Bitte, gib nicht auf.. Denise Docekal. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Denise Docekal
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752923889
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Blick glitt nach rechts.

      Na toll, und ich hätte gedacht, dass ich ihn abgehängt hatte.

      „Was willst du, Winter?“

      „Ich wollte einfach nur einen Sitzplatz haben. Wir haben heute ja schon gesehen, dass in der Straßenbahn stehen lebensgefährlich sein kann.“, er zwinkerte mir zu, als er mich daran erinnerte, dass ich heute schon fast auf die Pfeife geflogen war.

      Augenverdrehend sah ich mich im Wagen um: „Hier ist so viel frei. Sogar ein Doppelplatz da vorn. Nimm doch den.“, ich wollte diesen Mann einfach nur loswerden.

      „Ach, da vorne habe ich doch gar keine Gesellschaft. Hier gefällt es mir viel besser.“, entspannt lehnte er sich zurück und verschränkte die Arme hinter seinem Kopf: „Hast du gut geschlafen in der Vorlesung?“

      „Ich habe nicht geschlafen.“, brummte ich.

      „Ach ja? Früher warst du eine von denen, die sich bei jeder verdammten Frage gemeldet hat. Heute habe ich nicht ein einziges Mal deine Hand gesehen. Und auf mich hat es so gewirkt, als hättest du es nicht mal gecheckt, als die Vorlesung vorbei war.“

      Was zum Teufel?

      „Scheinst mich ja ausgiebig beobachtet zu haben, Winter. Vielleicht solltest ja du dich mehr auf den Stoff konzentrieren, als auf mich.“

      Ha, der saß. Kurz sah ich etwas in Adams Augen wanken, aber er bekam sich schnell wieder ein: „Keine Sorge, Mäuschen. Ich kann mich auf vieles gleichzeitig konzentrieren.“

      Wie sehr ich diesen Spitznamen, den er mir am ersten Tag vor zwei Jahren gegeben hatte, doch hasste.

      „Dann konzentriere dich nächstes Mal einfach auf eine andere, anstatt auf mich.“, gab ich schnippisch zurück.

      Adam antwortete nicht.

      Endlich.

      Ich hatte ihn endlich zum Schweigen gebracht.

      Kaum zu glauben.

      „Wo warst du die letzten sechs Monate, Mary?“

      War ja auch zu schön gewesen, um es zu glauben.

      „Habe ich doch schon gesagt, geht dich nichts an.“

      Adam brummte: „Du warst sechs Monate wie vom Erdboden verschlungen. Bist nach den Semesterferien einfach nicht mehr aufgetaucht.“

      „Was interessiert es dich?“, konnte er endlich aufhören zu quatschen? Langsam stieg meine Wut mir bis zum Kopf.

      „Und als ich deine Freundin gefragt hab – Sara glaube ich – hat sie einfach angefangen zu heulen. Ich habe schon gedacht, dass dir irgendetwas passiert war. Ich habe mir echt Sorgen gemacht.“

      „Susi.“, war alles was ich antwortete.

      Moment Mal.

      Hatte er gerade gemacht, dass er sich Sorgen um mich gemacht hatte?

      „Wie auch immer.“

      Seufzend ließ ich den Kopf in den Nacken fallen und starrte an die Decke des Wagons. War sauberer als erwartet: „Ich war bei meinen Eltern, okay?“

      ‘Bitte, lass mich jetzt einfach in Ruhe’, dachte ich verzweifelt in der Hoffnung, dass er nicht weiter nachhaken würde.

      „Was hast du bei deinen Eltern für ein halbes Jahr gemacht?“

      So viel zu meinen Hoffnungen.

      „Das ist privat.“

      Adam zog die Brauen hoch, aber anstatt mich weiterhin zu löchern – wie ich es erwartet hätte – nickte er nur und drehte seinen Kopf dann nach vorne.

      Ich hatte es geschafft.

      Er hielt endlich die Klappe.

      Die Tatsache, dass mich das ein wenig störte, verdrängte ich gekonnt.

