicher.
Ich ging langsam um die Hütte herum und lehnte mich erschöpft an das raue Holz. Der Tag endete nicht gerade so, wie ich ihn mir heute Morgen vorgestellt hatte. Jetzt wusste ich immerhin, weshalb ich den ganzen Tag solch ein ungutes Gefühl hatte.
Die Geräusche der Nacht beruhigten mich. Ich ließ mich auf den Boden gleiten und legte den Kopf in den Nacken. Die Sterne blitzten hell am Nachthimmel und der Mond kam langsam über den Bergen zum Vorschein. Sein Licht tauchte die Umgebung vor mir in eine unwirkliche Landschaft. Bestehend aus tiefsten Schatten und hellen Lichtpunkten die Sicherheit versprachen.
Wenn ich zurückdachte, war ich immer neugierig gewesen, wie die Leute vom Turm der Drachen wohl so waren.
Ob sie festliche Kleider oder blitzende Rüstungen trugen und welche Titel und Positionen sie innehaben würden.
Jedoch hatten sich meine teils träumerischen Vorstellungen mit Dawn und Jasahra in Luft aufgelöst. Sie waren das genaue Gegenteil. Sie waren Krieger und jagten mir ein ungutes Gefühl ein. Ich verstand Krischan immer noch nicht. Wieso nur hatte er mich nicht vorgewarnt das sie kommen würden. Ich wollte nicht von hier weg.
Ich fühlte mich hier sicher und Krischans Hütte war zu meinem neuem Zuhause geworden. Meine Mutter hatte mir nie meine Pflichten als Priesterin beigebracht und ich fühlte mich auch nicht als solche.
Ich hörte das Knacken von Zweigen und kurz darauf brach nur ein paar Meter von mir entfernt Shinn durch das Unterholz der Lichtung. Tchai folgte ihm nur einen Atemzug später. Ich konnte Shinns Gesichtsausdruck im Dunkeln nicht erkennen.
Alleine an seinen stampfenden Schritten und der Schnelligkeit, mit der er im Inneren der Hütte verschwand, konnte man seine Stimmung jedoch erahnen.
Ich wartete auf das erneute Öffnen und Schließen der Tür, doch anscheinend hatte Tchai nicht die Absicht hinter Shinn herzugehen.
Die Beiden riefen immer mehr Fragen in mir auf. Ich biss mir nachdenklich auf die Lippe, doch meine Neugier gewann mal wieder.
Vorsichtig lugte ich kniend um die Ecke der Hütte um nach Tchai zusehen, als ich in sein von weißen Haar umrahmtes Gesicht blickte. Ich schrie erschrocken auf und landete fast auf meinen Hintern, hätte mich Tchai nicht an den Armen festgehalten.
„Das kommt davon, wenn man nach spioniert“, tadelte er mich.
„Ich spioniere nicht, ich wollte nur einen Moment Ruhe vor allen“, schnaubte ich und lehnte mich wieder zurück an die Hüttenwand.
Tchai gesellte sich zu mir und eine Weile saßen wir schweigend nebeneinander, nur den eigenen Gedanken nachhängend.
Die Grillen zirpten ihr Abendlied und ab und an schrie eine Eule auf der Jagd nach ihrer Beute. Ich liebte die Sommernächte, wenn die Hitze des Tages noch ausreichte, um die Dunkelheit zu erwärmen.
Wenn ich daran dachte, dass ich mit den Leuten aus dem Turm der Drachen bald abreisen würde, wurde mir zum wiederholten Male schlecht.
Abwesend zwirbelte ich mir eine lange Strähne meines Haares um den Finger, bis Tchai sanft meine Hand nahm und sie zu sich zog.
„Prinzesschen was geht in deinem Kopf vor? Du spielst nur mit deinen Haaren, wenn du fieberhaft überlegst, wie du ein Problem lösen kannst.“
Er ergriff die Strähne meines Haares und wickelte sie sich selbst um den Finger. Mit jeder Schlinge zog er meinen Kopf näher an sich heran, bis sich schließlich unsere Nasenspitzen fast berührten. Seine grünen Augen blickten mich funkelnd an und ich seufzte ergeben.
Er neigte leicht den Kopf und schon spürte ich die hauchzarte Berührung seiner Lippen. Es war ein keuscher Kuss, den ich schon viele Male zuvor von ihm bekommen hatte. Tchai wollte mich nur necken. Mittlerweile verstand ich auch, warum er jede Nacht eine andere Frau hatte. Sie mussten ihm alle zu Füßen liegen.
Er war so unsagbar schön und sein Charme konnte einem regelrecht die Sinne verwirren. Tchai hatte mir versucht zu erklären, das man zwischen den abenteuerlichen, nächtlichen Vergnügungen und der wahren Liebe unterscheiden musste. Ich konnte weder bei dem einem noch bei dem anderen mitreden, geschweige denn das ich es wirklich verstand. Wenn Tchai mich so küsste, flammte auf jeden Fall kein Feuer in mir auf und nach seinen Erklärungen war das nötig um die wahre Liebe zu finden. Für wilde Abenteuer war Tchai immer zu haben, allerdings nicht mit mir. Er betonte zwar immer das ich die richtigen Proportionen hatte, unser gemeinsamer Pakt es aber nicht zuließe auch nur in diese Richtung zu denken. Tchai löste sich langsam von meinen Lippen, lächelte mich verführerisch an und ließ meine Haarsträhne aus seinen Fingern gleiten.
„Du bist so süß geworden Prinzesschen. Ich bin gespannt auf den Mann, dem du einmal dein Herz schenken wirst.“
Ich schnaubte genervt. Bis jetzt hatte ich noch keinen einzigen Mann an mich herangelassen und ich verspürte auch nicht die Absicht es in nächster Zukunft zu tun. Da Tchai nicht infrage kam reduzierte sich die Auswahl der Männer auch schon auf null. Außer den paar Ausnahmen als ich mit Krischan in eines der größeren Dörfer gereist bin, hatte ich sowieso noch keine wirkliche Gelegenheit gehabt einen Mann kennenzulernen. Normalerweise waren die Frauen in meinem