Bitte, gib nicht auf.. Denise Docekal. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Denise Docekal
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752923889
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setz dich hin.“, er wollte mich am Arm nehmen und zu der Sitzecke geleiten, doch ich entriss mich ihm und lief aus dem Buchladen.

      Vielleicht würde das doch nicht mein neuer Lieblingsort werden.

      Zuhause angekommen merkte ich, dass ich noch ein Buch in der Hand hielt. Das, das ich vorhin aus meiner Lieblingsgenre-Ecke genommen hatte. Oh verdammt, jetzt war ich also nicht nur ein weinendes Wrack, das vor einem Typen, den es hasste, zu heulen begann. Nein, jetzt war ich auch noch eine verdammte Diebin!

      Ich musste das Buch unbedingt zurückbringen. Meine Mum würde wahrscheinlich den Exorzisten holen, wenn sie hörte, was ich gemacht hatte. Aber jetzt – nach allem, was gerade vorgefallen war – wieder zurück in den Buchladen gehen? Oh nein, keine zehn Pferde würden mich dorthin bringen. Vielleicht konnte ich es ja am Montag am Weg zur Uni in den Briefkasten werfen, gemeinsam mit einer Entschuldigung.

      Wenn bis dahin die Cops noch nicht vor meiner Tür standen, immerhin wusste Winter wie ich hieß. Er hatte das Buch in meiner Hand bestimmt bemerkt.

      Mit einem wütenden Schrei ließ ich das Buch zu Boden fallen und warf mich auf mein Bett. Toll, ein Tag zurück in Wien und ich war schon völlig fertig. Am Sonntag wäre ich in unseren Kursen wahrscheinlich das Gespött schlechthin. Winter schrieb sicher all seinen Freunden, dass er mich gerade gesehen und ich vor ihm zu heulen begonnen hatte. Er würde allen erzählen, dass ich aus der Geschlossenen wieder draußen wäre, mich aber noch nicht wirklich unter Kontrolle hatte.

      Ich konnte mir richtig vorstellen, wie sie sich über mich totlachen.

      Schnaufend drückte ich mir ein Kissen auf den Kopf. Wunderbar. Meine Trauer war wie mit einem Schlag weggeblasen. Stattdessen wurde ich jetzt mit Scham und Wut erfüllt.

      Die besten Voraussetzungen für den ersten Tag zurück an der Uni.

      Drei

      Den restlichen Samstag hatte ich mich einfach in meinem Bett vor der Welt versteckt. Ich wollte nichts und niemanden sehen. Ich wollte von niemanden hören. Sogar mein Handy hatte ich abgeschaltet, damit sich ja niemand bei mir melden konnte.

      Am Sonntag zwang ich mich dann aber doch wieder aus dem Bett zu kriechen. Nachdem ich mein Handy angemacht hatte, merkte ich, dass sich nur eine Person bei mir melden wollte.

      Susi.

      Also Susanne, meine beste Freundin.

      Sie war zwar in den vergangenen sechs Monaten immer wieder bei mir gewesen, aber meine Eltern mochten sie nicht wirklich – sie war keine Christin – und das hatten sie sich auch anmerken lassen. Daher hatte ich Susi gesagt, dass sie mich wirklich nicht dauernd besuchen musste. Sie schrieb mir fast täglich, aber nur in den seltensten Fällen hatte ich geantwortet. Was mir rückblickend wirklich leidtat, weil sie eine wunderbare Freundin war – im Gegensatz zu mir.

      Auch gestern hatte sie mir eine Nachricht geschickt: Hey, schon wieder in Wien? Wollen wir was machen?

      Das war vor über 24 Stunden gewesen, dass sie mir diese Nachricht geschrieben hatte.

      Anstatt zu antworten, entschied ich mich, sie anzurufen. Dann konnte ich mich wenigstens länger davon ablenken, dass ich die verdammten Umzugskartons auspacken musste.

      „Hey, Süße!“, rief Susi glücklich ins Telefon.

      Wow, ich hatte ihre Stimme so lange nicht mehr gehört, dass ich sie kurz nicht mehr erkannt hatte.

      „Hey. Tut mir leid, dass ich mich erst jetzt melde. Mein Handy war ... leer.“

      „Ja klar.“, sie glaubte mir kein Wort: „Der Sonntag ist noch jung. Lust auf Brunch?“

      Hatte ich Lust?

      Lust diese Wohnung zu verlassen – absolutes JA!

      Lust mich unter Menschen zu begeben und viel reden zu müssen – eigentlich nicht.

      Aber ich hatte Susi jetzt so lange Zeit vertröstet, wenn ich sie noch länger als Freundin haben wollte, sollte ich wohl nicht absagen.

