Bitte, gib nicht auf.. Denise Docekal. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Denise Docekal
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752923889
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Markus‘ Tod fiel es mir unglaublich leicht meine Eltern zu belügen. Etwas, was ich früher nie gekonnt hatte. Markus hatte mich deswegen oft genug aufgezogen.

      Er war der Profilügner von uns beiden gewesen.

      „So siehst du auch aus.“, sie glaubte mir offenbar kein Wort: „Zieh dich an.“

      „Was?“

      „Wir gehen ein wenig raus. Hier drinnen muffelt es ganz schrecklich und du brauchst eindeutig ein wenig Sonne. Du bist ganz blass.“

      „Mir geht’s gut!“, rief ich und fühlte schon wieder, dass mir die Lüge ganz leicht gefallen war: „Wirklich. Schön, dass du hier bist, aber du hättest dir den Weg wirklich nicht antun müssen.“

      „Zieh dich an, Mary.“

      „Ich gehe nicht mit dir in eine Kirche.“, Mum wusste genau, wie stark mein Glaube seit Markus‘ Tod bröckelte. Wie stark er bereits davor gebröckelt hatte.

      „Rede nicht so über unseren Herrgott.“, fauchte sie: „Und nein, wir gehen nicht in die Kirche. Und jetzt zieh dich endlich an!“

      Diese Aussage ließ wohl keine Widerworte zu.

      Mum hatte mich missbilligend gemustert, als ich wieder aus meinem Zimmer gekommen war, hatte aber nichts gesagt. Ich trug wieder eines von Markus‘ T-Shirts und eine alte, ausgewaschene Jeans.

      Jetzt gerade schleifte sie mich die Straße hinunter, in der ich wohnte. Sie hatte einen wirklichen flotten Schritt, als ob sie ein bestimmtes Ziel hatte. Sehr bald wusste ich auch, was ihr Ziel war.

      Sie steuerte auf den Buchladen zu.

      „Mama, nein.“, ich versuchte stehen zu bleiben, aber meine Mutter zog mich einfach weiter. Ihr Griff war so fest wie eiserne Handschellen um mein Handgelenk.

      „Wir gehen da jetzt rein und du suchst dir ein Buch aus. Du musst dich wieder einkriegen, Mary. Und ich weiß, dass du gerne gelesen hast.“

      Ja, vor der ganzen Geschichte mit Markus. Aber jetzt doch nicht mehr. Sobald ich es auch nur versuchte ein Buch zu öffnen, musste ich schon jedes Mal weinen. Außerdem wollte ich nicht in den Buchladen. Was, wenn Winter heute Schicht hatte?

      „Ich war da schon mal drinnen, wirklich nichts aufregendes.“, versuchte ich es weiter.

      „Mary Vogel, ich schwöre dir, ich fang an zu schreien, wenn du da jetzt nicht rein gehst.“

      Sowas waren bei meiner Mutter keine leeren Drohungen. Sie würde wahrscheinlich wirklich mitten auf der offenen Straße anfangen mich anzubrüllen. Also ließ ich mich – wenn auch mit einem leichten Widerstand – in den Laden ziehen.

      „Guten Morgen.“, begrüßte uns eine tiefe Stimme, die ich sofort zuordnen konnte. Winters Blick hob sich von einem Buch, das vor ihm am Tresen lag. Sofort fanden seine Augen meine. Er zog die Brauen hoch und wollte noch etwas sagen, da erkannte er meine Mutter. Immer wieder sah er zwischen uns hin und her: „Kann ich Ihnen helfen?“, war alles, was er anschließend fragte.

      „Danke, wir sehen uns ein wenig um.“, sprach ich schnell, bevor meine Mutter auch nur auf den Gedanken kommen konnte, Winter etwas zu fragen.

      Meine Mutter schenkte Adam aber sowieso keine Aufmerksamkeit. Sie zog mich weiter hinein in den Laden und blieb mit mir vor einem Regal stehen, auf dem in großen Lettern „RELIGION“ stand. Na toll, sie wollte mir also irgendein super christliches Buch kaufen.

      „Such dir hier was aus.“, sie ließ ihren Blick durch den Laden schweifen: „Ganz nettes Geschäft.“, dann glitt er zu Adam, der immer noch zu uns sah: „Was ihr Personal betrifft, könnten sie sich aber ruhig mehr Mühe geben.“

      Warum wunderte es mich nicht, dass meine Mutter scheinbar nicht viel von Adam hielt? Wahrscheinlich, weil er alles verkörperte, was meine Mutter nicht akzeptieren konnte. Heute trug Adam ein kurzärmliges schwarzes T-Shirt, wodurch ich seine Tattoos, die er auf den Armen trug, deutlich erkennen konnte. Viele verschiedene Muster und auch Texte, die ich allerdings von hier nicht lesen konnte.