      Fünf

      Die darauffolgenden Tage verliefen wie vor einem Schleier. Ich ging jeden Tag auf die Uni, versuchte Winter so gut wie möglich auszuweichen, tat so, als ob ich Susi zuhören würde, wenn sie mir etwas aus ihrem Leben erzählte und sobald ich daheim war, lag ich stundenlang in meinem Bett und starrte an die Decke. Es war eine gewisse Routine, die sich nach und nach einstellte. Immer, wenn mein Magen knurrte, bestellte ich mir etwas online vom Lieferservice, um möglichst wenig mit Menschen reden zu müssen. Einmal hatte ich dem Lieferanten sogar gesagt, dass er das Essen einfach vor der Tür abstellen sollte und ihm nur das Geld durch den kleinen Schlitz durchgeschoben.

      Ich wollte einfach allein sein. Sobald ich unter Menschen ging, gab es nur zwei mögliche Ausgänge. Entweder sie fragten mich über Markus aus und ich fing immer beinahe zu heulen an. Oder aber ich verspürte tatsächlich sowas wie Spaß und hatte Sekunden später ein schlechtes Gewissen, weil ich das Gefühl hatte, meinen Bruder zu verraten.

      Daher war es einfacher allein zu bleiben und mir stundenlang die Decke meines Zimmers anzusehen. Dort konnte man mehr erkennen, als man glauben würde. Früher musste ein Kind hier gelebt haben, denn ich erkannte ganz deutlich die Umrisse von Klebesternen unter der weißen Farbe. In einer Ecke waren komische Flecken, die ich einfach ignorierte und über der Tür war ein Fleck, der stark danach aussah, als ob jemand einen Pancake zu stark gewendet hatte und dieser an der Decke gelandet war.

      Alles in allem, wirklich interessant.

      Mittlerweile hatten wir Freitag und ich hatte vorlesungsfrei. Da ich sowieso nicht lang schlafen konnte, war ich schon seit halb sechs wach und ging mal wieder meiner Lieblingsbeschäftigung nach. An die Decke starren.

      Hin und wieder glitt mein Blick zu den Umzugskartons, die immer noch unberührt im Vorraum standen und darauf warteten, dass sie jemand auspackte.

      Darauf konnten sie noch lang warten.

      Keine Ahnung, wie lang ich schon im Bett lag – mein Handy hatte ich mal wieder abgeschaltet, damit mich niemand störte – aber irgendwann klopfte es an meiner Tür. Es läutete nicht unten an der Klingel, sondern es klopfte direkt an meiner Tür.

      Offenbar hatte es jemand in das Mehrfamilienhaus geschafft. Zu seinem Glück, ich würde niemandem die Tür öffnen.

      Genauso wenig wie jetzt, aber der ungebetene Besucher war penetrant. Gute fünf Minuten klopfte die Person hinter der Tür durchgehend, mit der Zeit wurden die Schläge sogar lauter.

      Mein Herz begann zu rasen.

      Wer war das? Warum schlug jemand so hart gegen meine Tür, dass sie beinahe nachgab? Warum verschwand die Person nicht einfach wieder?

      „Mary Vogel.“, oh Gott, es war meine Mutter: „Öffne die Tür!“

      Was machte sie denn hier? Sie hasste die Stadt und war bisher genau für meine Umzüge hier gewesen. Und damals, als Markus ...

      Schwerfällig erhob ich mich und schlurfte zur Tür. Meine Mutter konnte ich jawohl nur schlecht vor der geschlossenen Tür stehen lassen.

      Mürrisch entsperrte ich die zwei Schlösser an der Tür und blickte meine Mutter in die Augen: „Was willst du hier?“

      „Was ist das denn für eine Art?“, fragte sie mich schnippisch: „Und wie siehst du aus? Und warum stinkt es hier so widerlich?“

      Ein Besuch meiner Mutter war doch immer eine wahre Wohltat: „Mama, was willst du hier?“

      „Du gehst seit zwei Tagen nicht an dein Handy und Susi hat auch gesagt, dass sie dich nicht viel zu Gesicht bekommt.“

      Na toll. Seit wann verstand sich meine Mutter denn bitte so gut mit Susi?

      „Der Akku war leer.“, war meine ganze Antwort und ich machte einen Schritt zur Seite, damit meine Mutter eintreten konnte.

      Ihr Blick fiel sofort missbilligend auf die gestapelten Umzugskartons neben der Tür: „Meinst du nicht, dass du die endlich mal auspacken solltest?“

      „Nein, meine