      „Ja. Wo willst du hingehen?“

      Keine Stunde später saß ich mit Susi in einem netten Lokal in der Nähe unserer Universität. Wir konnten sogar draußen auf der Terrasse sitzen, da es für September noch extrem warm war.

      Susi trug auch noch ein Sommerkleid, das ihr wie angegossen passte.

      Aber meiner Freundin stand auch so gut wie alles. Im Gegensatz zu mir war sie recht groß und war – dafür, dass sie so gut wie keinen Sport machte – wirklich gut gebaut. Lange, schlanke Beine und ein flacher Bauch. Mit ihren roten Haaren und den vielen Sommersprossen zog sie dann wirklich jede Aufmerksamkeit auf sich.

      Was mir aktuell ziemlich unangenehm war. Immerhin sah ich immer noch aus wie eine Pennerin. Ich hatte es geschafft, mir eine normale Hose anzuziehen, blieb aber bei einem von Markus‘ Shirts. Mit meinem neuen Haarschnitt und der neuen Farbe – beides erst seit wenigen Wochen – sah ich aus wie ein Kerl. Meine Haare waren kürzer als zuvor – früher waren sie mir bis zur Brust gegangen, heute nur noch bis zum Ohr. Auch meine Farbe hatte ich geändert. Vor sechs Monaten waren sie noch satt blond gewesen, jetzt waren sie dunkelbraun. Ich wusste nicht, warum ich meine Haare so stark verändert hatte. Ich hatte einfach das Gefühl gehabt, dass ich diese Veränderung benötigte. Außerdem fühlte ich mich so Markus näher. Er hatte in etwa dieselbe Haarlänge gehabt und war auch dunkelhaarig gewesen. Waren wir eigentlich beide, aber mit achtzehn hatte ich begonnen meine Haare zu bleichen. Eine Art kleine, harmlose Rebellion gegen meine Eltern.

      Jetzt waren sie wieder in ihrer natürlichen Farbe. Und ich sah aus wie ein anderer Mensch. Susi wollte es sich nicht anmerken lassen, aber ihre Augen hatten sich für einen Moment lang erschrocken geweitet, als sie mich zum ersten Mal gesehen hatte. Ein Wunder, dass Winter mich gestern erkannt hatte. Ich hatte nämlich durch die Antidepressiva auch ein paar Kilo zugenommen und dadurch war mein Gesicht ein wenig runder geworden. Nichts was mich persönlich stören würde – mir war sowieso so gut wie alles mittlerweile egal – aber anderen Menschen fiel sowas sehr schnell auf.

      Susi hatte mich aber nicht großartig darauf angesprochen. Sie sagte nur, dass mir die kurzen Haare stehen würden und anschließend setzten wir uns hin. Bis zur Bestellung unseres Essens hatten wir nicht viel miteinander gesprochen. Aber als der Kellner gegangen war, hatte ich keine Chance mehr zu entkommen. Ich musste mich Susis Fragen stellen.

      „Ohne Witz, Mary. Du siehst wirklich gut aus. Die Farbe steht dir echt gut.“

      Ich zuckte nur mit den Schultern. Mein Aussehen war immerhin nicht der Grund gewesen, warum ich meine Haare so radikal geändert hatte.

      „Deine Mum hat mich angerufen.“, gab Susi nach ein paar Minuten des Schweigens zu.

      Überrascht hob ich den Blick von dem Fleck, den ich gerade betrachtet hatte.

      „Sie hat mich gefragt, welche Vorlesungen ich nächstes Jahr besuche, damit sie dich in denselben einschreiben kann. Ich hoffe es ist okay, dass ich ihr das gesagt habe.“

      Oh Mann. Meine Mutter kannte nicht viel von Privatsphäre. Wie sie an das Passwort für meinen Online-Campus gekommen ist, will ich gar nicht erst wissen.

      „Schon okay.“, beschwichtigte ich Susi: „Freut mich, dass wir in denselben Kursen sind.“, tat es wirklich.

      „Gut. Und das eine Semester holst du ohne Probleme auf. Du hast dir ja noch nie schwergetan, was das Lernen betrifft.“

      Ja, weil früher Markus und ich immer gemeinsam gelernt hatten. Er war eindeutig der klügere von uns gewesen und hat mir alles erklärt, was ich nicht verstanden hatte.

      Aber das sagte ich nicht. Ich nickte nur und nippte an dem Kaffee, den ich gerade bekommen hatte.

      Die restliche Zeit über blieb ich Großteils genauso stumm. Susi erzählte mir von einem Typen, den sie vor kurzem kennen gelernt hatte und von den Prüfungen, die letztes Semester die Hölle gewesen waren.

      Es tat irgendwie