      „Mary.“, brummte meine Mutter, als sie merkte, dass ich Adam die ganze Zeit über angestarrt hatte. Auch Adam selbst hatte es bemerkt und grinste.

      Sofort schoss mein Blick wieder zum Bücherregal und ich versuchte die Titel der Bücher zu lesen. Sie verschwommen aber vor meinen Augen, wodurch ich nur eine Vielzahl an einzelnen Buchstaben ausmachen konnte.

      „Ich sehe mich auch mal ein wenig um. Lass dir nicht zu viel Zeit.“, zischte meine Mutter. Sie war ja heute wirklich in bester Laune.

      Nachdem sie verschwunden war, glitt mein Blick wieder zu den Büchern. Von manchen konnte ich den Deckel ausmachen. Auf den meisten war der Papst zu sehen, oder betende Hände. Waren wohl die beliebtesten Motive für religiöse Bücher.

      „Kann ich behilflich sein?“

      Ich blickte auf und erkannte Adam, der mit einem breiten Grinsen vor mir stand. Ihm schien das gerade wirklich Spaß zu machen.

      „Nein, danke.“, antwortete ich knapp. Als ob er mich überhaupt beraten konnte, wenn es um religiöse Bücher ging. Er sah mir nicht wie der große Kirchgänger aus.

      „Wonach suchst du denn?“, diesmal sprach er mit eindeutig weniger Spott in der Stimme.

      „Nach etwas, was mich nicht in der Hölle landen lässt, wenn ich es zu Hause in den Müll werfe.“, brummte ich und sah zu Adam hoch.

      Da war wieder das Grinsen: „Hm, dann empfehle ich das hier.“, er zog ein Buch hervor, dessen Titel wirklich lautete „10 Wege, um nicht in der Hölle zu landen“.

      Ich musste kurz auflachen, ließ es aber kurz darauf schon wieder ersterben. Das hier war falsch.

      „Ich glaube nicht, dass meine Mutter so begeistert über dieses Buch wäre.“

      „Ist es etwa für sie?“

      Ich schüttelte den Kopf: „Nein, aber sie will mir eines kaufen. Und das hier ...“, ich zuckte mit den Schultern.

      „Denkst du, sie weiß, dass der Titel ironisch gemeint ist?“

      Hm, gute Frage. Meine Mutter konnte eigentlich nicht viel mit solchen Dingen wie Ironie und Sarkasmus anfangen.

      Adam grinste: „Sieh einfach zu, dass sie nicht den Klappentext liest. Dann solltest du sicher sein.“

      Wahrscheinlich hatte er recht. Mum würde es bestimmt für ein ernsthaftes Buch halten.

      „Danke.“, diesmal war mein kurzes Lächeln wirklich ehrlich gemeint. Ich hatte Winter noch nie so freundlich erlebt, aber es war eine ganz nette Abwechslung.

      „Kommt dich deine Mutter oft besuchen?“, fragte er interessiert.

      Ich schüttelte den Kopf. Zum Glück war sie so gut wie nie in Wien: „Nein. Ihr Besuch war auch nicht angekündigt gewesen.“

      „Warum ist sie denn hier?“

      Oh nein, diese Unterhaltung ging schon wieder in die völlig falsche Richtung.

      „Ähm.“, ich räusperte mich, aber bevor ich antworten konnte, stand meine Mutter schon wieder neben mir.

      „Mary, hast du was gefunden?“, sie entriss mir das Buch, das ich in der Hand hielt und las den Titel. Sie nickte anerkennend: „Gute Wahl. Nimm dir diese Wege wirklich zu Herzen.“, mit diesen Worten gab sie mir das Buch wieder zurück und blickte zu Adam hoch. Da meine Mutter noch kleiner war als ich, sah es schon fast witzig aus, wie sie zu ihm hochblickte: „Wir würden gern zahlen.“, der bissige Unterton war nicht zu überhören.

      „Natürlich.“, Adam lächelte, für einen Moment sah es sogar wirklich echt aus: „Zusammen oder getrennt?“, er nahm meiner Mum und mir die Bücher ab.

      „Zusammen.“, so kurz angebunden kannte ich meine Mutter gar nicht.

      Während wir an der Kassa standen,